Die altgriechische Formel „Panta rhei“ bedeutet so viel wie „alles fließt“. Damit beschrieben die Philosophen den steten Wandel und das Wechselspiel von Vergänglichkeit und Erneuerung. Eine aktuelle Arbeit verleiht diesem Zusammenhang ganz neue Bedeutung: Die Forschenden um Prof. Dr. Magdalena Götz fanden nämlich heraus, dass der Fluss der Gehirnflüssigkeit zur Erneuerung von Stammzellen führen kann.
„Neuronale Stammzellen im Gehirn können sich teilen und zu Nervenzellen weiterentwickeln und diese Neubildung von Nervenzellen ist wichtig für die Gehirnfunktion“, erklärt Magdalena Götz, Direktorin des Instituts für Stammzellforschung am Helmholtz Zentrum München sowie Lehrstuhlinhaberin des Instituts für Physiologische Genomik am Biomedizinischen Centrum der LMU. „Diese Zellen sitzen in der sogenannten Stammzellnische und eine davon ist an den seitlichen Wänden der Seitenventrikel.* Dort werden sie von der zirkulierenden Zerebrospinalflüssigkeit – umgangssprachlich auch Hirnwasser - umspült.“
Bisher nahm man an, dass vor allem darin enthaltene Signalmoleküle die Nervenentwicklung steuern. Götz und ihr Team um Erstautor Dr. David Petrik fanden aber nun in enger Zusammenarbeit mit Kollegen an der LMU (Prof. Grothe) und der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf heraus, dass auch die physikalischen Kräfte der Flüssigkeit die Stammzellen beeinflussen.
„Gesteuert wird das ganze durch das Molekül ENaC“, erklärt Petrik. Die Abkürzung steht für epithelialer Natriumkanal und beschreibt ein Kanalprotein auf der Zelloberfläche, durch das Natriumionen ins Innere hineinströmen können. „Im Versuchsmodell konnten wir zeigen, dass sich die Stammzellen nicht mehr teilen konnten, sobald ihnen ENaC fehlte. Umgekehrt fördert eine stärkere ENaC-Funktion die Teilung der Zellen, zum Beispiel wenn wir die Strömung der Flüssigkeit erhöhen.“
Weitere Tests ergaben, dass die Funktion von ENaC durch Scherkräfte gesteigert wurde, die durch das Hirnwasser auf die Zellen ausgeübt werden. Die mechanische Reizung führt zu einer verstärkten und längeren Öffnung des Kanalproteins und erlaubt so den Einstrom von Natriumionen in die Zelle, die dadurch in der Folge zur Teilung angeregt wird.
„Die Ergebnisse haben uns sehr überrascht, ENaC war bisher eigentlich nur für seine Funktionen in Nieren und Lunge bekannt“, so Studienleiterin Götz. Mit ihrem Team möchte sie nun diese Art von Mechanismus näher untersuchen und zudem klären, inwiefern die Erkenntnisse auch therapeutisch relevant sind. Denn bereits jetzt werden pharmakologische ENaC-Blocker zur Linderung bestimmter Arten von Bluthochdruck klinisch eingesetzt. Sie könnten auch die Stammzellen im Gehirn und somit die Hirnfunktion beeinflussen. Auch hier bleibt die Forschung im Fluss - Panta rhei…
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