Husten- und Erkältungsmittel (Umsatz 1,9 Milliarden!) boomen - kein Wunder, wir sind ja auch mitten drin, in der Grippezeit. Die Pressemeldungen zu neuen (Wunder-)Mitteln treffen im Stundentakt ein und jedes verspricht rasche Heilung. Dazu braucht es keinen Arzt mehr, sondern nur noch die Apotheke, denn dort sind sie zu bekommen, all die Substanzen, die den rund 200 Erkältungsviren den Garaus verkünden. Neuester Trend: Sprays - die neue Schutzschild-Innovation auf dem Pharmamarkt gegen all jene Erkältungsübel, welche uns gerade heimsuchen.
Rotalgen in Erkältungssprays versprechen maximale Linderung. Leider sieht die Wahrheit anders aus: “In keiner der gefundenen Studien gibt es einen überzeugenden Nachweis dafür, dass ein Nasenspray mit Carrageen aus der Rotalge die Erkältungssymptome deutlich lindert oder die Erkältungsdauer verkürzt. Ob sich eine Erkältung mit dem Nasenspray verhindern lässt, wurde in keiner Studie untersucht”, berichtet Medizin-Transparent über das gerade in allen Apotheken unter dem Markennamen Algovir gehypte Nasenspray. Carrageen ist ein aus der Rotalge gewonnener Schleimstoff , der normalerweise als Verdickungsmittel in Lebensmitteln, aber auch in der Kosmetik, eingesetzt wird. Sprüht man sich Carrageen sozusagen als Schutzfilm auf die Nasen-Schleimhaut, könnte es ja auch die lästigen Erkältungsviren abwehren. Könnte!
Medizin-Transparent findet das eine “hübsche Theorie”. Denn in Wahrheit ist die Wirksamkeit des teuren Mittels (ca. € 10.– für 20 ml) leider nur wenig bewiesen. Man greift zwar auf vier Studien mit rund 600 Teilnehmern (Kinder und Erwachsene) zurück, doch “…die Studien untersuchten allerdings nicht, ob sich mit dem Spray der Ausbruch von Erkältungen vorbeugen lässt, wie es der Beipackzettel suggeriert, sondern nur, ob sich die Erkältungsdauer verkürzt. Dazu behandelten die Forschungsteams Patientinnen und Patienten, die gerade eine Erkältung bekommen hatten…”.
Betrachtet man die Auswertungen genauer, so findet sich nur “bei einem verschwindend geringem Anteil der Studienteilnehmer einen Effekt, der über den des Scheinmedikaments hinausging. Und ob dieser Effekt so groß ist, dass er für Menschen mit Erkältung einen fühlbaren Unterschied macht, bleibt unklar.”
Auch weisen die Studien zahlreiche methodische Mängel auf, “die erfahrungsgemäß eher dafür sorgen, dass die Effekte eines getesteten Medikaments überschätzt werden…Dass Erkältungssprays mit Rotalgen-Carrageen tatsächlich einen großen Nutzen bei Erkältung haben, ist also eher unwahrscheinlich”.
Auch das derzeit über Apotheken und deren Sprachrohre gerne beworbene und angebotene Viruprotect (20 ml, ca. € 20.–) schneidet bei genauer Betrachtung nicht wirklich gut ab. Hier liegt überhaupt nur eine “Pilotstudie” mit 46 gesunden Probanden vor, die man mit Rhinoviren infizierte “und primär auf einen Surrogatendpunkt, den Rückgang der Viruslast, untersucht. Als Beleg für einen klinischen Nutzen lässt sich diese Arbeit schon aufgrund von Größe und Design nicht heranziehen1”.
Dass diese Erkenntnisse den Erfolg der Mittel nicht behindern wird, liegt schon daran, dass die große Maße der Betroffenen davon kaum etwas erfährt. Im Gegenteil, wenn die Ableger einer großen deutschen Boulevard-Zeitung damit auch noch Aktionen verbinden, in denen hunderte von Teilnehmern das Mittel kostenlos testen dürfen - dann kann es ja nur gut sein. Schließlich hat man sich doch eine Meinung geBILDet! Da helfen auch Aussagen von so profunden Kennern wie Professor Gerd Glaeske, bei grippalen Infekten doch lieber zu Mitteln mit den altbewährten Wirkstoffen wie Paracetamol oder Ibuprofen zu greifen, leider nicht.
Beim großen Geschäft mit den laufenden Nasen geht Monetik eindeutig über Ethik! Dem ist nichts hinzuzufügen.
Arzneimittel-Telegramm, 8.12.2017 ↩
Ibuprofen
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