Ich gebe zu, ich musste es zweimal lesen, ehe ich es glauben konnte. V-Steaming, (koreanisch Chai-yok, indisch yoni) soll nicht nur der Gesundheit dienen, sondern zudem noch zu neuen Lustgefühlen verhelfen. Auch deutsche Frauenzeitschriften, denen man ja bislang noch immer etwas mehr Verstand als ihren US-Pendants zugetraut hatte, versteigen sich in Voodoo-artigen Anweisungen mit genauem Aufbrühen von Heilpflanzen, dem Abkühlen derselben und sodann einfüllen ins Töpfchen (Bidet hat ja nicht jeder) und dem wohligen Gefühl, welches entsteht, wenn man sich dann, schön umhüllt von einer wärmenden Decke mit dem nackten (!) Unterkörper darauf niederlässt und der Dinge harrt, die geschehen, oder auch nicht. Und da die äußerst geschäftstüchtige Gwyneth Paltrow damit via eigener und vor allem Marketing reicher Webseite damit die Welt der Frauen beglückte, muss ja wohl was dran sein. Diese Frau weiß schließlich, wo es lang geht – vor allem aber weiß sie, womit sich Geld verdienen lässt: Mit den eigens dafür gezüchteten und vermutlich handgestreichelten Heilkräutern, die dann gerne mal das x-fache des Normalpreises kosten dürfen. Gut dafür steht dann aber auch nicht ihr Name auf dem Beutelchen. Das notwendigen „Thron“ dazu kann man natürlich auch erwerben – für schlappe € 90 aufwärts.
Da darf man sich als gestandene Frau schon mal fragen: „Echt Leute, geht’s noch?“. Fällt Euch wirklich nichts Dümmeres ein, als Uromas Blasenentzündungsrezept nun als Detoxing für die Vagina neu zu erfinden? Als junges Mädchen bekam ich den Rat im Winter nicht mit halbnacktem Unterkörper (das Wort String oder Tanga kannte man da noch nicht) herum zulaufen, weil ich sonst gar bald beim Pippi machen arge Schmerzen haben würde. Da ich meist nicht darauf hörte und Ende der 60er Jahre der Mini halt saucool war, brauchte ich Omas Zinnkraut häufiger (hilft immer, sogar meiner Tochter noch heute!). Kamille tut es auch, falls das Zinnkraut nicht greifbar sein sollte. Aber dass ich damit meine Lustgefühle steigern könnte, also darauf wäre ich selbst als nichts auslassender Teenager nicht gekommen.
Dass Wärme dem (weiblichen) unteren Bereich gut tut, dass warme Dämpfe bestimmter Heilkräuter sich als uralte Naturheilmittel bei Regelbeschwerden oder generell zur Reinigung des Intimbereichs und auch als Wohltat für die Gebärmutter, zum Beispiel nach einer Geburt, bewährt haben, ist vermutlich so alt wie die Menschheitsgeschichte. Und dieses Wissen wurde von Müttern an Töchter weitergegeben – meistens zumindest.
Was Oma und Mama immer noch für gut befinden, erscheint manchem Gynäkologen hingegen eher als nicht ungefährlicher Humbug. Gründe dafür gibt es gleich mehrere: So reinigt sich die Vagina (bei Frauen mit gesunder Scheidenflora) in aller Regel eigentlich ganz ohne Zutun von selbst, zum anderen sind beispielsweise zu heiße Dämpfe leider nicht ganz ungefährlich. Frauenärzte werden nicht müde davor zu warnen, dass man damit das Gleichgewicht von pH-Wert und Bakterien beeinträchtigen kann und Infektionen die Folge sein können. Zudem fehlen jegliche wissenschaftliche Beweise für einen gesundheitlichen Effekt. Gut, das gilt für viele Naturheilmittel, die trotzdem helfen – sollte man schon der Fairness halber nicht unerwähnt lassen.
Day-Spas, Beauty-Studios und zahlreiche weitere Anbieter im großen Wellness-Becken haben den Trend natürlich längst erkannt und, wer kann es ihnen verdenken, schlachten ihn auch entsprechend aus. Wer nun glaubt, er müsse diese Erfahrung auch machen, gut, dem steht nichts entgegen – aber bitte mit Vorsicht, vor allem bei der Temperatur. Nicht dass es Ihnen wie jener Frau ergeht, die nach dem V-Steaming mit Verbrennungen 2. Grades in die Klinik musste!
Weitere Informationen zum V-Steaming findet man im Internet zahlreich und auf YouTube darf man den VIP-Damen sogar dabei noch zuschauen. Viel Spaß dabei!
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