In den ersten Wochen als COVID-19 zu wüten begann, wurde einfach lostherapiert, wurde versucht, den Menschen so schnell als möglich zu helfen. Dabei wurden nicht nur die üblichen Standardtherapien bei Lungenaffektionen herangezogen, sondern es wurden auch Medikamente eingesetzt, die sich in der Behandlung von Infektionen durch Coronaviren schon mal bewährt hatten aber auch bei anderen schweren Viruserkrankungen Erfolge gezeigt hatten.
Cloroquin, bekannt unter dem Handelsnamen Resochin® (Chinin) und sein Strukturverwandter Hydroxychloroquin, war das Medikament zur Behandlung und Prophylaxe von Malaria mit den unkontrollierbaren Fieberschüben schlechthin.
Lopinavir und Ritonavir, zwei antivirale Stoffe als Fixkombination in Kaletra® haben sich in der Behandlung des HIV (Human Immunodeficiency Virus), welches zu AIDS (Aquired Immunodeficiency Syndrome) führt, bereits einen Namen gemacht.
Und schließlich sind es Interferone, mit denen Behandlungsversuche gestartet wurden. Beta-Interferon (Avonex®), hat sich zwar einen Namen bei Multipler Sklerose (MS) gemacht, durch seine ausgeprägten antiviralen und immunmodulierenden Eigenschaften schien es zur Behandlung von COVID-19 geeignet, genau wie Interferone. Dass es bei diesen Substanzen zu überschießenden Immunreaktionen kommen kann, wurden akzeptiert, bzw. es wurde mit Colchicin und Dexamethason entgegen gesteuert.
Ein einfaches, wie geniales Mittel ist die Immunserumtherapie.. Damit wurde in Wuhan offensichtlich auch relativ früh begonnen. In dem Blut von Patienten, die COVID-19 durchgemacht haben befinden sich Antikörper, die, wenn sie isoliert und anderen Patienten verabreicht werden, deren Immunsystem unterstützen können und bei der Elimination des Virus eine wertvolle Hilfe sind. Auf diese Art können lebensbedrohliche Verläufe abgeschwächt werden. Diese Methode wurde schon bei der Spanischen Grippe (1918-1920), bei SARS (2002-2003) und auch bei Ebola (2014-.1016) angewendet. Der Schutz, man spricht in solchen Fällen von Passivimmunisierung, ist zwar nur kurzfristig, wie die Erfahrungen bei anderen Erkrankungen gezeigt haben, aber diese Art der Therapie kann jederzeit wiederholt werden.
Während noch über Impfungen und Therapien diskutiert wird, scheint es, dass ein neues altes Medikament – Remdesivir - alle Probleme zu lösen vermag. Remdesivir, ein gescheitertes Ebola Präparat, ist ein Prodrug, welches vom Stoffwechsel in seine aktive Form GS-441524 überführt wird. Es verhindert die Replikation der RNA und damit die Virusvermehrung in der befallenen Zelle. Die ersten klinischen Untersuchungen haben bereits begonnen. In den mittlerweile weltweit laufenden Phase-III-Simple-Studien erwies sich, dass mit Dosierungen von 5 oder 10 mg Remdesivir als Zusatzbehandlung zur Standardtherapie mittelschwere und sogar schwere Verläufe mildern und sogar abkürzen können. Die ersten Ergebnisse dieser Studien wurden Ende April vorgestellt; eine peer-reviewte Publikation soll in Kürze erscheinen.
Bei einer Expertenbefragung Ende Januar 2020 wurde Remdesivir von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als aussichtsreichste Therapiemöglichkeit von COVID-19 bewertet. Am 1.Mai hat die FDA daher Remdesivir für den Notfallgebrauch (Compassionate Use) für Kinder und Erwachsene mit schweren Verlaufsformen zugelassen. Als schwere Verlaufsform wurde eine Sauerstoffsättigung von weniger als 95% bei Raumlauft oder eine erforderliche Sauerstofftherapie, eine erforderliche künstliche Beatmung oder eine erforderliche extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) definiert. Deutschland und das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) zogen nach, ebenso die europäische Arzneimittelagentur EMA und genehmigten das Compassionate Use Programm für beatmungspflichtige Patienten mit noch ausreichender Nierenfunktion.
Gleichzeitig wurde Remdesivir als Orphan Drug definiert – als Arzneimittel, das nur bei selten auftretenden Erkrankungen eingesetzt wird.
Fast täglich gibt es Meldungen über neue Medikamente, neue Kombinationen oder bereits bekannte Mittel, die den Weg des Off Label Use (die Indikation steht nicht im Beipackzettel) beschreiten. Um zugelassen zu werden muss die Wirksamkeit und Verträglichkeit belegt werden, nicht nur im Labor, sondern auch in klinischen Studien. Und dazu gehört auch die Bewertungen und Untersuchung von kritischen Nebenwirkungen – den Serious Advers Events.
Je länger die COVID-Pandemie anhält, umso mehr lernen Ärzte und Forscher über das Virus und müssen entsetzt feststellen, dass außer der Lunge fast alle Organe und Organsysteme befallen werden können. Bei Gerinnungsstörungen werden nun Gerinnungshemmern mit unterschiedlichen Angriffspunkten verabreicht, zur Stabilisierung der kardialen Funktion bekommen die Patienten Herzmedikamente aus der Klasse der Sartane (Valsartan, Losartan, Candesartan). Es wird jedoch versucht, ACE-Hemmer nach Möglichkeit auszuschließen, weil diese offensichtlich ein Vehikel für unser Virus sein können. Zunächst wird aber versucht, die Lungenfunktion zu stabilisieren. Dafür wird an der Uni Wien neuerdings ein synthetisches Peptid, Solmatide, zur Behandlung des ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome, akutes Lungenversagen) eingesetzt. Momentan wird in einer Studie mit 40 Patienten geprüft, ob mit Solmatide die ganz schweren Verläufe bei COVID-19 abgemildert werden können.
Und wo nach Medikamenten gesucht wird, sind heutzutage auch Computer beteiligt. Bei Innoplexus in Eschborn wird mit datenbasierten Ansätzen das beste Mittel, bei einer Erkrankung, in diesem COVID-19 zu finden.
Die Freie Universität Berlin hat zusammen mit der Technischen Universität Berlin eine Plattform entwickelt, VirtualFlow, auf welcher nach potentiellen Wirkstoffen gesucht wird, die bei Corona die Proteine blockieren könnten.
Wie schon erwähnt, es wird mit Hochdruck, weltweit gesucht, und jeder möchte natürlich der erste sein, der das ultimative Medikament oder die ultimative Kombination findet, damit wir dieses so komplexe Virus bekämpfen können. Zu den vielen Meldungen über neue Entdeckungen, gibt es leider auch viele negative Informationen, weil die eine oder andere Studie, die die Wirksamkeit bestätigen sollte, nicht die Ergebnisse gezeigt hat, die man sich erhoffte. Solchen Therapy Failures, Therapieversager, werden wir in der nächsten Zeit immer wieder begegnen. Aber die Arbeit geht weiter und ich schließe mit dem großen römischen Dichter Ovid, der in Tomis am Schwarzen Meer ganz allein seine letzten Tage verbringen musste.
Es ist die Hoffnung, die den schiffbrüchigen Matrosen mitten im Meer veranlasst, mit seinen Armen zu rudern, obwohl kein Land in Sicht ist.
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