Eine sogenannte Binge-Eating1-Störung, darunter versteht man außer Kontrolle geratende, regelmässige Heißhungerattacken, tritt wesentlich häufiger als eine Bulimie auf und befällt auch Männer. Dieses unkontrollierbare Heißhungergefühll kann eigenständig, oder auch als Symptom einer Bulimia nervosa auftreten. Bei einer Binge-Eating-Störung (BED) handelt es sich um ein Muster von Essanfällen, das mindestens 3 Monate lang wöchentlich auftritt. Statistiken sagen, dass rund 2,8 % der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens an einer BED erkranken können.
Mittlerweile hat man auch herausgefunden, dass bei Menschen, die unter einer bipolaren Störung leiden, die Wahrscheinlichkeit, an einer Essstörung zu erkranken, wesentlich höher ist, als in der Allgemeinbevölkerung.
Im Gegensatz zu einer Magersucht (Bulemie), die häufig bei sehr jungen Frauen zu beobachten ist, tritt eine Binge-Eating-Störung später als diese auf. Und sie trift durchaus im jungen Erwachsenenalter auch Männer.
Eine Studie der Keck School of Medicine of USC fand nun heraus, dass Jungen und Mädchen mit gleicher Wahrscheinlichkeit an Essstörungen leiden. So zeigt ein von der Universität vorgenommener Vergleich der Gehirne von Jungen und Mädchen mit einer Binge-Eating-Störung signifikante Unterschiede in der Gehirnstruktur. Aufbauend auf einer früheren Untersuchungen, zeigt die Studie, dass die Binge-Eating-Störung bereits ab einem frühen Alter im Gehirn “verdrahtet” wird. Sie liefert sehr eindeutige Belege dafür, dass künftig auch Jungen und Männer bei der Erforschung des Ursprungs von Essstörungen berücksichtigt werden müssen.
Die kalifornischen Forscher nutzten dazu Daten von 11.878 Kindern im Alter von 9 bis 10 Jahren, die zwischen 2016 und 2018 gesammelt wurden. Anstatt voll ausgeprägte Essstörungen zu untersuchen - die bei Kindern sowohl selten als auch schwer zu erkennen sind - analysierten die Forscher gestörtes Essverhalten, das Hinweise darauf geben kann, wer ein Risiko für schwerere Symptome im weiteren Verlauf hat.
Laut Forschungsleiter Stuart Murray wurde bislang davon ausgegangen, dass Essstörungen bei Jungen und Männern unüblich seien. In der Folge wurden Behandlungsansätze entwickelt, die nur auf den Daten von Mädchen und Frauen beruhten. In den vergangenen Jahren wurde immer deutlicher, dass manche Essstörungen bei Männern und Jungen beinahe genau so häufig auftreten wie bei Frauen und Mädchen. Gleichzeitig gab es mehr wissenschaftliche Belege dafür, dass es sich bei Essstörungen um Erkrankungen des Gehirns handelt und sie nicht die Folge von sozialem Druck oder einem Mangel an Willenskraft sind, so Murray.
Die Ergebnisse der Studie können die Prävention von Essstörungen verbessern, da man erkennen kann wer am meisten gefährdet ist, so Murray. Kinderärzte, Eltern und Schulen könnten beispielsweise Kinder mit hohem BMI und Kinder, die vor ihren Altersgenossen in die Pubertät kommen, verstärkt überwachen. Wichtig dabei ist, dass bei Aufklärungsmaßnahmen für Ärzte und Eltern auch betont wird, dass Jungen ähnlichen Risiken ausgesetzt sind wie Mädchen.
Murray und sein Team untersuchen auch die Neurobiologie, die dem gestörten Essverhalten zugrunde liegt, u. a. durch eine kürzlich durchgeführte Studie, die Unterschiede in der Hirnstruktur zwischen Kindern mit und ohne Binge-Eating-Störung aufzeigte.
Die Dichte der grauen Hirnmasse der mittels mittels Voxel-basierter Morphometrie (VBM) untersuchten Kinder zeigt im Vergleich mit einer Kontrollgruppe, dass Mädchen mit einer Binge-Eating-Störung in mehreren Bereichen des Gehirns eine erhöhte Dichte der grauen Hirnmasse besitzen. Da männliche Probanden mit einer Binge-Eating-Störung in diesem Gehirnbereich keine Veränderungen zeigten, kann man davon ausgehen, dass diese Bereiche im Gehirn bei Frauen mit der Impulskontrolle und den Symptomen der Krankheit in Zusammenhang stehen. Die Keck-Forscher glauben somit, dass die erhöhte Dichte der grauen Hirnmasse bei den untersuchten jungen Frauen, als ein entscheidender Reifungsprozess des Gehirns (auch “Synaptic pruning” genannt) spezifisch verändert oder verzögert sein könnte.
Inwieweit die Gehirne von Jungen und Mädchen mit einer Binge-Eating-Störung auch unterschiedlich funktionieren, will man in einer nächsten Studie untersuchen.
Binge Eating = exzessives, übermäßiges Essen ↩
Bulimie
Essstörung
Magersucht
Gehirn