Angefangen hat alles 1952, als der französische Arzt Dr. Michel Pistor (1924 - 2003) einen tauben Hufschmied aus Bray-Lu mit einer bis dahin unbekannten Methode behandelte: er spritzte ihm versuchsweise einen Medikamentencocktail in die mittlere Hauschicht, das sogenannte Mesothel, rund um das das Ohr. Und das Unglaubliche trat ein, der Hufschmied konnte kurze Zeit danach wieder gut hören.
Ermutigt durch seinen Erfolg, begann Dr. Pistor sein Verfahren auch auf andere Indikationen auszuweiten und veröffentlichte seine Erfahrungen 1958 unter dem Titel „Mesotherapie”.
Die Mesotherapie vereint die Schulmedizin und alternative Heilverfahren und ist eine Mischung aus Akupunktur, Neuraltherapie und lokaler Arzneimittelgabe. Der Begriff Mesotherapie leitet sich vom altgriechischen Wort Meso (=mittel) her und bezieht sich auf das Mesoderm, jenes mittlere Keimblatt, das sich in der dritten Entwicklungswoche des Menschen bildet und aus dem dann u.a. Haut und Bindegewebe entstehen. In diese Bereiche und nicht tiefer werde im Rahmen der Mesotherapie Wirkstoffe an oder um die zu behandelnde Stelle eingebracht.
In Frankreich, dem Geburtsland der Mesotherapie wird diese Behandlungsmethode in einem speziellen Studiengang an medizinischen Universitäten gelehrt. In Deutschland wird sie seit Beginn der 1980er Jahre ebenfalls praktiziert und setzt sich seitdem immer mehr als effektive und schonende Methode bei vielen Beschwerden durch. 1984 wurde die Deutsche Gesellschaft für Mesotherapie (DGM) gegründet, die den Ärzten qualifizierte Aus- und Fortbildungen in der Mesotherapie anbietet.
Das Prinzip der Mesotherapie ist ganz einfach: wenig, selten und am richtigen Ort, d.h. es werden nur geringe Arzneimittelmengen relativ selten und punktgenau am Ort des Geschehend, also der Beschwerden gespritzt.
Medikamente, die wir unserem Körper zuführen, können den Organismus belasten und vor allem bei langfristiger Einnahme, etwa bei chronischen Schmerzpatienten, zu Nebenwirkungen und Schäden an Leber, Niere und Magen führen.
Die Mesotherapie verspricht eine effektive Arzneimitteltherapie nahezu ohne Nebenwirkungen und Risiken für den Körper. Dabei spielen die Erfahrung des behandelnden Arztes mit dieser Methode sowie sein Wissen über die wirksamste Kombination bzw. Dosierung der verwendeten Mittel in der jeweiligen Indikation eine ganz entscheidende Rolle.
Mit feinen Nadeln werden die individuell ausgesuchten Wirkstoffe direkt in die Haut injiziert. Je nach Beschwerdebild wird eine Kombination aus herkömmlichen Medikamenten, Vitaminen, homöopathischen und pflanzlichen Mitteln appliziert. Das entstehende Hautdepot sichert einen schnellen und gleichzeitig anhaltenden Effekt, bei dem die Wirkstoffe kaum in den Blutkreislauf gelangen. Durch die Anregung der Mikrozirkulation und durch Diffusion gelangen sie unmittelbar in den erkrankten Bereich, auch in tiefer liegende Strukturen wie Muskeln und Gelenke. Die Mini-Injektionen regulieren die Abwehrkräfte, indem sie die Immunzellen der Haut lang und anhaltend modulieren. Sie steigern die Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Bindegewebes, das Gewebe wird stimuliert, körpereigene Endorphine und entzündungshemmende Substanzen werden freigesetzt.
Neben der Wahl der entsprechenden Wirkstoffe und deren Dosierung ist auch der Ort, wo diese gespritzt werden ausschlaggebend für den Erfolg der Behandlung. Das kann einerseits da sein, wo die Symptome auftreten. Andererseits orientiert sich der Arzt aber auch an bekannten Akupunkturpunkten sowie an Stellen, die nach dem Prinzip der Reflexzonen bestimmten Organen zugeordnet werden können.
Die große Stärke der Mesotherapie zeigt sich ganz besonders bei der Behandlung von chronischen und hartnäckigen Schmerzzuständen. Schmerzpatienten erhalten ein Gemisch aus einer durchblutungsfördernden Substanz, einem lokal wirkenden Schmerzmedikament und einem entzündungshemmenden Schmerzmittel, natürlich alle in ganz geringer Dosierung. Die Spritztiefe ist abhängig von den Beschwerden. Sind diese akut, werden die Substanzen tiefer in die Haut eingebracht. Sind sie chronisch, ist die Stichtiefe geringer. In den obersten Schichten der Haut kann der Körper die verabreichten Substanzen speichern und bei Bedarf darauf zurückgreifen. So hält die Schmerzfreiheit länger an. Durch diese Depotwirkung reicht oftmals eine Behandlung pro Woche. Das Behandlungsintervall wird mit der Zeit verlängert, bis die Schmerzen nicht mehr zurückkommen.
Doch nicht nur Schmerzpatienten profitieren von dieser Behandlungsmethode. Große Bedeutung kommt der Methode auch in der Behandlung von Gelenkbeschwerden zu, bei Sportverletzungen, Überlastungsschwächen und Stresssymptomen. Häufig behandelte Indikationen sind darüber hinaus Migräne, Schwindelanfälle, Erschöpfungszustände und Entwöhnungstherapien, beispielsweise für Raucher, oder die Behandlung urologischer Probleme. Eine weitere interessante Therapieoption liegt in der Behandlung von Heuschnupfen und anderen Allergien. Unabhängig von der Indikation ist die Grundlage der Therapie die Verabreichung minimalster Wirkstoffmengen direkt am Ort der Erkrankung und zwar so selten wie möglich. In der Regel finden die Behandlungen in Zeitabständen von 2-3 Wochen statt.
Da die verabreichten Medikamente nur lokal wirken ist die Behandlung besonders schonend und eignet sich auch für Kinder und Schwangere.
Vor einigen Jahren wurde die Mesotherapie auch Bestandteil der minimal invasiven ästhetischen Medizin, angefangen vom sanften Anti-Aging bis zum nicht operativen Lifting. Bei dieser Anwendung besteht der Wirkstoffcocktail aus einem Lokalanästhetikum, einem durchblutungsfördernden Mittel, verschiedenen Vitaminen und als Hauptbestandteil unvernetzte Hyaluronsäure. Letztere bindet mehr Feuchtigkeit in der Haut, glättet dadurch kleine Falten und leitet einen natürlichen Verjüngungsprozess der Haut ein.
Natürlich ist die Mesotherapie weder Wunder- noch Allheilmittel, sondern eine viel versprechende Therapieoption, die auch dann noch Erfolge zeigen kann, wenn andere Methoden versagt haben. Das trifft besonders auf schulmedizinisch bereits „ausbehandelte” Fälle zu und viele chronisch kranke Patienten können berechtigte Hoffnung auf Linderung und sogar Heilung ihrer Leiden schöpfen.
Und dann gibt es Fälle, in denen die Mesotherapie der herkömmlichen Behandlung überlegen bzw. vorzuziehen ist.
In der renommierten Zeitschrift Arthritis Care and Research wurde Anfang 2009 eine Studie vorgestellt, in welcher Patienten mit Schulterverkalkung mesotherapeutisch behandelt worden waren (Cacchio et al., Efectiveness of Treatment of Calcific Tendinitis oft he Shoulder by Disodium EDTA).
Normalerweise wird die äußerst schmerzhafte Schulterverkalkung mit Kortison, Stoßwellen und Physiotherapie behandelt und nicht selten müssen die Kalkablagerungen chirurgisch entfernt werden. Die Hälfte der 80 Studienpatienten wurden konventionell behandelt, die andere Hälfte mesotherapeutisch, d.h. sie erhielten den lokal injizierten Kalziumfänger EDTA (Ethylendiamintetraesigsäure). Bereits nach 4 Wochen waren bei 62,5% dieser Patienten die Kalkdepots in der Schulter völlig verschwunden, bei weiteren 22,5% zum großen Teil. Auch bei einer Kontrolluntersuchung ein Jahr später waren die Patienten symptom- und schmerzfrei. In der Kontrollgruppe hingegen, die konventionell behandelt wurde, konnte bei nur 15% der Patienten eine unvollständige Auflösung der schmerzhaften Kalkablagerungen festgestellt werden.