Themenkomplex des postmenopausalen Beschwerdebildes und der therapeutischen Möglichkeiten führte Dr. Eva Schwarz ein Gespräch mit Prof. Dr. Thomas von Holst , Endokrinologe und Gynäkologe an der Universitätsfrauenklinik Heidelberg und Vorstandsmitglied der Deutschen Menopausengesellschaft (DMG).
Welche Bedeutung haben klimakterische Beschwerden, vor allem Hitzewallungen und Schweißausbrüche für die betroffenen Frauen? Grundsätzlich unterscheidet man die vegetativen Beschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche von psychischen Beschwerden wie Antriebsarmut, Aggressivität, Konzentrationsschwäche und depressive Verstimmungen. Hitzewallungen und Schweißausbrüche können derart belastend sein, dass sie bei einem Drittel der betroffenen Frauen echten Krankheitswert haben. Ein weiteres Drittel hat wenig oder gar keine Probleme, das dritte Drittel leichte Beschwerden, die zwar als störend, aber nicht gravierend empfunden werden.
Wie lange und wie häufig sind Frauen von den Beschwerden betroffen? Gibt es Häufungen zu bestimmten Tageszeiten? Die Beschwerden dauern häufig ein oder zwei Jahre an und lassen dann nach, manche Frauen haben aber auch nach zehn Jahren noch heftige klimakterische Probleme. Das ist im Einzelfall nicht vorauszusagen. Nicht selten versucht man nach ein bis zwei Jahren die Hormontherapie abzusetzen, die Frauen reagieren dann aber häufig so stark mit Beschwerden, dass man die Therapie fortführen muss. Die Hitzewallungen verteilen sich gleichmäßig über den Tag und die Nacht, aber sie werden nachts als gravierender empfunden.
Welche Auswirkungen haben diese Beschwerden für berufstätige Frauen? Zwischen fünf und zehn Prozent der betroffenen Frauen sind definitiv nicht arbeitsfähig und müssen krank geschrieben werden, sofern sie nicht durch eine entsprechende Therapie beschwerdefrei werden. Besonders sind Frauen betroffen, die im öffentlichen Leben stehen, wie z. B. Lehrerinnen, Verkäuferinnen oder Bankangestellte. Hitzewallungen mit nachfolgenden Schweißausbrüchen führen dann nicht selten dazu, dass sich die Frauen aus dem öffentlichen Leben zurückziehen.
Zahlen aus Amerika besagen, dass Frauen pro Nacht bis zu dreimal wegen Hitzewallungen erwachen. Gibt es vergleichbare Zahlen aus Deutschland? Es sind Daten bekannt, die diese Zahlen weit übertreffen, nämlich bis zu sieben Hitzewallungen pro Nacht.
Die nächtlichen Hitzewalllungen führen zu einer Unterbrechung des Schlafes und machen gelegentlich sogar einen Wechsel der Nachtkleidung erforderlich. Die Gesamtschlaflänge verkürzt sich, so dass die betroffenen Frauen unter einem chronischen Schlafdefizit leiden.
Die Ursache ist einerseits eine direkte Wirkung des Östrogendefizits im Zentralnervensystem durch eine Beeinflussung des Tryptophan- und Katecholamin-Metabolismus. Bei vielen Frauen ist jedoch allein das chronische Schlafdefizit Ursache für eine Vielzahl psychischer Symptome wie depressive Verstimmungen, Leistungsabfall und Konzentrationsschwäche. Die psychovegetativen Beschwerden können also entweder direkt östrogenmangel-bedingt sein als auch sekundär über einen chronischen Schlafmangel entstehen.
Ich empfehle eine hormonelle Substitution, denn es ist außer jeder Diskussion, dass das Östrogendefizit für diese vegetativen und psychischen Probleme verantwortlich ist. Wir wissen aus einer Vielzahl von Untersuchungen seit mehr als 20 Jahren, dass eine korrekt durchgeführte Hormonsubstitution die Frauen praktisch beschwerdefrei macht. Wie lange man die Therapie fortführen sollte, wird derzeit kontrovers diskutiert. Einige vertreten die Ansicht, dass man versuchen sollte, nach zwei bis drei Jahren die Therapie abzusetzen und nur fortzuführen bei anhaltenden Beschwerden. Nach meiner Auffassung sollte man die Therapie so lange wie möglich beibehalten, da auch z. B. die Knochen und das Gefäßsystem von einer Hormonersatztherapie profitieren.