Er kündigt sich durch Schmerzen an, die meist in Arm oder Bein ausstrahlen, oft verbunden mit Taubheitsgefühl oder Kribbeln. In schweren Fällen kommt es zu Lähmungserscheinungen in Händen oder Füßen, Blasenschwäche oder sogar Taubheit im Anal- und Genitalbereich.
Die Wirbelsäule ist täglich großen Belastungen ausgesetzt und nutzt sich im Laufe der Jahre ab. Falsche bzw. einseitige Belastung der Wirbelsäule, starkes Übergewicht, schwere körperliche Arbeit und schwache Muskeln und Bänder begünstigen den Verschleiß. Aber auch Unfälle, bei denen die Wirbelsäule beschädigt wird, können Bandscheibenvorfälle verursachen. Abnutzung oder Verletzung führt dazu, dass der faserige Knorpelring der Bandscheibe feine Risse erhält. Wird dann noch permanenter Druck auf ihren Kern ausgeübt, den so genannten Gallertkern, kann sich die Bandscheibe verformen und der Faserring weitet sich aus. Bricht gar die faserige Hülle, verrutscht der weiche Gallertkern: Der Betroffene erleidet einen Bandscheibenvorfall (medizinisch: Diskusprolaps). Das Ereignis kann unbemerkt bleiben. Wenn die verrutschte Bandscheibenmasse aber auf angrenzende Nerven oder das Rückenmark drückt, gehen damit zum Teil heftige Schmerzen einher.
Meist helfen konservative Therapien wie Krankengymnastik, Schmerzmedikation, Mittel zur Muskelentspannung und ggf. Gewichtsabnahme. Schreitet die Abnutzung (medizinisch: Degeneration) einzelner Bandscheiben trotz der Maßnahmen fort, kann es passieren, dass irgendwann die Wirbelknochen aufeinander reiben. In solchen Fällen hilft nur noch eine Operation. Im Jahr 2006 wurden deshalb allein in Deutschland rund 100.350 Menschen operiert1. Früher führten Ärzte vielfach so genannte Versteifungsoperationen (medizinisch: Fusion) durch: Nach Entfernung der kranken Bandscheibe werden die betroffenen Wirbel beispielsweise über ein Schrauben-Stab-System miteinander fixiert und so stabilisiert. Nachteil: Die Verschraubung der Wirbel schränkt die Beweglichkeit der Wirbelsäule insgesamt zum Teil erheblich ein.
Dass immer weniger Versteifungsoperationen durchgeführt werden, ist dem Vormarsch von innovativen künstlichen Bandscheiben zu verdanken: Zur Behandlung der beiden betroffenen Wirbel wird eine künstliche Bandscheibe in den Wirbelzwischenraum implantiert. Während des Eingriffs stellt der Operateur die natürliche Höhe des Wirbelzwischenraums mithilfe eines zangenartigen Spezialinstruments ein. Dann schiebt er eine genau in den Raum zwischen den Wirbeln passende künstliche Bandscheibe ein. So kann der natürliche Aufbau der Wirbelsäule rekonstruiert werden – eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Patienten beweglich bleiben und wieder schmerzfrei werden. Weil einige künstliche Bandscheiben einen mobilen Kunststoffkern haben, der sich ähnlich wie der Gallerten der natürlichen Bandscheibe verhält, stellen sie den ursprünglichen Bewegungsradius der Wirbel beinahe wieder her – eine zweite wichtige Voraussetzung für die best mögliche Beweglichkeit der Betroffenen.
Die Implantation dauert heute dank minimal-invasiver Operationsmethoden nicht länger als zwei Stunden. Ärzte können inzwischen über den Bauchraum operieren. Die Patienten sind danach schnell wieder mobil, dürfen bereits am nächsten Tag aufstehen und sind mit begleitender Krankengymnastik nach vier bis sechs Wochen wieder körperlich leicht belastbar. Eine spezielle Beschichtung der künstlichen Bandscheibe sorgt dafür, dass sie innerhalb von drei Monaten fest in den Wirbelknochen einwächst; die Patienten dürfen dann sogar wieder Sport treiben.
Künstliche Bandscheiben werden zur Korrektur und Stabilisation von verschleißbedingter Veränderungen, Höhenverlust und Instabilität der Wirbelsäule verwendet. Mit der Weiterentwicklung minimal-invasiver Operationstechniken haben sich die künstlichen Bandscheiben als oftmals bessere Alternative zur Versteifung durchgesetzt. Auch im Vergleich zur konservativen Behandlung stehen sie gut da: Untersuchungen legen nahe, dass die Implantation künstlicher Bandscheiben ähnlich effektiv ist wie Krankengymnastik und Injektionen2: Ein entscheidender Vorteil ist allerdings, dass operierte Patienten in der Regel weniger Schmerzen erdulden müssen als konservativ behandelte – und das bei gleichem Behandlungsergebnis. Obwohl zur Standzeit der Prothesen noch keine systematischen Langzeituntersuchungen vorliegen, ist allgemein bekannt, dass die Modelle der ersten Generation auch nach 15 Jahren noch funktionieren.
Die Implantation einer künstlichen Bandscheibe ist grundsätzlich eine Kassenleistung. Patienten können sie theoretisch in einer der knapp 900 orthopädischen oder unfallchirurgischen Kliniken Deutschlands durchführen lassen. Patienten, die sich ein Maximum an Beweglichkeit bewahren wollen, sollten sich auf jeden Fall vorab erkundigen, ob ihr Operateur tatsächlich die Implantation künstlicher Bandscheiben anbietet.
Patienten, die aufgrund einer starken Degeneration der Wirbelsäule chronische Rückenschmerzen haben, werden in der Regel zunächst rund 6 Monate konservativ behandelt. Tritt bei ihnen in dieser Zeit keine Besserung ein, kann die Implantation einer künstlichen Bandscheibe medizinisch sinnvoll sein. Der Eingriff ist auch wirtschaftlich gesehen von Vorteil, weil den Patienten Behandlungen wie Physiotherapie, Krankengymnastik, Injektionen und zahlreiche Arztbesuche erspart bleiben. Außerdem sind die Betroffenen nach der Implantation schnell wieder mobil und können in der Regel bereits vier Wochen nach der Operation in ihren Beruf zurückkehren.
Die Implantation künstlicher Bandscheiben ist ein effektiver und schonender Eingriff für schwer Bandscheibengeschädigte. Sie bedeutet für die Patienten in der Regel den Erhalt und zum Teil sogar die Verbesserung ihrer Beweglichkeit – ein entscheidender Vorteil gegenüber Versteifungsoperationen. Und im Vergleich zur konservativen Behandlung bleibt festzuhalten, dass Patienten mit der Prothese weniger Schmerzen ertragen müssen und schneller genesen. Leider sind Versteifungsoperationen für viele Ärzte immer noch das Mittel der ersten Wahl. Betroffenen mit degenerativer Erkrankung der Wirbelsäule, sollten sich mit ihrem behandelnden Arzt darüber zu unterhalten, ob eine künstliche Bandscheibe gegebenenfalls auch für sie in Frage kommt.
1Millenium Research Group: European Markets for Spinal Implants, Toronto 2006 / 2 Deutsche Medizinische Wochenschrift, (132): 3, Januar 2007, S. 74