Brustkrebs ist leider noch immer die häufigste Form bösartiger Tumorerkrankungen der Frau. Über eine Million Neuerkrankungen werden jedes Jahr weltweit bekannt. In Deutschland trifft die Diagnose “Brustkrebs” oder “Mammakarzinom” jährlich etwa 50.000 Frauen, und 19.000 Brustkrebs-Patientinnen bezahlen ihr Schicksal Jahr für Jahr mit dem Leben. Höchste Zeit, besonders Betroffenen im Frühstadium durch wirksame und gut untersuchte neue Therapien bessere Heilungs- und Überlebenschancen zu bieten, meinten jetzt renommierte Onkologen auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Meist folgt der Diagnose “Brustkrebs” die operative Entfernung des Tumors. Als wirksamste Maßnahme, um danach ein Auftreten neuer Rückfälle und eine Streuung verbliebener Krebszellen auf andere Organe - vorwiegend Leber, Lunge, Knochen - zu verhindern, hat sich die so genannte “adjuvante” oder prophylaktische Chemotherapie erwiesen, wie Professor Fritz Jänicke, Hamburg, darlegte. Hierfür stehen eine Reihe von Substanzen und Wirkstoffkombinationen zur Verfügung. Durch mehrere Behandlungszyklen mit einer Kombination verschiedener “Zytostatika”, die Krebszellen abtöten, soll eine möglichst vollständige Heilung der Patientin erreicht werden.
Ein neuer Horizont für die Wirksamkeit dieses Konzepts eröffnet sich jetzt durch eine aktuelle Studie einer internationalen Expertengruppe, die auf dem amerikanischen Krebskongress - ASCO - in Florida vorgestellt wurde. Der jährlich in den USA stattfindende Kongress gilt als das bedeutendste internationale Treffen von Krebsspezialisten, auf dem die weltweit neuesten und spektakulärsten Forschungsergebnisse präsentiert werden.
Eine Aufsehen erregende Botschaft des ASCO-Kongresses im Mai 2002 war zweifellos das von Experten bereits erwartete Ergebnis nach einer dreijährigen Nachbeobachtungs-Phase der breit angelegten internationalen BCIRG 001-Studie, unter Leitung von Professor Jean Marc Nabholtz, Los Angeles. Das Ziel der Studie war es, die Rückfall-Häufigkeit und das Heilungspotenzial der chemotherapeutischen Kombinations-Behandlung mit Taxotere (Wirkstoff Docetaxel) zu untersuchen und mit der derzeit üblichen Standardtherapie zu vergleichen. 1.491 Patientinnen aus 20 Ländern und weltweit 111 Kliniken nahmen an der Studie teil. Sie konnte eindrucksvoll belegen, dass eine Chemotherapie mit Taxotere im Frühstadium des Mammakarzinoms das Risiko eines erneuten Rückfalls gegenüber der standardmäßig durchgeführten Chemotherapie um 32 Prozent senkt. Dies hat zur Folge, wie die internationale Krebsexpertin, Frau Prof. Perez vor Ort in den USA erläuterte, dass durch Einsatz der Taxotere-Kombination von den auftretenden Krankheits-Rückfällen jeder dritte verhindert werden könnte. Für Deutschland bedeutet dies, dass etwa 2.800 Patientinnen mehr von ihrem Tumorleiden durch den konsequenten Einsatz einer solchen Therapie geheilt wären.
Taxotere wird aus den Nadeln der Eibe gewonnen und hat sich bereits in der Behandlung im Spätstadium des Mammakarzinoms bewährt und gilt dort bereits auf Grund seiner hohen Wirksamkeit als Referenztherapie. Für die adjuvante Brustkrebs-Therapie im frühen Stadium bedeute die hohe Heilungsrate des neuen Behandlungsregimes einen hoffnungsvollen Durchbruch und vermutlich den lang erwarteten Therapiewandel für die Zukunft, erklärte Frau Professor Elisabeth Merkle, Stuttgart.
Am meisten profitieren, wie sich in der Studie erwies, Frauen mit bis zu drei vom Tumor befallenen Lymphknoten. Bei ihnen konnte durch die Kombinationstherapie mit Taxotere das Rückfall-Risiko sogar um die Hälfte reduziert werden, während die Sterberate um mehr als 50 Prozent sank. Die unter einer Chemotherapie auftretenden Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Verminderung der weißen Blutkörperchen und damit verbundenes Fieber (febrile Neutropenie) waren bei der Taxotere-Behandlung gut zu beherrschen, während Übelkeit und Erbrechen wesentlich seltener als unter der herkömmlichen Chemotherapie auftraten. Insgesamt gesehen, ergebe sich mit Taxotere für viele Patientinnen mit operablem Mammakarzinom eine sehr wirksame Behandlungsmöglichkeit, die eine Heilung der Erkrankung mehr und mehr möglich macht, resümierte Frau Prof. Merkle.
“Ich begreife diese Therapie noch heute und immer wieder als Chance meines Lebens und als Behandlung, die mir im wahrsten Sinne des Wortes das Leben gerettet hat”, bekennt die heute als geheilt geltende Patientin Gerlinde P. aus Offenburg. Beeindruckend schilderte sie auf der Pressekonferenz ihre Empfindungen nach der Diagnose, ihre Ängste, die quälende Ungewissheit und die Hoffnung, als sie von Privatdozent Dr. Carsten Oberhoff an der Universitäts-Frauenklinik Essen in das BCIRG-Studienprogramm aufgenommen wurde. Dr. Oberhoff, dessen Klinik als einzige in Deutschland an der Studie teilnahm, sagte in Orlando, nach internationalen Einschätzungen bedeute diese “einen Meilenstein” in der Brustkrebs-Therapie.
“Die bei der Taxotere-Therapie beobachteten hervorragenden Ergebnisse lassen darauf schließen, dass diese Behandlung ein höheres Heilungspotenzial aufweist als die bisher besten Chemotherapien”, hatte auch Studienleiter Prof. Nabholtz bereits das spektakuläre Studienresultat zusammengefasst. Auch er war der Ansicht, dass diese Ergebnisse bereits jetzt für viele Patientinnen mit Brustkrebs bei der Therapie-Auswahl von großer klinischer Bedeutung seien. Krebsexperten in Deutschland und weltweit sind sich, wie es Dr. Oberhoff formulierte, darüber einig: “Der schon lange erwartete grundlegende Therapiewandel bei Brustkrebs im Frühstadium ist jetzt in greifbare Nähe gerückt.” Die Fachwelt kam auf dem ASCO-Kongress in Orlando einhellig zu dem Schluss: Bei konsequenter Umsetzung der aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse könnte die Taxotere-Behandlung vielen Frauen das Leben retten.