Namhafte Experten bewerteten in einer Anwendungsbeobachtung die neueste Datenlage zur allgemeinen und speziell zur gastrointestinalen Verträglichkeit von Acetylsalicylsäure, dem Wirkstoff von Aspirin. Ihr Fazit war eindeutig: Aspirin ist in der Selbstmedikation von leichten bis mäßigen Schmerzen oder Fieber, z.B. bei Erkältung, in den zugelassenen OTC-Dosierungen mit der entsprechenden kurzzeitigen Anwendung sicher und wirksam. Eine Einschätzung, die sich mit der Risikobewertung für verschreibungsfreie Schmerzmittel der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA (Federal Drug Administration) vom 19. und 20. September 2002 deckt.
“Beim Vergleich neuerer Daten aus kontrollierten klinischen Prüfungen zu akuten Schmerzen unter ärztlicher Aufsicht mit den Daten aus klinischen Prüfungen zu OTC-Anwendungen und aus Anwendungsbeobachtungen ergibt sich bei der Betrachtung von insgesamt 15.576 Patienten , dass die Nebenwirkungen bei OTC-Dosierungen den gleichen Umfang haben wie unter Placebo.
Die Rate gastrointestinaler Nebenwirkungen von leichter bis mäßiger Ausprägung liegt in der Größenordnung von zwei Prozent”, so die Zusammenfassung von Privatdozentin Marianne Petersen-Braun, Leiterin der Wissenschaftlichen Abteilung bei Bayer Vital, Consumer Care.
Das Zentrum für Pharmakoepidemiologie der 2. Universität von Neapel kam mit einer Analyse über den Gebrauch und die Verträglichkeit von OTC-Analgetika zu ähnlichen Ergebnissen. Um verläßliche Ergebnisse über die Arzneimittelsicherheit im OTC-Gebrauch zu erhalten, bietet sich laut Professor Fancesco Rossi, das Instrument der Anwendungsbeobachtung an. Eine apothekenbasierte Anwendungsbeobachtung aus 40 repräsentativen süditalienischen Apotheken lieferte die Daten über die Anwendungsgebiete, Dosierung, Behandlungsdauer und Nebenwirkungen von Schmerzmitteln, die 2.053 Patienten ohne ärztliche Verordnung für den Eigengebrauch kauften. Die am häufigsten verwendeten Schmerzmittel waren Acetylsalicylsäure (27 %, meistens Aspirin), Paracetamol (21,7 %) und Ibuprofen (11,7 %). Die mittlere Tagesdosis überschritt im Allgemeinen die empfohlene Tagesdosis nicht und die Behandlungsdauer betrug selten mehr als sieben Tage. Insgesamt berichtete nur 5,5 % der Studienpopulation über Nebenwirkungen, wobei es sich bei 75 % der Nebenwirkungen um gastrointestinale Symptome handelte.
Bereits 1899 veröffentlichte Kurt Witthauer in “Die Heilkunde” die positiven Ergebnisse seiner Studien mit Rheumapatienten, die er von der schlecht verträglichen Salicylsäure auf die besser verträgliche Acetylsalicylsäure umgestellt hatte, berichtete Professor Henning Schröder von der Universität Halle. Bei der rheumatischen Indikation handelt es sich um eine Langzeitmedikation mit einer Tagesdosis von 4 - 6 g Acetylsalicylsäure, eine im Vergleich mit akuten OTC-Dosierungen von maximal 3 g ASS hohe Dosis über einen langen Zeitraum. Die Auswertung der amerikanischen ARAMIS (Arthritis, Rheumatism, and Aging Medical Information System) –Datenbank mit über 24.000 Rheumapatienten habe allerdings ergeben, dass Acetylsalicylsäure von 12 bewerteten nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAIDs) die geringste Gesamttoxizität und die zweitbeste Magenverträglichkeit besaß…
Dass unerwünschte Wirkungen nicht nur von einer Substanz an sich abhängen, sondern auch von deren Dosierung, erkannte schon vor über 500 Jahren der Schweizer Naturforscher und Arzt Paracelsus (1493 – 1541). “Alle Substanzen sind Gifte. Allein die Dosis entscheidet, ob eine Substanz kein Gift ist”. Mit diesem Ausspruch prägte er schon den Begriff von der “therapeutischen Breite”, worunter der Abstand zwischen der heilenden und der schädlichen Dosis eines Arzneimittels zu verstehen ist. Je größer die therapeutische Breite, umso sicherer ist das Arzneimittel, erklärte der Arzt und Risikoexperte, Professor Klaus Heilmann aus München. Die therapeutische Breite der Acetylsalicylsäure, dem Wirkstoff von Aspirin, ist groß. Denn bereits 100 -300 mg täglich genügen zur Herzinfarktprophylaxe und 0,5 – 1 g zur akuten Schmerztherapie. Ernsthafte Vergiftungserscheinungen setzen erst bei einer Einzeldosis von etwa 12 – 15 g ein. “Würden die Behörden an den Gebrauch von Alkohol, Nikotin, Salz, Zucker oder Schokolade, dieselben hohen Sicherheitsanforderungen wie an Arzneimittel stellen, dann dürften beispielsweise alkoholische Getränke nur zusammen mit einer Gebrauchsinformation auf Rezept in Apotheken abgegeben werden”, so Heilmann. Laut Heilmann ist im Leben eines jeden Menschen jede Entscheidung mit der Chance verbunden, die eigene Lebenserwartung möglichst lang zu halten, oder mit dem Risiko sie zu verkürzen. Viele Entscheidungen, wie der Erwerb eines Autos, der Antritt einer Reise oder das Hinuntergehen einer Treppe, würden jedoch ohne weitere Überlegungen getroffen, obwohl das Risiko eines Unfalls von der Inzidenz her weitaus größer sein mag, als die Einnahme eines Arzneimittels, dessen Nebenwirkungsmöglichkeiten und Häufigkeiten in jedem Beipackzettel nachzulesen sind. Wichtig sei es, sich in jedem Fall über Risiken zu informieren, denn nur der informierte Mensch sei fähig, Risiken zu relativieren und realistisch einzuschätzen.