“Eure Nahrung soll eure Medizin und eure Medizin soll eure Nahrung sein.“ Hat bereits Hippokrates gesagt, und heute ist ein richtiger Hype um jene Nahrungsmittel entstanden, die nicht nur gesund sind, sondern uns auch gesund machen. Drogerien, Apotheken, Biomärkte, sie alle quellen über von einer Vielzahl an Pulvern, Tees, Getränken und Mixturen, die alle ein Superfood enthalten und nicht nur ein gesundes und vitales Leben, sondern auch Heilung bei (fast) allen Leiden versprechen. Und wenn die Indianer im Regenwald oder die Mönche im Himalaya damit mit 100 noch aussehen, als wären sie gerade in der Blüte ihrer Jahre - dann kann es nur gut sein - oder?
Was ist denn nun ein Superfood? Eine Definition per se gibt es nicht. Immerhin aber kann man in den einschlägigen Nachschlagewerken lesen, dass ein Superfood ein nährstoffreiches Lebensmittel ist, meist Obst oder Gemüse, vollgepackt mit Vitaminen, Mineralien, Ballaststoffen, Antioxidantien und Phytonährstoffen. Voll des Lobes zu bester Gesundheit und Wohlbefinden, zusätzlich mit dem Touch des Mythos, Fremden und Geheimnisvollen versehen, werden exotische Superfoods zu exorbitanten Preisen angeboten und der Verbraucher, der sich natürlich gesund ernähren will, glaubt der Werbung und greift tief in die Tasche.
Chia-Samen - teures Hühnerfutter: Sie werden heute als das ultimative Superfood schlechthin angeboten. Die reich an Kalzium, Ballaststoffen, Omega-3-Fettsäuren und Aminosäuren Samen gehörten bereits bei den Mayas und Azteken zur Ernährung. Als sie irgendwann nach Europa kamen, wurden sie an Hühner verfüttert. Aber oh Schreck, die Hühner legten nun kleinere Eier. Also wurden sie vom Futterplan gestrichen. Die neu ausgewählte Verbrauchergruppe war dann der Mensch und Chia-Samen werden heute aufs Müsli gestreut, in Brot verbacken, in Smoothies verarbeitet. Sie sollen blutverdünnend wirken, den Blutdruck, den Blutzucker und das Cholesterin senken und, was sie besonders interessant macht – sie sollen beim Abnehmen (s. kleinere Eier!) helfen. Bei letzterem wird nur leider vergessen, dass Chia-Samen mehr Kalorien liefern, als eine vergleichbare Menge Emmentaler Käse…
Viele Studien - viele Nebenwirkungen: Zu all diesen Wundereigenschaften gibt es natürlich auch Studien, die die gesundheitlichen Effekte leider, leider nicht belegen konnten. Dafür aber brachten sie die Nebenwirkungen zu Tage: Magen-Darmbeschwerden – die Samen quellen im Darm um das 10-fache auf! Und Tierversuche legten nahe, dass Allergien und Entzündungen nach Verzehr der Samen entstehen können.
Verzweifeln muss Mensch dennoch nicht, wenn er Chia-Samen nicht in sein tägliches Programm aufnehmen kann oder will. Heimische Leinsamen, Rapsöl oder Nüsse bieten die gleichen gesundheitlichen Vorteile, aber wesentlich billiger, als die Importware.
Açai-Beere - Regenwald-Püree zum Abnehmen: Die Açai-Beeren kommen aus dem Amazonas Gebiet, wo sie auf einer Palmenart wachsen und von den Einheimischen als Saft oder Püree verzehrt werden. In den USA sind die Beeren der ultimative Tipp für alle, die abnehmen wollen. Da die Açai-Beere schnell verdirbt, wird sie getrocknet und als Pulver oder in Kapseln, auch bei uns, verkauft. Sicher, die Beeren enthalten viele Antioxidantien, Vitamine, Mineralstoffe und essentielle Fettsäuren. Aber sie enthalten auch eine ganze Menge Fett. Ob das beim Abnehmen nun wirklich gut ist? Nun, wenn es mit den Açai-Beere nicht klappt, kann man ja auf unsere heimischen Trauben, Holunderbeeren, schwarze Johannisbeeren oder Rotkohl zurückgreifen. Die können es hinsichtlich der antioxidativen Wirkung locker mit den Açai-Beeren aufnehmen. Sie alle enthalten nämlich ebenfalls Anthocyan, den dunklen Farbstoff, der für die antioxidative Wirkung zuständig ist.
Goji-Beeren - chinesischer Wolf im Schafspelz: Die Goji-Beere (Bocksdorn oder Chinesische Wolfsbeere genannt) kommt aus China und wird als Gesundheitskost und Anti-Aging-Superfood beworben, da sie einen hohen Gehalt an Mineralien, Vitaminen, essentiellen Fettsäuren und Antioxidantien aufweisen. Die Wirkung als Jungbrunnen ist allerdings nicht unproblematisch: die Früchte weisen oft erhöhte Pestizidwerte auf, wie Untersuchungen ergaben. Obendrein können sie die Wirkung von gerinnungshemmenden Medikamenten gefährlich stören. Kritiker sagen zu Recht, dass die Goji-Beere links liegen gelassen werden kann, wenn man auf einheimisches Obst zurückgreift.
Flohsamen - Indiens Rache: Flohsamen kommen aus Indien und dem Iran. Sie zählen zu den Wegerichgewächsen und sind mit dem bei uns heimischen Wegerich verwandt. Mit Wasser eingenommen, quellen Flohsamenschalen um ein Vielfaches auf. Es tritt ein schnelles Sättigungsgefühl ein und die Verdauung wird angeregt. Damit sollen sie beim Abnehmen helfen. Nachgewiesen wurde dieses bislang allerdings nicht – außer Problemen mit dem Verdauungsapparat.
Weizengras - Veggis Himmelfahrt: Es ist zwar weniger exotisch, wird aber von Anhängern der veganen Kost als eine der vollkommensten Pflanzen betrachtet, weil es praktisch alle wichtigen Nährstoffe enthält, sogar Vitamin B12, das fast nur in tierischen Lebensmitteln vorkommt. Außerdem ist es reich an Chlorophyll, dem viele positive Effekte nachgesagt werden. Das vermeintliche Superfood gibt es als Saft, Pulver oder Tabletten, und man kann es aus Samen sogar selbst ziehen. Das Problem ist nur, dass die angenommene tumorhemmende Wirkung durch Chlorophyll nur im Tierversuch nachgewiesen werden konnte und die so hohe Menge an Vitamin C und E oder Kalzium, die im Weizengras vorhanden sein sollen, kann problemlos durch eine ausgewogene Ernährung erreicht werden.
Längst ist nicht alles Gold was glänzt, auch wenn es noch so exotisch klingen mag. Denn auch die heimische Flora bietet eine Vielzahl an Obst und Gemüse, die es mit jedem Superfood locker aufnehmen können. Mittlerweile sind diese sogar zum Superfood geadelt worden. Weil sich darum aber keine Geschichten ranken lassen, und weil alles, was man kennt, keine Faszination ausübt, vergisst man leicht, was unsere täglichen Gemüse- und Obstsorten alles bieten können.
Grüne Blattgemüse, wie Spinat, Mangold, auch Salate liefern zwar keine Omega-3-Fettsäuren und auch kein Protein. Aber sie enthalten große Mengen an sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen, Spurenelementen und Chlorophyll und das alles in gut resorbierbarer Form.
Kohlgemüse, also Brokkoli, Blumenkohl, Weißkraut, Rotkraut, Rosenkohl, Grünkohl, aber auch Rettich, Radieschen und der Meerrettich sind reich an Vitalstoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Während des Verdauungsprozesses entstehen dabei sogar entzündungshemmende und krebsfeindliche Stoffe.
Mandeln enthalten hauptsächlich einfach ungesättigte Fettsäuere und liefern Ballaststoffe mit probiotischen Eigenschaften, die für eine gesunde Darmflora wichtig sind. Obendrein besitzen sie viele Vitalstoffe, so dass bereits eine kleine Portion täglich den Bedarf an Magnesium, Kalzium und Vitamin-B decken kann.
Kürbiskerne enthalten von allen pflanzlichen Lebensmitteln denmeisten Zink und 50 g der Kerne decken obendrein die Hälfte des täglichen Magnesiumbedarfs eines Erwachsenen.
Beeren – Himbeeren, Brombeeren, schwarze und rote Johannisbeere, Stachelbeeren, Heidelbeeren, sie alle enthalten enorme Mengen an Antioxidantien. Zusammen mit grünem Blattgemüse sind es wahre Gesundheitsgaranten. Und will Mensch zusätzlich viel Vitamin C aufnehmen, kann er zur Hagebutte oder dem Sanddorn greifen. Aber auch Gewürze und Kräuter geben dem Organismus das, was er braucht. Ingwer ist ja spätestens seit Schubecks Kochsendungen für seine vielfachen gesundheitsfördernden Wirkungen bekannt. Und Kräuter liefern nicht nur Vitamine, sondern können, wie Oregano, als natürliches Antibiotikum wirken.
Große Studien - k(l)eine Wirkung Fast täglich tauchen Studien zu den angepriesenen Heilwirkungen der Superfoods auf. Dabei, das sollte betont werden, handelt es sich in der Regel nicht um unsere heimischen Superfoods. Nein, es scheint so, dass dem Superfood etwas Mystisches anhängen und es von weither kommen muss, um als solches zu gelten und untersucht zu werden. Zu den Studien – sicher, es gibt viele – diese werden in der Regel mit einem einzigen Superfood oder auch nur einem einzigen Bestandteil eines Superfoods durchgeführt. Und dann meist im Labor oder an Tieren. Dass vom tierischen auf den menschlichen Organismus nicht so einfach geschlossen werden kann, sollte mittlerweile vielen bekannt sein. Beim Menschen spielt desweiteren nicht nur seine spezielle Veranlagung eine Rolle und seine gesundheitliche Geschichte, sondern auch die Tatsache, dass der Mensch nicht nur einen einzigen Nahrungsbestandteil aufnimmt. Die Studien in denen die Wirkung bei Menschen erprobt wurden, weisen daher erhebliche Mängel auf und können nicht als Beweise einer vermuteten Wirkung herangezogen werden. Vor allem lassen sie sich nicht auf die reale Ernährung übertragen.
Auch wenn Hippokrates seinerzeit die Nahrung als Medizin bezeichnet hat - Nahrungsmittel sind keine Medizin. Es sind Bausteine, die dabei helfen, unseren Organismus gesund zu halten. Heilen können sie nicht. Das kann sich vielleicht irgendwann ändern, aber noch ist die Forschung nicht so weit.
Superfoods sollte man daher als normale Lebensmittel (vor allem die heimischen!) oder höchstens als Nahrungsergänzungsmittel (die importierten Pülverchen) betrachten.
Die gegenwärtige Aufmerksamkeit für Superfoods wird wahrscheinlich durch das insgesamt zunehmende öffentliche Interesse an Lebensmitteln und Gesundheit angeregt, insbesondere in den Industriestaaten. Die Vorstellung, dass Lebensmittel einen außergewöhnlichen Gesundheitsnutzen haben, ist natürlich attraktiv. Hinzu kommt die geschickte Vermarktung mit Mythen und Geschichte die rund um eine exotische Frucht erzählt werden – wer probiert da nicht gern etwas aus, was Wohlbefinden, gutes Aussehen oder sogar Heilung verspricht? Ohne dabei Medikamente einnehmen zu müssen oder seinen Lebensstil zu ändern.
Fazit: Zu einer Ernährung, die nun tatsächlich unserer Gesundheit förderlich ist, sollten wir ausgewogen und abwechslungsreich essen anstatt uns lediglich auf eine Handvoll angeblicher Superfoods zu beschränken. Größere Mengen Obst und Gemüse – die berühmten 5 Handvoll täglich – tragen dazu bei, unsere Gesundheit zu erhalten.