Über den Pfarrer Sebastian Kneipp und seine Wasserkuren sind nicht nur Unmengen von Büchern geschrieben worden, sondern werden auch immer noch Doktorarbeiten verfaßt, Seminare und Vorträge in unzähliger Zahl abgehalten. Ganze Generationen haben seit der medizinischen Anerkennung dieser Kurform wassergetreten und die von Pfarrer Kneipp (1821–1897) propagierten Anwendungen an sich selbst durchgeführt.
Die Heilkraft des Wasser wird aber nicht erst seit Sebastian Kneipp gepriesen. die erste systematisch betriebene Wasserheilkunde finden wir bei Hippokrates, die aber schon fünf Jahrhunderte später wieder in Vergessenheit geriet. Mitte des 18. Jh. verhalfen drei Ärzte, der schlesische Arzt Hahn und seine Söhne, der Wasserheilkunde zur Wiedergeburt. Hufeland von der Berliner Charité trat 1797 mit einem Buch über die Heilkraft des Wassers an die Öffentlichkeit. Und zu Beginn des 19. Jh. nahmen sich medizinische Laien der Wassertherapie an. So der Landwirt Prießnitz, der so manches Leiden mit feuchten, kalten Wickeln heilte und als »Wasserdoktor« verehrt wurde. Einem anderen Laien blieb es vorbehalten, die moderne Wasserheilkunde zu begründen. Als Theologiestudent an Tuberkulose erkrankt, sah sich Kneipp von der Schulmedizin aufgegeben, da fiel ihm das Buch des Arztes Dr. Johann Siegmund Hahn mit dem Titel »Unterricht von Krafft und Würkung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen, besonders der Kranken bey dessen innerlichen und äußerlichen Gebrauch« in die Hand. Kneipp hatte nicht mehr viel zu verlieren, aber alles zu gewinnen und so erprobte er die darin enthaltenen Vorschläge an sich selbst. Mit großem Erfolg, wie man weiß.
Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Kneippkur ist, daß der Körper eine gesunde Naturwärme aufgespeichert hat. Diese erreicht man am leichtesten durch Bettruhe oder leichte Bewegung. Nach der Wasseranwendung wird die Haut durch erneute Bettwärme oder Spazierengehen getrocknet, lediglich jene Körperpartien werden abgetrocknet, die der Luft ausgesetzt bleiben (z. B. Kopf, Hände).
Heilwaschungen, bei denen auf die Haut des Patienten eine dünne, gleichmäßig verteilte Wasserschicht aufgebracht wird, bilden sozusagen die erste Stufe der Kneippschen Wassertherapie. Heilwaschungen werden aufgeteilt in Ganzkörperwaschungen und Teilwaschungen.
In der Kur kommen vor allem Bäder, unterteilt in einfache, an- und absteigende und Wechselbäder, zur Anwendung. Diese können kalt (bis 18 Grad Celsius), temperiert (bis 22 Grad Celsius), warm (bis 38 Grad Celsius) oder heiß (bis 45 Grad Celsius), mit oder ohne Kräuterzusätze genommen werden. Vor allem die Wechselbäder sind für ihre gesundheitsfördernde Wirkung bekannt . Auf ein drei bis fünf Minuten dauerndes Warmbad (37 bis 39 Grad Celsius) folgt ein nur zehn bis 20 Sekunden dauerndes naturkaltes Bad, wobei der Wechsel zwischen den Temperaturen unmittelbar, d. h. ohne Unterbrechung, erfolgen muß. Diesen Wechsel zwischen warm und kalt wiederholt man in der Regel dreimal. Man beginnt stets mit warm und endet immer mit kalt. Der Körper wird nicht abgetrocknet, sondern das Wasser nur mit der Hand leicht abgestreift, wichtig ist die Nachwärme durch Bewegung oder Bettruhe.
Schon früh begann Pfarrer Kneipp seinen Bädern Zusätze, in der Regel Heilkräuter, beizumengen, da diese eine zusätzliche Heilwirkung erzielen.
Charakteristisch für die Kneippkur sind die Wassergüsse, die als einfache oder Blitzgüsse verabreicht werden, sowie das Wassertreten, Taulaufen und Barfußgehen.
Wickel besitzen nach der Kneippschen Theorie die Eigenschaft, dem Körper Wärme zu entziehen bzw. diese zu erzeugen, oder aber einen gewünschten Schweißausbruch herbeizuführen.
Wickel werden nicht nur mit den bereits gelisteten Heilkräutern, sondern können auch mit Zusätzen von Eichenrinde, Essig oder Lehm angereichert werden. Eine Abart der Wickel stellen die Auflagen und Kompressen dar, die nur einen ganz bestimmten Körperteil erfassen und daher auch nur eine eng begrenzte Wirkung zeitigen.
Weitere Mittel sind der Heusack oder die Heublumenpackungen, die an fast allen Körperstellen aufgelegt werden können. Ebenso kommen Lehmpflaster und die Quarkauflagen zur Anwendung. Bei der Wasserdampfanwendung wird vor allem auf schweißtreibende Wirkung gesetzt, die den Körper von Krankheitsgiften und Stoffwechselschlacken befreien soll.
Die Heilkraft von heißen Quellen ist rund um den Erdball bekannt; sie erfreuten sich bereits in der Antike regem Zuspruch. Die warmen Mineralbäder wirken in erster Linie beruhigend und entspannend auf den Körper.
Wasser kann aber auch gesundheitsschädigend sein, dann nämlich, wenn es schädliche Chemikalien wie Chlor, Chlorverbindungen oder Fluor enthält. Grundsätzlich sollte dem Körper nur völlig naturreines Wasser zugeführt werden. Dieses erhalten wir jedoch nicht aus der Wasserleitung und auch nicht aus frisch sprudelnden Quellen, sondern durch Destillation. Im Gegensatz zu dem in der Regel schadstoffbelasteten, und zusätzlich aus anorganischen und organischen Mineralstoffen bestehende Wasser aus der Wasserleitung, besteht dampfdestilliertes Wasser nur aus Wasserstoff und Sauerstoff, ist also rein im wahrsten Sinne des Wortes. Es darf allerdings nicht mit weichem, gefiltertem oder ionisiertem Wasser verwechselt werden.
»Reines« Wasser können wir aber auch in Form von frischem, organisch gezogenem Obst und Gemüse genießen. Doch wo findet man das heutzutage wirklich? In der Regel kann man den Weg von Obst und Gemüse nur in den allerseltensten Fällen zum Erzeuger zurückverfolgen, und auch wenn dies gewährleistet ist, so wissen wir doch immer noch wenig über die wirkliche Beschaffenheit des Bodens, auf dem Obst und Gemüse angebaut wurden, und noch weniger über die Luft, der Obst und Gemüse während des Wachsens ausgesetzt waren.
Dreimal kaltes Wasser für Rumpf, Arme und Beine: Der Morgen startet mit einer Oberkörperwaschung mit 16 bis18°C kaltem Wasser, zusätzlich kann desinfizierender Essig zugegeben werden (4 EL auf 1 Liter Wasser). Den Rücken erreicht man gut mit einem nassen Handtuch. Nachmittags folgt ein belebendes Armbad: einfach Spül- oder Waschbecken mit 16-18°C kaltem Wasser füllen und die Arme bis über die Ellbogen ca. 20 Sekunden lang eintauchen. Dann das Wasser abstreifen und trocknen lassen. Dabei die Arme bewegen, zum Beispiel Zahlen in die Luft schreiben. Den Tag beschließt beruhigendes Wassertreten, am besten direkt vorm Zubettgehen. Dazu einen Farbeimer oder ähnliches bis zur halben Wadenhöhe mit 16-18°C kaltem Wasser füllen und eine Minute lang wie ein Storch auf- und abtreten. Dann das Wasser abstreifen und ab ins Bett. Bitte immer beachten: Der Körper muss warm sein, bevor man mit den Kaltwasserreizen beginnt.
Tipp für müde Home-Office-Augen: Geöffnete Augen 10 bis 20 Sekunden in eine Schüssel mit kaltem Wasser halten, dabei hin- und her rollen und mit den Lidern klappern. Das hilft gegen übermüdete Augen, aber auch bei Heuschnupfen-Beschwerden und für die Abwehrkräfte der oberen Atemwege.
Barfüßig durchs Zimmer: Stellen Sie sich im Bad in den wassergefüllten Wassereimer, steigen Sie dann auf ein Handtuch daneben und gehen Sie dann so lange barfuß durch die Wohnung, bis die Füße trocken sind.
INFO: Das Allgäuer Städtchen Bad Wörishofen, wo Pfarrer Sebastian Kneipp vor 150 Jahren seine Naturheillehre begründete, steht bis heute ganz im Zeichen dieser Gesundheitsidee. Mehr über die Kneipp-Therapie und die bayerische Kneipp-Heilbäder findet man unter Gesundes Bayern.
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