Mitte Mai trafen sich auf Einladung von Bayer Vital in Frankfurt Fachleute aus unterschiedlichsten Kliniken sowie ein niedergelassener Arzt aus Hamburg, der sich in seiner Praxis auf die Behandlung von Patienten mit Multipler Sklerose (MS) spezialisiert hat, referierten über ihre Erfahrungen mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG). Einhelliges Urteil der Fachleute: Die gut verträglichen IVIG können bei der MS die Schübe signifikant reduzieren und bei anderen neurologischen Erkrankungen sehr gute Therapieerfolge verzeichnen.
Trotzdem müssen viele Neurologie-Patienten auf eine Immunglobulin-Therapie verzichten. Der Grund: Obwohl Immunglobuline als Arzneimittel zugelassen sind, umfasst diese Zulassung nur einige - nach Meinung der Experten aber viel zu wenige - Indikationen. Für andere Indikationen fehlt die arzneimittelrechtliche Zulassung, obwohl für viele Krankheiten wissenschaftliche Studien vorliegen, die eine Wirksamkeit zeigen. Das heißt, die Krankenkassen sind nicht gezwungen, die Kosten für eine solche Therapie zu übernehmen. Dagegen hatte ein MS-Patient geklagt und damit einen Stein ins Rollen gebracht, den das Bundessozialgericht (BSG) in Berlin am 19. März 2002 mit einer auf den ersten Blick positiven Entscheidung stoppte: Die Verordnung von Arzneimitteln auch außerhalb der zugelassenen Indikation ist nicht generell ausgeschlossen , sondern ausnahmsweise möglich. Mit diesem Urteil hat sich das Berliner Gericht gegen die Rechtsauffassung der Krankenkassen gestellt, nach deren Ansicht die Übernahme der Kosten beim so genannten Off-Label-Use schlechthin nicht möglich ist.
Erst der zweite Blick offenbart, dass diese Entscheidung nur in ganz besonderen Fällen tatsächlich eine Kostenübernahme möglich macht. Nämlich nur dann, wenn alle drei Bedingungen, die das BSG gefordert hat, erfüllt sind. Das heißt, wenn:
Das heißt, es müssen Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Medikament für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Das ist der Fall, wenn die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III gegenüber Standard und Placebo veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen. Oder wenn außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und auf Grund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht.