Eine wissenschaftlichen Publikation der Universität Luxemburg schließt die Wissenslücken bezüglich der Auswirkungen der Geburtsart auf Säuglinge. Anhand einer langjährigen Studie1 – genannt COSMIC – zeigen sie Unterschiede in der Zusammensetzung und Funktion des Darmmikrobioms auf, die während des ersten Lebensjahres bestehen bleiben. Diese von der Geburtsart abhängigen Veränderungen beeinflussen wahrscheinlich langfristig den Zustand des Immunsystems und die antimikrobielle Resistenz.
Die Rate der Kaiserschnittentbindungen (CSD) nimmt weltweit stetig zu – insbesondere in Europa, wo sie 25% der Geburten ausmacht. Obwohl mehrere Studien und frühere Arbeiten des Forscherteams gezeigt haben, dass CSD sowohl das Darmmikrobiom als auch die Entwicklung des Immunsystems bei Neugeborenen beeinflusst, sind die dauerhaften Auswirkungen der Geburtsart nicht vollständig bekannt. „Aktuelle Hypothesen besagen, dass der Kaiserschnitt mit verschiedenen chronischen Krankheiten im späteren Leben wie etwa Stoffwechselstörungen und Allergien in Verbindung steht oder die Entwicklung von antimikrobiellen Resistenzen begünstigt“, erläutert Prof. Paul Wilmes. Es sind jedoch Studien über längere Zeiträume erforderlich, um die andauernde Auswirkung während des ersten Lebensjahres zu bestimmen, welches ein kritisches Fenster der Entwicklung darstellt.
Seit mehreren Jahren werden die Auswirkungen von vaginaler Entbindung und Kaiserschnitt auf die Neugeborenen untersucht und konnte bereits zuvor Unterschiede in der Struktur und Funktion des Mikrobioms der Säuglinge identifizieren. Aufbauend auf diesem langjährigen Interesse untersuchten man den wichtigen Effekt der Geburtsart durch eine longitudinale Analyse: Von dem Zeitpunkt unmittelbar nach der Geburt bis hin in die frühe Kindheit…Die Ergebnisse zeigen dauerhafte, von der Geburtsart abhängige Unterschiede und deren Zusammenhang mit der Immunfunktion.
Während die Langzeitstudie zeigt, dass sich die Darmmikrobiome von CSD- und VD-Babys im Laufe der Zeit immer mehr angleichen, weist sie bei einjährigen vaginal entbundenen Säuglingen auch auf Unterschiede in Bezug auf Zusammensetzung und Funktion hin. Zum Beispiel ist ein Bakterium, genannt Faecalibacterium prausnitzii, in der VD-Gruppe häufiger vorhanden. Es ist normalerweise mit gesunden menschlichen Mikrobiomen assoziiert und könnte entzündungshemmende Eigenschaften mit sich bringen. Eine funktionelle Analyse der Mikrobiome zeigt für dieselbe Gruppe auch eine Zunahme der Biosynthese von natürlichen Antibiotika. Beide Ergebnisse deuten darauf hin, dass die kolonisierenden Mikroorganismen im Darm eine entscheidende Rolle spielen und dass Kinder die vaginal entbunden wurden von frühzeitigen Resistenzmechanismen gegen opportunistische Krankheitserreger profitieren könnten. Durch die Kombination der neuen Ergebnisse mit ihren früheren Studien zu diesem Thema bestätigten… auch, dass eine Schwächung des frühen Immunsystems bei Neugeborenen, die per Kaiserschnitt entbunden wurden, zu anhaltenden Effekten im ersten Lebensjahr führen könnte. Dies könnte wiederum die höhere Rate an immunsystembedingten Krankheiten erklären, die bei CSD-Kindern im späteren Leben beobachtet werden, einschließlich Stoffwechselstörungen und Allergien.
Als nächstes untersuchte das Luxemburger-Team, wie die Geburtsart die antimikrobielle Resistenz (AMR) moduliert und fand heraus, dass ein Kaiserschnitt mit Genen assoziiert ist, die bereits fünf Tage nach der Geburt eine Resistenz gegen synthetische und halbsynthetische Antibiotika verleihen. Er erklärt: „Da Müttern, die sich dem chirurgischen Eingriff unterziehen, Antibiotika verabreicht werden, ist es plausibel, dass diese Anreicherung an AMR-Genen mit der Krankenhausumgebung und dem Kaiserschnitt zusammenhängt.“
Zusammengenommen deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass von der Geburtsart abhängige Effekte auch nach einem Jahr noch bestehen. Der frühe Einfluss der Kaiserschnittentbindung auf die Etablierung des Darmmikrobioms von Neugeborenen führt zu dauerhaften strukturellen und funktionellen Unterschieden. Sie beeinflussen das Immunsystem, die Abwehrmechanismen gegen Krankheitserreger und die antimikrobielle Resistenz. „Diese Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, diese Effekte über längere Zeiträume zu verfolgen und ebnet den Weg für zukünftige Interventionen, die darauf abzielen, wichtige funktionelle Merkmale des Mikrobioms bei Kaiserschnitt-Kindern wiederherzustellen“, schließt Dr. Busi.
Quelle: Busi, S.B., de Nies, L., Habier, J. et al. Persistence of birth mode-dependent effects on gut microbiome composition, immune system stimulation and antimicrobial resistance during the first year of life. ISME COMMUN. 1, 8 (2021). https://doi.org/10.1038/s43705-021-00003-5
Die Ergebnisse der Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Paul Wilmes sind in der Open-Access-Zeitschrift ISME Communications veröffentlicht. ↩
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