Keine Frage, Schizophrenie zählt noch immer zu jenen Krankheiten, die man besser nicht hat – denn der „Spaltung des Bewußtseins“ (so die wörtliche Übersetzung) lastet ein Stigma an, noch immer grenzt man Betroffene bewusst aus – weil wir als Gesunde mit der Krankheit nicht umgehen können. Schizophrenie gehört zu den großen Tabuthemen unserer Gesellschaft , weil mangelndes Wissen fehlende Akzeptanz schafft!
Doch was heißt schon „normal“. „Normal ist derjenige, der letztlich so chaotisch ist, wie die große Masse“.
Sprach Kraeplin 1896 im Zusammenhang mit Schizophrenie (dieser Begriff wurde erst 1911 vom Schweizer Psychiater Bleuler geprägt)noch von „Dementia praecox“, so weiß man heute immerhin, dass die Krankheit neben genetischen auch soziale und psychologische Ursachen haben kann. Betroffene nehmen ihre Umwalt und sich selbst nicht einheitlich wahr, sie leben vielmehr in einen realen als auch in einer virtuellen Welt. Vor allem Geräusche werden als „überlaut bis zur Schmerzgrenze“ empfunden, dadurch leidet u.a. die Konzentrationsfähigkeit, man verliert häufig den Gesprächsfaden.
Wie es dazu kommen kann, ist bisher nur unzureichend geklärt. Biochemisch betrachtet liegt eine Störung des Informationsflusses im Gehirn vor: Dort werden die Impulse durch Botenstoffe, so genannte „Neurotransmitter” wie z.B. Dopamin oder Serotonin, von Nervenzelle zu Nervenzelle übertragen.
Das bei „normalen Menschen“ ausgewogene System dieser Botenstoffe gerät bei Schizophrenen aus dem Gleichgewicht. Das Gehirn wird mit einer Flut an Reizen überfordert , es schaltet um auf eine andere Art der Umweltwahrnehmung, die die Bedeutung des Wahrgenommen verschiebt – die Wahrnehmung „verrückt“.
Schizophrenie heißt daher u.a.: Bedrohliche Stimmen hören… seltsame Dinge sehen… sich beobachtet und verfolgt fühlen. Und die Zahl der Betroffenen ist groß: Mit weltweit mehr als 24 Millionen Fällen gehört die Schizophrenie zu den häufigsten psychischen Störungen. Als Hauptauslöser der in Schüben auftretenden Krankheit gelten großer psychischer Stress ebenso wie traumatische Ereignisse oder intensive emotionale Zustände , z.B. Verliebtsein oder Trauer.
Als Folge davon treten beim Erkrankten Sinnestäuschungen , wie die Handlungen kommentierende, aber auch ihn bedrohende oder Befehle erteilende Stimmen, Farben oder Phänomene , die nur für ihn bestimmt scheinen, auf. Wer das erlebt, versucht sich oft eine Erklärung dafür zurechtzulegen. So können sich Wahnideen entwickeln, z.B. die Vorstellung, auf Schritt und Tritt beobachtet und verfolgt zu werden, von außen gelenkt oder „auserwählt“ zu sein. Alles Erlebte wird auf die eigene Person hin interpretiert. Und diese Überzeugungen sind fest und unerschütterlich, sie lassen sich durch Argumente nicht widerlegen. Neben den Hauptsymptomen Halluzinationen und Wahnideen sind mit der Schizophrenie noch weitere Beeinträchtigungen verbunden, dazu gehören etwa Antriebslosigkeit, depressive Verstimmungen oder Störungen des Denkens und Sprechens. Häufig zieht sich der Betroffene, der sich unverstanden fühlt, mehr und mehr von seinen Mitmenschen zurück, Isolation und Vereinsamung sind die Folge.
Verschiedene Möglichkeiten stehen heute zur Verfügung. Ein wichtiger Baustein sind die so genannten Neuroleptika , denn sie können sowohl im akuten Fall als auch in der Langzeitbehandlung eingesetzt werden. Mit ihrer Hilfe wird versucht, das System der Botenstoffe im Gehirn wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dies geschieht überwiegend dadurch, dass sich die Wirkstoffe an den Rezeptoren der Nervenzellen , also den „Andockstellen“ für die Botenstoffe, festsetzen und diese damit blockieren. Übermäßige Impulse werden nicht mehr weitergeleitet, die Reizüberflutung lässt nach.
Während ältere Medikamente teils mit starken Nebenwirkungen verbunden waren, sind die neueren so genannten „atypischen“ Neuroleptika im Allgemeinen besser verträglich und haben ein breiteres Wirkspektrum.
Aber, so gut die medikamentöse Behandlung heute auch sein mag, sie alleine reicht nicht aus. Vor allem die Psychotherapie ist wichtig – denn mit ihrer Hilfe erst kann der Betroffene seine Erkrankung in seine biografische Entwicklung einordnen. Da die Schizophrenie den ganzen Menschen erfasst, gehören auch körper- und kreativtherapeutische Angebote und auch die Sozialtherapie mit zur Therapie.
Doch nicht nur der Patient muss aufgeklärt werden, sondern auch seine Angehörigen sollten in die Therapie mit einbezogen werden. Dies geschieht z.B. in so genannten Psychoedukationsgruppen , in denen sie u.a. lernen, welche Vorboten einer Erkrankung vorausgehen und wie sie einem erneuten Ausbruch vorbeugen können.
Um dem Betroffenen den Weg zurück in sein privates und berufliches Umfeld zu erleichtern, sollte er nur so lange wie nötig in der Klinik bleiben und so schnell wie möglich in eine teilstationäre oder ambulante Behandlung wechseln.
Das funktioniert aber nur, wenn alle Beteiligten im Sinne einer Integrierten Versorgung eng aufeinander abgestimmt handeln. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, den Betroffenen immer auch selbst aktiv in das Gespräch über Ziele und Mittel der Therapie mit einzubeziehen.
Die Behandlungseinheit Schizophrenie (BES) ist ein Modellprojekt der Asklepios Klinik Nord, Campus Ochsenzoll, in Hamburg. Hier werden Menschen behandelt, die an einer schizophrenen Erkrankung leiden. Das Besondere daran: Die Verknüpfung verschiedener Behandlungsmodule ermöglicht es, die Therapie flexibel auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten anzupassen. Nach dem Prinzip „Verhandeln statt Behandeln“ werden die Betroffenen dabei eng in den Therapieprozess mit eingebunden, um ihnen so schnell wie möglich wieder den Weg in ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu ebnen.
Die Behandlungseinheit Schizophrenie gehört zum Psychiatrie-Innovationsprogramm PSYNOVA2005. Seit Januar 2004 arbeiten die drei psychiatrischen Krankenhäuser der LBK Hamburg GmbH (Asklepios Klinik Nord, AK Eilbek und AK Harburg) in diesem gemeinsamen Projekt zusammen, um die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung an allen Standorten zu optimieren.