Hämophilie heißt für den Betroffenen, dass Wunden nicht abheilen , weil die Blutstillung zu lange dauert oder gar nicht funktioniert und bereits kleine Verletzungen können zu ausgedehnten Blutungen im Gewebe und den Gelenken führen.
Rund 80 Prozent der Betroffenen leiden an der Hämophilie A. Bei dieser Variante fehlt oder mangelt es am Blutgerinnungsfaktor VIII. Bei einer anderen Form, der Hämophilie B, ist der Faktor IX betroffen. Die Beschwerden sind jedoch bei beiden gleich. Wie stark das chronische Leiden ausgeprägt ist, hängt von der so genannten Restaktivität der Gerinnungsfaktoren ab. Sie werden in vier Schweregrade unterteilt, die eine Leistung zwischen 0 bis zu 50 Prozent aufweisen. Im schlimmsten Fall kommt es zu unkontrollierbaren Blutungen, die für den Patienten lebensbedrohlich werden können.
Hämophilie trifft vor allem Männer. Der Mangel an Blutgerinnungsfaktoren wird über ihr zweites X-Chromosom ausgleichen. Damit ist allerdings nicht die Gefahr für ihre Söhne gebannt. Die Mutter bleibt Überträgerin (Konduktorin). Rund die Hälfte der männlichen Nachfahren erbt über ihre Mutter die Krankheit. In seltenen Fällen, wenn der Vater Bluter und die Mutter Konduktorin ist, führt das fehlerhafte X-Chromosom sogar bei der gemeinsamen Tochter zur Hämophilie. Seltener, dafür aber besonders gefährlich, ist die erworbene Hämophilie. Etwa 1,5 Fälle von einer Million Nicht-Blutern entwickeln spontan Antikörper gegen die körpereigenen Gerinnungsfaktoren und damit eine Hemmkörper-Hämophilie. Experten gehen daher davon aus, dass dies circa 150 Patienten pro Jahr in Deutschland betrifft. Es bleibt aber festzustellen, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist. Die Erkrankung tritt vornehmlich bei Schwangeren und Patienten über 50 Jahren auf, die an einer Autoimmunkrankheit oder Krebs leiden. Vielfach wird diese Form erst gar nicht erkannt – und das hat schwere, teilweise tödliche Folgen für die Patienten. Insgesamt, so schätzt die World Federation of Hemophilia (WHF), leben weltweit 400.000 Bluterkranke, allein in Deutschland rund 8.000. Und nur bei knapp 30 Prozent der Hämophilen ist diese Krankheit auch diagnostiziert.
Bei Hämophilie-Patienten können Blutungen in jedem Gewebe auftreten, das stark mit Adern durchzogen ist. Schon kleine Erschütterungen führen zu Hämatomen in den tragenden Gelenken wie Knie, Sprunggelenk und Hüfte. Kleine Kinder zwischen ein und zwei Jahren sind besonders stark gefährdet, da sie in ihrem ersten Bewegungsdrang häufig stürzen oder sich stoßen. Die Verletzungen verursachen nicht nur starke Schmerzen, sondern können bei unzureichender Behandlung deformierte Gelenke und Behinderungen zur Folge haben. Ein ständiges Risiko sind zudem spontane Blutungen. Sie treten teils ohne direkte Ursache auf, zum Beispiel im Magen-Darm-Trakt und Gehirn, oder werden durch operative Eingriffe ausgelöst, zum Beispiel beim Ziehen eines Zahns.
Die Therapie der Wahl besteht darin, den fehlenden oder defekten Faktor VIII oder IX zu ersetzen. Entsprechende Präparate werden intravenös gespritzt. Da das Verletzungsrisiko bei Kindern größer ist, erhalten sie meist prophylaktisch bis zu dreimal in der Woche eine Behandlung. Erwachsene Hämophilie-Patienten verabreichen sich den fehlenden Gerinnungsfaktor nach Bedarf. Dabei profitieren die Betroffenen stark vom medizinischen Fortschritt. Heute werden sie eher und individueller therapiert als früher und können zwischen verschiedenen Substanzen wählen. So genannte Plasma-Präparate werden aus menschlichem Blut gewonnen. Zusätzlich ist es inzwischen möglich, den Faktor VIII gentechnisch herzustellen. Während sich in der Vergangenheit einige Bluter über plasmatische Produkte mit HIV und Hepatitis infiziert haben, sind gentechnisch hergestellte rekombinante Präparate virenfrei. Dank der modernen Therapiemöglichkeiten gelingt es Blutern, damit ein relativ normales Leben zu führen – natürlich mit kleinen Einschränkungen: Gefährliche Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko und extreme körperliche Belastungen bleiben für sie ein Tabu.
Heute kann man Kinder und Jugendliche, die an der Bluterkrankheit erkrankt sind und unter Entzündungen der Gelenkinnenhaut leiden, mit einer Radiosynoviorthese (RSO) behandeln. „Das sollte möglichst frühzeitig passieren. Zu einem Zeitpunkt, zu dem die Knochen noch nicht angegriffen sind“, raten die Experten vom BDN. „Wir sehen leider immer wieder Patienten, die viel zu spät zu uns kommen.“ Die RSO wird nach Kernspinn oder Ultraschall angewendet, wenn erkennbar eine Entzündung im Gelenk vorliegt. Die Erfolge liegen bei 80 bis 90 Prozent: “Die Patienten haben keine Entzündung mehr im Gelenk, keine Blutungen und keine Ausfallzeiten in Schule oder Beruf”. Zudem kann die Wirkung Jahre bis Jahrzehnte anhalten. Auch die Angst vor Strahlung ist unbegründet. Bei der RSO verwendet man ausschließlich Beta-Strahler mit einer Reichweite von wenigen Millimetern und trifft so nur die kranke Schleimhaut, nicht das umliegende gesunde Gewebe.
Informationen finden Sie im Internet unter www.bfsh.info, RSO Exzellenznetz e.V., Gesundheitsinformation.de
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