Bereits 1996 wurde in Deutschland eine spezielle „Screening-Untersuchung” in der vierten bis sechsten Lebenswoche als gesetzliche Vorsorgeuntersuchung eingeführt. Denn frühzeitig erkannt, kann eine Hüftgelenkfehlbildung in den meisten Fällen mit einfachen Hilfsmitteln ohne Operation behandelt werden.
„Leider versäumen immer noch viele Eltern diese wichtige Untersuchung”, erklärt Professor Dr. Fritz Uwe Niethard, teilnehmender Experte der Kampagne „Orthopädie bewegt” und Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Universitätsklinikum Aachen. „Die Fehlbildung des Hüftgelenks ist die häufigste orthopädische Erkrankung im Säuglingsalter. Unbehandelt kann sie später zu frühzeitigem Gelenkverschleiß und Arthrose führen.” Doch Vorbeugung ist möglich! Die Risikofaktoren für die Entwicklung einer Hüftdysplasie sind bekannt und es gibt wirksame Maßnahmen, mit denen Eltern einer Fehlstellung frühzeitig entgegenwirken können. Die Experten der Kampagne „Orthopädie bewegt” plädieren dafür, dass jede Säuglingshüfte möglichst früh nach der Geburt mit Ultraschall untersucht wird (sogenannte Vorsorgeuntersuchung U3 in der vierten bis sechsten Woche). Für die Initiative „Orthopädie bewegt” haben sich alle großen orthopädischen Fachgesellschaften mit dem Bundesverband Medizintechnik zusammengeschlossen und zu Beginn diesen Jahres eine große Aufklärungskampagne gestartet. Ziel der Kampagne ist es, die Bevölkerung über neue Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären und damit weitere Erkrankungen der Haltungs- und Bewegungsorgane zu verhindern.
Von einer Hüftdysplasie spricht man dann, wenn sich die Hüfte des Säuglings nicht normal entwickelt. Häufig ist die Hüftpfanne zu klein und zu steil geformt. Der Hüftkopf wird nicht optimal umschlossen, sondern nur unzureichend abgedeckt. Eine Hüftfehlstellung entwickelt sich meistens bereits im Mutterleib, wenn der Fötus nicht richtig liegt oder der Platz sehr beengt ist, z.B. bei einer Zwangslage oder Mehrlingsschwangerschaft. Kinder, die durch Kaiserschnitt wegen
Beckenend- oder Steißlage geboren wurden, haben daher ein erhöhtes Risiko. Auch Fehlbildungen im Bereich der Wirbelsäule oder neurologische bzw. muskuläre Erkrankungen sind Risikofaktoren. Wenn in der Verwandtschaft bereits Hüfterkrankungen vorgekommen sind, sollten Eltern besonders aufmerksam sein.
Für die optimale Entwicklung der Hüftgelenke von Kleinkindern empfehlen Orthopäden eine möglichst häufige Beugestellung der Beine. Ideal sind Tragetücher, mit denen die Babys am Körper der Mutter getragen werden.
Das Tuch sollte groß genug sein, so dass es gut über den Rücken des Kindes passt und den Kopf stützt. Babies mit Risikofaktoren sollten nicht vorwiegend auf den Bauch gelegt werden, denn dabei werden die Beine frühzeitig gestreckt. Im Bett sollte der Oberkörper des Kindes etwas erhöht liegen. Hüft- und Kniegelenke können durch das Unterlegen von Kissen oder einer Decke leicht gebeugt gelagert werden. Die Beine sollten sich frei bewegen können.
Orthopäden empfehlen in der vierten bis sechsten Lebenswoche eine Screening-Untersuchung mit Ultraschall, bei Neugeborenen mit Risikofaktoren auch schon unmittelbar nach Geburt. „Diese Untersuchungen verlaufen völlig ohne Strahlenbelastung und schmerzlos”, informiert Prof. Niethard. „Bis zum Alter von etwa zwölf Wochen kann der Arzt die Entwicklung der Säuglingshüfte noch sehr gut mit Ultraschall darstellen.
Mit fortgeschrittenem Alter bringt dann nur noch eine Röntgenuntersuchung Sicherheit.”
Wenn eine Reifestörung der Hüfte festgestellt wurde, kann das Kind in der Regel bis zum 18. Lebensmonat konservativ ohne Operation behandelt werden, da das Skelett noch nicht vollständig verknöchert ist. Die Knochen eines Neugeborenen bestehen nach der Geburt noch hauptsächlich aus Knorpel und verhärten bis zum Wachstumsabschluss immer mehr. Eine Hüftdysplasie wird im Normalfall mit Hilfsmitteln korrigiert, die die Beuge-Spreizstellung der Beine fördern wie z.B. Spreizwindeln. Durch die gespreizte Haltung wird das Hüft-Pfannendach vom Druck des Hüftkopfes entlastet und kann dadurch optimal nachreifen. Derartige Hilfsmittel können über der Kleidung getragen werden und sollten nur zum Wickeln, Baden oder Umziehen kurzzeitig abgenommen werden. Auch wenn die Fehlstellung nur einseitig vorhanden ist, wird die Behandlung immer beidseitig durchgeführt. Für die Dauer der Behandlung haben Mediziner der Orthopädischen Universitätsklinik Aachen eine einfache Formel entwickelt: „Das Alter des Kindes bei Therapiebeginn (in Wochen) multipliziert mit drei ergibt das Alter bei Therapieende”, erklärt Prof. Niethard. Nur in schweren Fällen, wenn das Gelenk vollständig ausgekugelt ist (Hüftluxation), muss der Hüftkopf zunächst vorsichtig eingerenkt und dann mit Hilfe eines Gipsverbandes mehrere Wochen lang fixiert werden. Bessert sich die Fehlstellung dadurch nicht, muss operiert werden.