Das Multiple Myelom, im deutschen Sprachraum auch Plasmozytom genannt, ist ein bösartiger Tumor der B-Lymphozyten, der durch eine langsame Vermehrung der Plasmazellen im Knochenmark gekennzeichnet ist. Ausgangspunkt sind maligne Plasmazellen, die den Knochen zerstören und die normale Blutbildung verdrängen. Etwa 12.000 Patienten leiden in Deutschland an dieser Krankheit, sie ist die zweithäufigste Form des Blutkrebs. Das Multiple Myelom tritt vermehrt in einem Alter ab etwa 60 Jahren auf, es sind mehr Männer als Frauen davon betroffen und die häufigste Lokalisation ist die Wirbelsäule, das Becken und der Oberschenkel.
Welche Frühsymptome machten sich anfangs bemerkbar, und wie wurden sie zunächst behandelt?
Die ersten Symptome waren Rückenschmerzen, die sich im August 1998 verstärkten. Der Orthopäde verordnete Fangopackungen und Massagen, da auf den im Juni angefertigten Röntgenbildern nichts erkennen konnte. Im Oktober desselben Jahres kamen Erschöpfungssymptome und Gangstörungen hinzu.
Wann und wie wurde bei Ihnen ein Multiples Myelom diagnostiziert? Welche Zeit lag zwischen den ersten Beschwerden und der exakten Diagnose?
Bei der Kernspinuntersuchung Ende Oktober wurden multiple Osteolysen am Schädel, an der Wirbelsäule und ein Tumorherd an den Brustwirbelkörpern 7 – 9 diagnostiziert, der den Rückenmarkskanal bis auf eine schmale Sichel einengte. Mit einem chirurgischen Eingriff wurde dieser Herd entfernt, um einer Querschnittslähmung vorzubeugen. Eine Biopsie bestätigte den Verdacht auf ein Multiples Myelom (Lambda-Leichtketten im Stadium III A).
Wie wurde danach das Multiple Myelom behandelt?
Zunächst erfolgte eine lokale Strahlentherapie an den Brustwirbelkörpern 4 – 10, anschließend erfolgte eine ambulante Chemotherapie mit Melphalan/Prednisolon. Unterstützend wurden Bisphosphonate zur Hemmung des weiteren Knochenfraßes einmal monatlich verabreicht. Im Januar 1999 konnte ich an einer Studie zur Tandem-Hochdosis mit autologer Blutstammzelltransplantation teilnehmen, die nach einer Induktionstherapie und der Stammzellsammlung im Juni und Oktober durchgeführt wurde. Dabei wurde eine komplette Remission erreicht, die mit Interferon-Alpha und Bisphosphonat bis November 2001 anhielt. Im Juli 2002 kam es zur ersten therapiebedürftigen Progression aufgrund von zunehmendem Knochenfraß, die mit einer Strahlentherapie sowie Thalidomid und Cyclophosphamid bis Mai 2003 behandelt wurde.
Die Krankheit schritt trotz dieser Therapie weiter fort. Meine körperliche Verfassung verschlechterte sich zunehmend. Ich litt unter großen Schmerzen, war extrem geschwächt und konnte nicht mehr selbständig gehen.
Dann erhielten Sie ein Medikament mit einem neuen antitumoralen Wirkprinzip: Bortezomib. Bitte schildern Sie den Verlauf der Erkrankung unter dieser Therapie. Welche Nebenwirkungen traten auf, und hatte die Behandlung mit Bortezomib einen positiven Einfluss auf Ihre Lebensqualität?
Ab Juni 2003 wurde dann Bortezomib eingesetzt. Damit war ich einer der ersten Patienten in Deutschland, bei denen dieser neue Wirkstoff außerhalb von Studien verwendet wurde. Gleichzeitig mussten die Halswirbel und die Schädelbasis bestrahlt werden. Bereits nach dem 1. Zyklus (vier ambulant verabreichte i. v.-Injektionen am Tag 1, 4, 8 und 11 mit zehn Tagen Pause) reduzierten sich die Eiweißwerte deutlich. Nach zwei Zyklen wurde eine vollständige Remission erreicht. Es folgten noch zwei weitere Behandlungen, um das erzielte Ergebnis zu festigen. Ab Oktober verbesserte sich mein Zustand, ich wurde wieder selbständiger, mobil und konnte sogar wieder Auto fahren, was nicht zuletzt auch Einfluss auf meine Lebensqualität hatte.
Wenige Stunden nach jeder Injektion traten Schüttelfrost oder Fieber, Nachtschweiß und Muskelschmerzen auf. Diese Symptome hielten jedoch nicht länger als 24 Stunden an. Es entwickelte sich jedoch eine nervenbedingte Störung des Temperatur- und Berührungsempfindens von Schmerzen begleitet an den Händen und Füßen.
Wie beurteilen Sie den Erfolg der ersten Therapie mit Bortezomib?
Das Behandlungsergebnis mit Bortezomib war fantastisch, da nur etwa 4 Prozent der Patienten mit einer Vollremission rechnen können.
Dann kam es jedoch nach 21 Monaten zu einem Wiederauftreten der Krankheit, und Sie wurden zum zweiten Mal mit Bortezomib behandelt. Wie erfolgreich war diese erneute Therapie?
Auch diese Therapie war bereits nach dem 2. Zyklus erfolgreich, wenngleich nur beinahe eine Vollremission erreicht wurde. Die gesamte Behandlung erfolgte in vier Zyklen. Während dieser Zeit erkrankte ich darüber hinaus an einer refluxbedingten schweren Entzündung der Speiseröhre.
Das Therapieergebnis ist insgesamt umso höher zu bewerten, da wegen Unverträglichkeitsreaktionen Dexamethason nicht eingesetzt werden konnte und zeigt darüber hinaus, dass Patienten, die auf eine erste Bortezomib-Behandlung ansprechen, auch im Rezidivfall davon profitieren können.
Führt der Einsatz von Bortezomib nicht nur zu einer Verbesserung der Prognose, sondern bietet das Medikament auch einen Überlebensvorteil für Myelompatienten Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Dies lässt sich in meinem Fall noch nicht abschließend sagen, da die Beobachtungsdauer noch zu kurz ist. Eine Kombination mit Dexamethason und anderen Chemotherapeutika sowie der völlig neuartigen Wirksubstanz Bortezomib verspricht noch bessere Ansprechraten und längere Remissionszeiten und bietet damit auch eine verbesserte Prognose. Ich habe von der Therapie sicherlich profitiert, zumal ich in einem bedenklichen Zustand war.
Wie fühlen Sie sich heute? Welchen Einfluss hat die Erkrankung auf Ihre persönlichen Wünsche und Bedürfnisse?
Die Remission ist diesmal von kürzerer Dauer, da die Eiweißwerte wieder ansteigen. Eine Therapie ist jedoch noch nicht wieder notwendig. Meine Leistungsfähigkeit ist zwar noch eingeschränkt (z. B. sportliche Aktivitäten), aber ich habe meine Wünsche und Bedürfnisse der Realität angepasst. Ich kann spazieren gehen und viel kleine Dinge genieße ich mit größerer Wertschätzung als früher.
Welchen Rat geben Sie als Betroffener anderen Menschen, die an einem Multiplen Myelom erkranken.
Mein Motto lautet: „Du musst Dein Schicksal annehmen“. Es bringt nichts nach Schuld oder anderen Ursachen zu forschen. Angst ist ein schlechter Ratgeber.
Ich habe Menschen in Selbsthilfegruppen kennen gelernt, die bereits mehr als zehn Jahre mit dieser Krankheit lebten und ähnliche Therapieerfahrungen gemacht haben. Das heißt, man ist nicht allein mit seinem Schicksal.
Hier erhalten Betroffenen aktuelle Informationen und können sich mit anderen Patienten austauschen.
Mein Rat an alle lautet: „Suchen Sie nach einem Arzt Ihres Vertrauens, holen Sie vor Therapieentscheidungen noch eine weitere ärztliche Meinung ein und nehmen Sie Kontakt zu einer Selbsthilfeeinrichtung für das Multiple Myelom auf. Genießen Sie das Leben, soweit es möglich ist. Die Krankheit darf nicht alles bestimmen“.
Vielen Dank für das Gespräch.
Ich denke, es wird vielen Betroffenen Mut machen zur Bewältigung der Krankheit.