Und plötzlich ist die Welt wieder hell und klar – ein faszinierendes Erlebnis, das nahezu jeder Patient schildert, der am grauen Star operiert wurde. Der eine kann plötzlich im dunklen Flur die Ziffern seiner Armbanduhr wieder deutlich erkennen. Den anderen blenden abends keine Autos mehr, er erkennt sogar nachts alles viel deutlicher. Hausfrauen freuen sich über die Vorhänge, die plötzlich weiß und nicht mehr grau erscheinen.
Mit fast 450.000 Eingriffen pro Jahr allein in Deutschland gehört die Operation des grauen Stars (Fachausdruck: Katarakt) mit Abstand zu den häufigsten Eingriffen der gesamten Medizin.
Dabei ist der graue Star genau genommen gar keine Krankheit, sondern nur eine ganz normale Alterserscheinung. Jeder zweite 60jährige und fast jeder über 75 leidet darunter. Die Augenlinse trübt sich, die Sehkraft lässt nach. Aber: Wird diese Alterserscheinung nicht operiert, kann das Auge im Extremfall sogar erblinden. Der Patient nimmt am Ende nur noch hell und dunkel wahr.
Deshalb entfernt der moderne Augenarzt die trübe Linse und ersetzt sie durch eine künstliche. Bei erfahrenen Chirurgen dauert das gerade mal 15 Minuten. Meist ist der Eingriff unter örtlicher Betäubung ambulant oder mit einem Tag Klinikaufenthalt möglich. Die Patienten können schon am nächsten Tag wieder sehen.
Neu dabei und bereits heute oft im Einsatz: Künstliche Linsen, die sich so eng zusammenrollen lassen, dass der Arzt nur noch eine zwei Millimeter kleine Öffnung am Rand der Augenhornhaut machen muss und die Linse injizieren kann. Früher war dafür ein zehnmal so großer Schnitt nötig. Durch die winzige Öffnung wird sowohl die alte Linse durch eine dünne Ultraschallsonde aufgelöst und abgesaugt, als auch die neue Linse eingeführt und entfaltet (Fachausdruck: Phakoemulsifikation oder kurz Phako). Dieser Mini-Schnitt muss nicht mehr vernäht werden, er schließt sich durch den Augeninnendruck von selbst.
Ein Modell (die 1CU Linse) kann sich sowohl auf das Sehen in der Nähe als auch in der Ferne einstellen. Diese so genannte akkommodierende Linse, an der Wissenschaftler seit vielen Jahren tüfteln, erreicht ihr Ziel jetzt zumindest teilweise.
Und die dritte neue Linse (Thinlens von ThinoptX) ist mit nur noch 100 Mikrometern so dünn wie ein menschliches Haar. Für die Injektion reicht hier sogar nur noch eine 1,5 Millimeter kleine Öffnung. Ihr Vorteil: Durch ihre ultradünne Bauart gibt es keine Verzerrungen, keine Blendung und auch keinen Endothelverlust mehr.
Trotzdem gibt Dr. Scharrer zu bedenken: “Während die Linsentrübung bei uns routinemäßig bei jedem Patienten geheilt werden kann, sind in der dritten Welt bereits 25 Millionen Menschen am grauen Star erblindet, weil zu wenig Operationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.”
Auch für jüngere Menschen entwickeln Augenchirurgen Möglichkeiten, dauerhaft auf Brille oder Kontaktlinsen verzichten zu können. Mittels hochpräziser Laser wird die Hornhaut neu modelliert und damit ihre Brechkraft verändert. In diesem Jahr werden neue Linsen vorgestellt, die bei sehr starker Fehlsichtigkeit zusätzlich zur natürlichen Linse in das Auge eingesetzt werden.
Damit lässt sich Kurzsichtigkeit von –10 bis –20 Dioptrien und Weitsichtigkeit bis 8 Dioptrien sehr präzise korrigieren.