Mehr als die Hälfte der Bevölkerung, nämlich 59 Prozent, könnte einen sehr starken Schmerz höchstens wenige Stunden ertragen. Das ist das Ergebnis einer neuen repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts EMNID. 11 Prozent gaben an, den stärksten körperlichen Schmerz, den sie bisher in ihrem Leben empfunden hatten, gar nicht ertragen zu können, 18 Prozent könnten ihn wenige Minuten aushalten. Grund genug, Schmerzen nach den modernen Erkenntnissen der Medizin - nämlich interdisziplinär - zu behandeln. So sagte auch Dr. Thomas Tölle, Chef der Neurologischen Klinik der Technischen Universität München, kürzlich in einem Interview: “Ob in Verbindung mit Psycho- oder Physiotherapie, zur Behandlung von Schmerzen müssen alle Register gezogen werden.”
Niemand will Schmerzen ertragen. Das ist nachvollziehbar. Doch für rund 1,6 Millionen Menschen gehören starke Schmerzen zum Alltag. Diese Menschen sind durchschnittlich zehn Jahre auf der Suche nach einer angemessenen Therapie, die die Schmerzen zumindest lindert. In der Befragung gaben nur 6 Prozent an, den stärksten körperlichen Schmerz länger als wenige Monate ertragen zu können. Die 1,6 Millionen Schmerzpatienten in Deutschland sind aber dazu gezwungen, noch viel länger durchzuhalten.
In der aktuellen EMNID-Befragung sollten die Befragten angeben, in welchem Bereich des täglichen Lebens sie vermutlich am stärksten eingeschränkt wären, wenn sie starke Schmerzen hätten. Bei den Antworten stand die allgemeine Lebensfreude mit 31 Prozent an erster Stelle. Es folgten Arbeit (22 Prozent) und Familienleben (21 Prozent). Diese Zahlen bestätigen die Erfahrungen mit chronischen Schmerzpatienten. Chronische Schmerzen sind nicht nur eine körperliche Belastung. Sie lösen häufig auch psychische Erkrankungen und soziale Probleme aus. Viele Patienten werden depressiv, leiden unter Ängsten und kapseln sich von ihrer Umwelt ab. Bei Berufstätigen kommt es zu Problemen am Arbeitsplatz. Diese neuen Probleme erschweren den Umgang mit den Schmerzen. Ein Teufelskreis. Jedes Jahr sehen daher 3.000 von ihnen keinen Ausweg mehr und nehmen sich das Leben.
Grund genug, Schmerzen nach den modernen Erkenntnissen der Medizin zu behandeln. Grundpfeiler der Therapie ist die medikamentöse Behandlung nach dem WHO-Stufenschema. Danach werden Schmerzen je nach ihrer Stärke behandelt. Auf der ersten Stufe stehen Medikamente wie Acetylsalicylsäure und Paracetamol, sind die Schmerzen stärker, werden schwach wirksame Opioide wie Tramadol eingesetzt. Auf der dritten Stufe schließlich kommen stark wirksame Opioide wie Fentanyl zum Einsatz.
Niemand will Schmerzen ertragen. Doch für rund 1,6 Millionen Menschen gehören starke Schmerzen zum Alltag.
57 Prozent der Befragten, würden bei starken Schmerzen Opioide einnehmen, wenn der Arzt sie verordnet. Immerhin 43 Prozent lehnen diese Behandlung ab. Vor gut zwei Jahren lehnten noch mehr als 60 Prozent der Bevölkerung diese Medikamente ab bzw. hielten sie für Schmerzmittel, die nur bei Krebs im Endstadium eingesetzt werden. Ursache für diese zunehmende Akzeptanz starker Schmerzmittel sind sicherlich auch neue Darreichungsformen wie z.B. das Schmerzpflaster mit dem Wirkstoff Fentanyl. Patienten, die zwischen Tabletten und dem Schmerzpflaster wählen konnten, bevorzugten in der Mehrheit das Pflaster. Es muss nur alle drei Tage gewechselt werden. Der Patient wird dadurch nicht so oft an seine belastende Krankheit erinnert und muss auch nicht im Abstand von wenigen Stunden Tabletten schlucken.
Opioide sind stark wirksame Schmerzmittel. So wie leichte Schmerzmittel wie Acetylsalicylsäure bei leichten Schmerzen eingesetzt werden, sind starke Schmerzmittel wie die Opioide Medikamente gegen starke Schmerzen. Inzwischen werden sie auch bei Nichttumorschmerzen wie z.B. Rücken- und Gelenkschmerzen eingesetzt, bei denen sie sich - so wie bei Krebsschmerzen - als sehr gut wirksam und verträglich erwiesen haben.
Sind die Schmerzen mit Hilfe moderner Medikamente auf ein erträgliches Maß gelindert, kommen die anderen Säulen der Schmerztherapie zum Tragen. Je nach Art der Schmerzen und unter Einbeziehung psychischer und sozialer Faktoren verordnet der Arzt Krankengymnastik, Entspannungsübungen oder auch eine psychotherapeutische Behandlung. Die moderne Schmerztherapie ist also interdisziplinär angelegt, um alle Aspekte der Schmerzkrankheit zu berücksichtigen und so ein optimales Ergebnis zu erzielen.