Schaut man von hier nach dem gegenüber liegenden Cadenabbia, erfährt man wieder von so einer herrlichen Liebesgeschichte, die aber mit einer Hochzeit endet. Die junge Charlotte von Preußen, Enkelin der legendären Königin Luise, bekommt für ihr Jawort 1847 von ihrem Vater Albrecht von Preußen die Villa Carlotta geschenkt. Ein Traum in Grün und Marmor!
Das empfindet auch Konrad Adenauer (1876-1967) so, der von 1957 bis 1966 regelmäßig in Cadenabbia Urlaub macht. Neben seinen Spaziergängen und Boccia-Würfen empfängt er hier die halbe Welt. Wir sehen Dean Rusk (US-Außenminister) und Amintore Fanfani (Ministerpräsident Italiens), Bischof Montini (den späteren Paul VI.) und Edward Heath (den nachmaligen Premier), Willy Brandt und Golo Mann, Ludwig Erhard und Oskar Kokoschka, der den Kanzler porträtiert.
Warum immer Cadenabbia? Adenauer antwortet: „Man ist für sich und hat doch die Schönheit der Natur, und ich bin im Laufe der Jahre mit den Behörden und mit der Bevölkerung der ganzen Gegend so vertraut geworden, daß sie mich, wie ich glaube, nicht als einen Fremden betrachten. Das tut einem dann wohl bei einem Aufenthalt, wenn man so von den sehr sympathischen und freundlichen Menschen umgeben ist.“
Keine Frage, in Cadenabbia wird Politik gemacht. Die Welt steht in den Urlaubsjahren des ersten Kanzlers auf einem Pulverfaß (Chruschtschow, Berlin Kuba). Der Schatten der Vergangenheit fällt noch immer in die Gegenwart – und auf den Comer See. Und wieder so eine Liebesgeschichte, die freilich mit Gewalt und Tod endet. Im April 1945 ist Italiens Ex-Diktator Mussolini (62) mit seiner jungen Freundin Clara Petacci auf der Flucht in die Schweiz. Dort will man sich wieder ein schönes Leben machen. Doch am 27. April spüren Partisanen ihn und die Geliebte in Dono (15 Kilometer von Cadenabbia entfernt) am Comer See auf. Man transportiert das Polit-Pärchen südwärts nach Mezzegra (drei Kilometer von Cadenabbia entfernt), wo man es am 28. April hinrichtet.
Der Comer See also ein Schauplatz der Weltgeschichte, und das natürlich auch die Stadt, die dem Paradies den Namen gibt: Como. Caesar verleiht ihr (49 vor Christus) das römische Bürgerrecht und den damit verbundenen sozialen Aufstieg. Fast zur gleichen Zeit preist Vergil (70 vor Christus bei Mantua geboren) das von Bergen beherrschte Gewässer: Larius maximus. So ein Prädikat (maximus) beansprucht in dieser Zeit der Göttervater persönlich.
Um 24 nach der Zeitenwende erblickt einer der ganz Großen in Como das Licht der Welt: Plinius Secundus. Er ist der erste Mensch, der die Natur nach einem festen Ordnungsprinzip darstellt. Seine Naturalis historia (37 Bücher) gehört zur Weltliteratur. 79 kommt dieser grandiose Wissenschaftler beim Vesuv-Ausbruch ums Leben. Der gleichnamige Neffe wird 61 oder 62 in Como geboren. Sein Briefwechsel mit Kaiser Trajan gewährt uns einen tiefen Einblick in die römische Gesellschaft und in die Auseinandersetzung mit dem noch jungen Christentum, das einmal die Welt erobern soll.
Nach dem Tod des jüngeren Plinius (um 113) wird die Vaterstadt nochmals befestigt. Die Porta Praetoria erhält Oktogonaltürme. Die Zahl acht bleibt in der Stadt noch lange ein Zeichen für die Kaiserwürde, und die Bauleute aus Como wissen um ihre Bedeutung noch im 12. Jahrhundert. Friedrich Barbarossa hält denn auch seine schützende Hand über die Stadt, die dann aber unter die Herrschaft Mailands gerät. Im 19. Jahrhundert ist man unversehens wieder Kaiserstadt, über die jetzt der Habsburger Franz Joseph aus Wien (Ehemann der Sissi) gebietet. Im Jahr 1859 freilich geht Como nach dem Italienischen Einigungskrieg(Risorgiomento) endgültig in Italien auf.
Wer heute durch diese elegante Stadt bummelt, sieht unter einem ewig blauen Himmel viel Grün, braungebrannte Menschen und bis weit in das Frühjahr weiße Berggipfel, betuchte Gäste aus allen Kontinenten und leicht bekleidete Italienerinnen in exklusiven Geschäften, alte Paläste mit Stuckadlern und -schwänen und lebende Plaggeister in Form von Tauben, teure Boutiquen und herunter gekommene Bettlerinnen in zartem Alter. Millionäre aus Übersee geben den Unterschichtkindern schon mal eine besondere Note.
Die Stadt wimmelt von Gästen aus Japan und Australien, Amerika und Skandinavien. Wir hören in den engen und sauberen Gassen kurz einer eloquenten Fremdenführerin zu: In diesem Haus wird 1851 der berühmte Pflanzenzüchter Adolf von Liebenstein de Zsittin geboren, in jenem stirbt 1833 Nikolaus von Esterházy von Galántha, für den Beethoven die C-Dur-Messe komponiert.
Auch Goethe ist hier. Am 28. Mai 1788 gelangt er an, nimmt Kaffee und Limonade zu sich, dann Brot und Rettich. Übernachtet wird aber in Carvagnana (zehn Kilometer vor Bellagio). Dann geht es auf dem Wasser nordwärts. Unser Dichterfürst sieht also Cadenabbia und die gegenüber liegende Halbinsel. Er hat eben sein römisches Liebchen Faustine verlassen und fürchtet sich nun im Schiff vor seiner Verflossenen, der Freifrau von Stein.
Beim Bummel durch Como begegnet man natürlich auch dem größten Sohn der Stadt in der Neuzeit: Alessandro Volta (1745-1827). Ihm hat man direkt am See ein Denkmal gesetzt und ein spektakuläres Museum gewidmet. Der weltberühmte Physiker ist der Erfinder des Kondensator. Nach ihm wird die Einheit der elektromotorischen Kraft (Volt) bezeichnet. Als der_Monsieur Hunderttausend-Volt (Natalie)_unserer Tage hier absteigt, soll er sich ernstlich von Musik auf Physik verlegt haben.
Und noch ein Großer nennt Como seine Heimatstadt: Benedetto Odescalchi (1611-1689), der spätere Innozenz XI. Einer der ganz wenigen Päpste mit Vorbildcharakter. Er trägt auch als Pontifex maximus immer dieselbe zerschlissene Soutane, meidet den Jubel der Menschen und teilt nach der Papstwahl seinen Verwandten in der Geburtsstadt schon sehr dogmatisch mit, sie hätten von ihm nicht zu erwarten und sollten somit brav und bieder ihrer Arbeit als Fischer und Finanziers, Händler und Hausfrauen nachgehen.
Zentrum und Herz der belebten und beliebten Stadt mit den hohen Bergen, dem turbulenten Autoverkehr und einem frequentierten Hafen ist der Dom. Innen wenig erbauend, außen ein Juwel. Der Architekturschmuck mit den Statuen der beiden Plinius reflektiert das antike Heidentum. Wir sehen die Unterwelts-Vasen des Pluto, die Sphinx des Apollo, die Greife des Augustus. Motive, wie sie auch in der nahen Villa Olmo zu bewundern sind. Dort sieht man freilich auch die stets lockende Venus, die hier zwar einen Kopf hat, im Gegensatz zur Marmor-Ausgabe in der Villa Melzi von Bellagio aber auch einen Kleiderschmuck, der den kost- und wunderbaren Leib schon in arg keuscher Manier bedeckt und versteckt. Man(n) kann eben auch im Paradies am Comer See nicht alles haben!
Infos: Associazione operatori turistici+economici, Piazza della Chiesa 14, 22021 Bellagio-Como/Italia. Tel.: ++39 031-951 555. Fax: ++ 39 031-950 204. www.bellagiolakecomo.com. E-mail: prombell@tin.it
Grand Hotel Villa Serbelloni, Proprietà Bucher, 22021 Bellagio-Como/Italia, Tel.: ++39 031 950216, Fax: ++39 031 951529. http://www.villaserbelloni.it. E-mail: inforequest@villaserbelloni.it