Das Besondere an Kneipp’schen Güssen liegt darin, daß durch einen gebundenen, fast drucklosen Wasserstrahl, wie er früher aus der Gießkanne kam, ein thermischer Reiz, ohne mechanische Irritation ausgeübt wird. Zwischen Schlauchmündung und der Haut sollen etwa 12–15 cm Entfernung sein. Es eignet sich dafür hervorragend der Duschschlauch, bei dem der Brausekopf abgeschraubt wird.
Zur Überprüfung des richtigen Wasserdrucks hält man den ca. 2 cm dicken Schlauch aufrecht. Der Strahl soll etwa 4 Querfinger hoch heraussprudeln. Beim Gießen hält man den Zeigefinger leicht an den Strahl, um ständig die Temperatur des Wassers zu kontrollieren.
Die Wassertemperatur liegt beim kalten Guß um 10°–12°C, beim temperierten um 20°C und beim heißen um 40°C. Bei Wechselgüssen liegt die Temperatur des warmen Wassers bei 38°C, die des kalten Wassers bei 10–16°C.
Die Dauer des kalten Gusses beträgt im allgemeinen 40–60 sec. Während der Kur bestimmt der Bademeister die Dauer des Gusses. In der Selbstanwendung achtet man auf gute Verträglichkeit. Die Dauer des Gusses richtet sich nach der Reaktion: Der Guß wird so lange fortgesetzt, bis eine deutliche Rötung der begossenen Hautpartien zu erkennen ist. Beim Wechselguß dauert der Warmwasserguß 1–2 min., der Kaltwasserguß ca. 20 sec. Warm beginnen, dann kalt, wieder warm und abschließend kalt.
Vor dem Guß sollte man die nötige Körperwärme besitzen. Auf vollen Magen sollten die Anwendungen nicht erfolgen. Während des kalten Gusses tief atmen.
Nach dem Guß die Haut nicht abtrocknen, um mechanische Reizung zu vermeiden. Das Wasser lediglich mit den Händen abstreifen und den Körper sofort mit Kleidung bedecken. Nach dem Anziehen muß durch Bewegung, am besten durch schnelles Gehen, die Durchblutung angeregt werden.
Vom Duschschlauch den Brausekopf abschrauben, ein Handtuch um den Hals legen und nach vorne über die Badewanne beugen. Nun den Wasserstrahl von der rechten Schläfe über die Stirn zur linken Schläfe führen und wieder zurück, nun an der rechten Gesichtshälfte dreimal auf- und abfahren und anschließend an der linken. Anschließend das gesamte Gesicht mit dem Wasserstrahl dreimal umkreisen. Wichtig: Zwischendurch langsam durch den Mund ein- und ausatmen. Nach dem Guß Gesicht nur leicht abtupfen.
Der Gesichtsguß – der mehrmals am Tag ausgeführt werden kann – wird in der Kneipp-Therapie auch als “Schönheitsguß” bezeichnet. Er fördert die Durchblutung und den Stoffwechsel der Haut, erhöht deren Spannkraft und Elastizität. Der Gesichtsguß hat bemerkenswerte Wirkungen auf überanstrengte Augen, Nebenhöhlen und Nasenschleimhäute.
Man beginnt an den Zehen des rechten Fußes, führt den Wasserstrahl über den Fußrücken zur Ferse, von dort an der Wade hoch bis handbreit über die Kniekehle. Dort etwa 5 sec. verweilen und darauf achten, daß das Wasser wie ein Mantel – möglichst ohne zu spritzen – die ganze Wade bedeckt. Dann führt man den Wasserstrahl an der Innenseite wieder zurück zur Ferse. Dasselbe am linken Bein.
Danach wieder am rechten Bein beginnen. Diesmal an der Vorderseite bis handbreit über die Kniescheibe. Nach 5 sec. auf der anderen Schienbeinseite wieder nach unten. Dasselbe am linken Bein. Zum Schluß beide Fußsohlen kurz abgießen.
Die Beine nicht abtrocknen, sondern nur das Wasser mit den Händen abstreifen, Strümpfe anziehen und durch Gymnastik oder Spazierengehen die Durchblutung wieder anregen, bis ein angenehmes Wärmegefühl eintritt.
Der Knieguß gehört trotz seiner kleinen Fläche zu den wirksamen Anwendungen, da die Kälte stärker und einschneidender erscheint als bei den großen Güssen. Der Knieguß eignet sich als Training und Abhärtung bei Neigung zu kalten Füßen. Hier gilt besonders, daß die Anwendung des kalten Kniegusses nur bei warmen Füßen erfolgen darf. Günstig ist der kalte Knieguß auch bei venösen Durchblutungsstörungen und Krampfadern. Bei Durchblutungsstörungen (Raucherbein) ist ärztliche Beratung angezeigt.
Beginn am Fußrücken des rechten Fußes, dann zur Ferse, langsam an der Außenseite des rechten Beines hoch bis zum Gesäßmuskel und dort 5 sec. lang bleiben. An der Innenseite des rechten Beines wieder zurück zur Ferse. Am linken Bein in gleicher Weise bis zum Becken und dort 5 sec. unter leichter Hin- und Herbewegung des Schlauches bleiben. Anschließend ohne nach unten zu gehen 5 sec. am rechten Gesäßmuskel, dann 5 sec. am linken Gesäßmuskel verweilen. Anschließend an der Innenseite des linken Beines zurück zur Ferse. Nun an der Vorderseite des rechten Beines hoch zur Leistenbeuge, dort 5 sec. bleiben, dann 5 sec. an der rechten Leistenbeuge und wieder 5 sec. an der linken Leistenbeuge bleiben. Dann am linken Bein innen zurück zur Ferse. Zum Abschluß beide Fußsohlen kurz abgießen.
Der Schenkelguß ist ähnlich wie der Knieguß hilfreich bei kalten Füßen oder Krampfadern. Er ist bei Personen mit Kniegelenkbeschwerden oft besser geeignet als der Knieguß. Bei Erkrankungen im kleinen Becken und oder bei Hüftarthrose sollte ärztlicher Rat eingeholt werden. Beachten Sie bitte: kalte Güsse nur am warmen Körper vornehmen.
Am besten stellt man sich vor die Badewanne und beugt dabei den Oberkörper nach vorne. Auf dem Wannenrand abstützen. Am Handrücken des rechten Armes beginnen, am Arm hoch bis zur Schulter, an der Innenseite wieder abwärts.
Am linken Arm wird der Guß in gleicher Weise durchgeführt.
Nun das Ganze zunächst an der Innenseite des rechten Armes wiederholen und anschließend an der Innenseite des linken Armes.
Bei Herz oder Lungenerkrankungen sollte der Arzt befragt werden, da hier evtl. durch die vornübergebeugte Haltung leichte Herzbeschwerden oder Stauungsbeschwerden auftreten können.
Man beugt sich wieder über die Badewanne und beginnt am Handrücken des rechten Armes, führt den Wasserstrahl bis zum Schultergelenk hoch und geht an der Innenseite des Armes wieder abwärts. Danach hält man das Schlauchende aufwärts und geht an der Innenseite des linken Armes hoch bis zur Achselhöhle. Von hier langsam auf die Brust gehen und dort drei achterförmige Schleifen gießen. Dann am linken Arm abwärts zur Hand.
Bei Herz- oder Lungenerkrankungen sollte der Arzt befragt werden, da hier evtl. durch die vornübergebeugte Haltung leichte Herzbeschwerden oder Stauungsbeschwerden auftreten können.
Am leichtesten durchzuführen ist der Vollguß mit einer Hilfsperson. Man beginnt am rechten Fuß, geht mit dem Wasserstrahl bis zum Gesäß hoch und an der Innenseite des rechten Beines abwärts; am linken Fuß aufwärts und dann am rechten Arm hoch bis zum Schulterblatt. Dort bleiben und den Schlauch so halten, daß 2/3 des Wassers am Rücken und 1/3 an der Brust herabfließt.
Man wechselt dann, indem man an der rechten Seite des Rückens abwärts geht bis unterhalb des Gesäßes und den Strahl am linken Arm hochführt bis zum Schulterblatt. Dort wieder 2/3 des Wassers am Rücken und 1/3 an der Brust herunterfließen lassen. Der Wechsel vom linken Schulterblatt zum rechten vollzieht sich jetzt über den Nacken. Nach zweimaligem Wechsel geht man an der linken Seite abwärts bis zum Fuß.
Nun beginnt man wieder am rechten Fußrücken, geht an der Außenseite hoch und an der Innenseite hinab, dann am linken Bein genauso hoch bis zur Leistenbeuge, wechselt aber Mitte des Oberschenkels zur rechten Hand, von dort aufwärts bis zur Schlüsselbeingegend, von wo aus man jetzt nun umgekehrt 2/3 über die Brust und 1/3 über den Rücken abfließen läßt. Man geht nun über Brust und Bauch bis Mitte Oberschenkel, wechselt nach links und geht über die linke Hand zur linken Schlüsselbeingegend. Von dort läßt man wieder das Wasser 2/3 über die Brust und 1/3 über den Rücken herabfließen; nun wechselt man über das Brustbein von einer Seite zur anderen. Schließlich geht man an der linken Seite und am linken Bein abwärts.
Der Vollguß ist eine stärker belastende Maßnahme und wird erst nach Gewöhnung an kleine Güsse entsprechend kreislaufstabilen Personen empfohlen.
Der Vollguß kann auch gut allein gehandhabt werden, wobei die Rückenbegießung durch hochhalten des Schlauches erreicht wird. Der Wechselvollguß beginnt stets mit dem warmen und hört nach zweimaligem Wechsel mit dem kalten Guß auf.
Kneippkur
Sebastian Kneipp
Heilwasser