Der Hörsturz ist keine Erkrankung, die auf eine einheitliche Pathogenese zurückzuführen ist. Verschiedene Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass vaskuläre Ursachen wie Hypercholesterinämie und Hyperfibrinogenämie bei dem größten Teil der Hörsturz-Patienten eine entscheidende Rolle spielen. Diese Erkenntnis sollte hinsichtlich der Therapie des akuten Hörsturzes zum Umdenken auffordern.
Der Hörsturz kommt wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Plötzlich kann man auf einem Ohr nichts mehr oder nur noch sehr schlecht hören. Man schätzt, dass der Hörsturz in den westlichen Industrieländern jedes Jahr ungefähr 20 von 100.000 Einwohnern trifft – Tendenz steigend. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass heute immer mehr jüngere Menschen einen akuten Hörsturz erleiden. Zwar liegt der Altersgipfel für diese häufigste Funktionsstörung des Innenohrs auch heute noch bei 50 bis 60 Jahren, doch der Anteil der betroffenen Menschen, die zwischen 30 und 40 Jahren alt sind, steigt ständig.
Nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie charakterisieren folgende Eigenschaften den akuten Hörsturz: er tritt plötzlich auf,er führt zur meist einseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit (Innenohrschwerhörigkeit) bis zur Ertaubung, die Ursachen sind bislang nicht nachzuweisen und weder ätiologisch noch pathophysiologisch eindeutig geklärt, vordergründige Verbindungen zu anderen Krankheitsbildern fehlen, Ohrgeräusche, Schwindel und Übelkeit können vorhanden sein, dürfen aber nicht wiederholt auftreten oder dominieren. Spontanremissionen sind beim Hörsturz relativ häufig und können innerhalb von wenigen Stunden bis mehreren Wochen auftreten. So liegt der Anteil der Patien-ten mit Spontanremission in den verschiedenen zu diesem Thema durchgeführten Studien bei über 60%.
Die häufigste Spätfolge eines Hörsturzes ist der Tinnitus, also Störgeräusche, die die Lebensqualität deutlich einschränken. Wie eine von Dezember 1998 bis Februar 1999 von der Deutschen Tinnitus-Liga in Deutschland durchgeführte empirische Erhebung zeigt, leiden rund 4% der Bevölkerung der Bundesrepublik (Alter über 10 Jahre) unter Tinnitus – eine Quote, die die Bezeichnung “Volks-krankheit” rechtfertigt.
Die Ursachen des akuten Hörsturzes konnten aufgrund der anatomischen Gegebenheiten - geringe Größe der Kochlea und ihre versteckte Lage im Felsenbein - bis heute nicht mit klinischen Mitteln festgestellt werden. Als Ursachen diskutiert werden Virusinfektionen, Autoimmunerkrankungen und vor allem vaskuläre Ereignisse. Für letzteres sprechen auch das plötzliche Auftreten des Hörsturzes, die mögliche Remission und das meist einseitige Auftreten. Heute geht man davon aus, dass plötzliche vaskuläre Verschlüsse des Innenohrs, vergleichbar den Gefäßverschlüssen bei Herzinfarkt oder Schlaganfall, wohl die häufigste Ursache für einen Hörsturz sind.
Ein therapeutischer Eilfall
Die verschiedenen Ursachen des Hörsturzes führten zur Entwicklung der unterschiedlichsten Behandlungsmethoden. Allen gemeinsam ist das Ziel, das Hörvermögen des Patienten möglichst schnell wiederherzustellen, das heißt, die Therapie muss umgehend eingeleitet werden.
Auf der Annahme einer immunpathologischen und/oder viralen Genese beruht die intravenöse Gabe von Glukokortikoiden. Zwar ist die Wirkweise der Gluko-kortikoide bei Hörsturz noch nicht bekannt, doch geht man davon aus, dass die entzündungshemmende und immunsuppressive Wirkung eine Rolle spielt. Für Kortison liegen positive Studienergebnisse vor.
Ausgehend von der Annahme, dass dem Hörsturz ein vaskuläres Ereignis zu-grunde liegt, wurden Therapiestrategien zur Verbesserung der Mikrozirkulation in der Kochlea entwickelt. In Deutschland werden hier bevorzugt rheologische Infusionen mit Plasmaexpandern wie Dextranen oder Hydroxyethylstärke-Lösungen - meist ergänzt durch Pentoxifyllin oder Naftidrofuryl - verwendet. Sie vergrößern das Blutvolumen und damit auch das Herzzeitvolumen. Gleich-zeitig wird der Hämatokrit gesenkt, wodurch die Fließeigenschaften des Blutes verbessert werden. Die Effektivität dieser Behandlung wird jedoch kontrovers diskutiert.
Alle derzeit zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden brachten jedoch bisher keinen durchschlagenden Erfolg. Neue Therapieansätze sind also not-wendig. Dabei sollte man jedoch berücksichtigen, dass der Hörsturz nicht auf einer einheitlichen Pathogenese, sondern auf dem Zusammenspiel vieler Pathomechanismen beruht. Neue Forschungen deuten darauf hin, dass eine gestörte Endothelfunktion der Kochleagefäße vorliegen könnte. Diese ist wesentlich an der Regulation der Durchblutung von Geweben und Organen beteiligt. Ist die Endothelfunktion eingeschränkt, z. B. durch erhöhte Lipid-peroxidation und Schädigung der Gefäßwand, so sind die NO-Synthase und folglich auch die NO-Freisetzung beeinträchtigt.
Die Blutgefäße der Kochlea synthetisieren NO, das bei der Regulation des kochleären Blutflusses entscheidend mitwirkt. Wird aufgrund einer gestörten Endothelfunktion nicht ausreichend NO produziert, könnte dies eine Störung der Autoregulation der Kochlea zur Folge haben. Bei Patienten mit Hyperlipidämie und Hyperfibrinogenämie ist die Endothelfunktion deutlich beeinträchtigt. Zu-mindest bei diesen Patienten sollte die akute Reduktion der Fibrinogen- und LDL-Blutwerte Hämorheologie und Endothelfunktion positiv beeinflussen und so dazu beitragen, die Autoregulation des Gefäßbetts der Kochlea wiederherzu-stellen. Hierzu eignet sich die Heparininduzierte extrakorporale LDL-Präzipitation (H.E.L.P.-Apherese), die sich seit Jahren in der Therapie der familiären Hyper-cholesterinämie bewährt hat. Sie verbessert die Fließeigenschaften des Blutes sehr schnell und optimiert gleichzeitig die Regulation der Gefäßweite.
Bei der H.E.L.P.-Apherese werden in einem einmaligen, ambulant durchzuführen-den “Waschgang” LDL-Cholesterin, Fibrinogen und Lipoprotein(a) aus dem Blut entfernt. Dadurch kann die Hörfähigkeit des Patienten innerhalb kurzer Zeit wieder hergestellt werden.
Die rasche und effektive Wirkung der H.E.L.P.-Apherese beim Hörsturz konnte jetzt in einer prospektiven, randomisierten Multicenterstudie mit insgesamt 201 Patienten nachgewiesen werden. Primärer Prüfparameter war der Hörgewinn nach 48 Stunden, sekundärer Prüfparameter die mögliche Wiederherstellung des Hörvermögens nach sechs Wochen. Es zeigte sich, dass die H.E.L.P.-Apherese der Standard-Infusionstherapie hinsichtlich der Remission sowohl in der Akut- als auch in der langfristigen Therapie überlegen ist: Nach sechs Wochen war es unter der H.E.L.P.-Methode bei 84% der Patienten zu einer Remission gekommen. Vor allem Patienten mit erhöhten LDL-Cholesterin- oder Fibrinogen-Werten profitieren von dieser Therapie. Hier war bei der Verbesserung der Hörfähigkeit ein signifikanter Unterschied zugunsten der H.E.L.P.-Apherese festzustellen.
Weiterführende Literatur zu den Themen “Hörsturz” und H.E.L.P.-Apherese können Sie bei B. Braun Medizintechnologie unter der gebührenfreien Servicenummer 0800/1770177 oder über ( E-mail anfordern.
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