Letzten Sommer, an einem der wenigen Tagen, in denen es im Süden der Republik mal nicht gerade regnete, nebelnässte oder trübte, stand es plötzlich vor mir. Nein, falsch, es stand nicht, es wurde angeschleppt, zwölf lange Außentreppenstufen hinauf in die Redaktion, und mir dort von einem sichtlich leicht außer Atem geratenen Spediteur fast in die Arme geworfen. „Ist das Monstrum für Sie”? Ich wagte kaum zu nicken, sein mitleidiger Blick sprach Bände und er murmelte er noch: „Ganz schön schwer für ihr Alter…”. Das saß - mehr brauchte er auch wirklich nicht mehr zu sagen, um einem großzügigen Trinkgeld zu entgehen. Mein Alter, Frechheit, schließlich stehe ich noch tagtäglich in der Redaktion meine Frau, oder?
Unser Technikpapst, inzwischen vom besorgten Azubi herbeigerufen, setzte aber gleich noch eins drauf: „Ach, das Seniorenrad für die Redaktion ist da…” Na, dann lassen Sie mich mal sehen….” Soviel Charme verteilt auf nur wenige Minuten dieses ohnehin gräulichen Vormittages war dann zu viel für mich, die sich bis dato für alterslos agil hielt. Beleidigt drückte ich dem Herren der Bytes und Bits das gefühlte 50 kg schwere Ungetüm die Hände und knallte die Bürotür hinter mir zu. Sollte er doch sehen, wie er mit dieser Scheußlichkeit von Fahrrad fertig wurde.
Denn alles an diesem Rad schien unproportioniert, der knapp bis auf den Boden reichende Einstieg, der an Hässlichkeit kaum zu überbietende u-förmige Lenker, die wulstigen Räder, eher einem Geländefahrzeug, denn einem Fahrrad zugehörig, und als Krönung noch eine fahlgelbe Farbe verziert mit einem blauen Schriftzug. Hinter dem Sattel prangte eine Art überdimensionaler Verbandkasten, an dem ein Minischlüsselchen baumelte, welches von Größe und Gestalt nun wirklich eher zu einer Schmuckschatulle passte. Und das sollte eines der viel gelobten E-Bikes sein - sozusagen die neue Freiheit für die Silver-Surfer-Generation? Nie und nimmer würde ich mit dieser Missbildung auch nur einen Meter fahren! Ich nickte daher ungnädig, als man mir am Abend dieses Tages mitteilte, das Rad wäre nun fahrbereit, der Akku aufgeladen, Lenkstange und Sattel eingestellt und festgezogen und die Bremsen überprüft (muss man das wirklich alles “erledigen”, ehe man losradeln kann?).
Zwei Tage später verlangte mein Auto nach einer Werkstatt und wollte ich nicht zu Fuß und per S-Bahn etwas umständlich nach Hause kommen, bot sich als Alternative nur das unbeachtet in der Ecke abgestellte E-Bike an. Also gut, man konnte es ja mal versuchen, angeblich vermittelte es ja wirklich ein ganz neues Fahrgefühl…
Ich schob es also aus dem Hausflur, wuchtete, das laut Prospekt mit Alu-Rahmen und Alu-Felgen ausgestattete und daher angeblich kinderleicht (mit 23 kg! ) zu transportierende E-Bike mit meiner ganzen Kraft die zwölf Stufen hinab (zugegebenermaßen half mir ein Nachbar dabei, alleine wäre es wegen des tiefen Einstiegs nicht zu schaffen gewesen) und umkreiste es dann, wie ein gefräßiger Rabe einen gefundenen Leckerbissen.
Natürlich hatte ich vorher mal einen etwas längeren Blick auf die recht ausführliche Gebrauchsanweisung geworfen und gelernt, dass das Minischlüsselchen einer bestimmten Position bedurfte, um den Akku zu aktivieren, dass die rechts oberhalb des Bremshebels angebrachte Schaltung über sieben, durch drehen verstellbare, Gänge verfügte und es zudem mit Hilfe eines Kickschalters eine sogenannte Anfahrhilfe besitzt. Was mir sehr zu Pass kam, denn unsere Straße führt erstmal bergan.
Auf- oder besser durchsteigen, antreten und um ein Haar auf die Nase fallen war eines - das E-Bike schob sich nämlich mit einem Ruck bergan - die Anfahrhilfe tat sozusagen ihr Werk. Na gut, wusste ich also nun, dass man sich vorsehen musste, zumindest beim Anfahren. Also wurde die Starthilfe ausgeschaltet, was wirklich kinderleicht ist. Doch nun hieß es tüchtig in die Pedale treten, der Berg, na gut, der Hügel forderte seinen Tribut, das ohnehin schwere Rad und eine Gangschaltung die zudem auf Position 5 stand, kein Wunder, dass es mit dem mühelosen Dahingleiten mal nicht so leicht ging, wie gedacht.
Aber selbst ist die Frau, nach einigen Proberunden, bergab versteht sich, hatte ich den Dreh raus. Die Anfahrhilfe mit einer Unterstützung von bis zu 6 km/h war eine Wucht, wenn man sie erst mal intus hatte, die Schaltung kinderleicht zu verstellen - Heimweg, ich bin bereit für die schlappen 15 km, inklusive zweier langer Anstiege (lang, das heißt besonders mühevoll, da die Steigungen nie zu enden scheinen). Manchmal, je nach Kondition, schaffe ich den ersten so gerade mal, beim zweiten (der ist auch noch ohne Anlauf, ganz fies, gleich nach einer scharfen Kurve geht es sofort steil bergan) geht mir spätestens nach dem ersten Drittel die Puste aus, was so viel heißt wie absteigen und schieben.
Doch heute strampelte ich zügig bergauf, denn der an der Tretkurbel angebrachte Motor unterstützt den Radler bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern und schaltet sich dann automatisch ab. Außerdem passt ein intelligenter Controller die Motorleistung zudem automatisch dem Pedaldruck und der eigenen Geschwindigkeit an.
Die Steigungen hatte ich längst hinter mir gelassen, ich radelte trotz leichten Gegenwinds flott und fröhlich pfeifend durch die sommerabendwarme oberbayrische Landschaft, grüßte gemächlich ein paar wiederkäuende Kühe und kam nach einer guten halben Stunde entspannt, aber zufrieden zu Hause an. Kein Vergleich zu meinen wenigen Büro-Radtouren, die ich versuchsweise mit meinem City-Bike unternommen hatte. Nicht nur, dass ich es nie und nimmer in dieser Zeit von A nach B oder umgekehrt geschafft hätte, meist war ich danach auch noch reif für die Dusche (was in der Redaktion illusorisch ist, weswegen die Touren auch fast immer nur für den Heimweg möglich waren, was andererseits hieß, jemand aus der Familie musste mich morgens samt Rad im Kofferraum „bringen”).
Der Rest ist schnell erzählt - das zwar nicht stromlinienförmig designte E-Bike wuchs mir nicht nur ans Herz, es wurde für all jene Tage dieses Sommers an denen kein Regen in Oberbayern vorausgesagt wurde - was leider nur wenige waren - mein geliebter Begleiter. Ich genoss jede Fahrt, kam stets entspannt und doch mit dem Gefühl, bereits eine körperliche Leistung erbracht zu haben, zufrieden ans Ziel und als die Zeit gekommen war, es wieder an den Hersteller zurück zu senden, da fiel es mir alles andere als leicht. Keine Frage - ein E-bike würde meine nächste größere Anschaffung werden!
E-bikes oder Pedelecs gibt es mittlerweile von zahlreichen Anbietern. Meist sind sie wie beschrieben, rein optisch keine sportlichen Flitzer, sondern eher gemächliche Gleiter. Allerdings sind Gewicht und Transportabilität meines Erachtens durchaus verbesserungsfähig. Eine Frau hat zwar keine Probleme das E-Bike zu fahren , aber wehe es kommen Stufen etc., die es zu überwinden gilt. Ohne Lift (an vielen Bahnhöfen längst nicht vorhanden) bedarf es einer helfenden Seele. Allein ist das E-Bike nicht nämlich nicht zu heben.
Name: E-Bike oder Pedelec, Fahrräder mit Trethilfe durch einen Elektro-Hilfsmotor
Motor: Elektromotor mit Akku bis maximal 250 Watt und einer
bis zu max. 25 km/h
Antriebskonzepte: Front-, Mittel- oder Heckmotor
Energiequelle: Nickel-Cadmium- und Nickel-Metallhydrid-Akku, Lithium-Ionen-Akku
Haltbarkeit: 3-5 Jahre bei ca. 1000 Ladezyklen
Gewicht: ab 18 kg
Anschaffungspreis: ab € 800.-