Aber nicht nur dieses Glücksgefühl kann eine bevorstehende Mahlzeit auslösen. Sondern auch das blutzuckerregulierende Hormon Insulin tritt bereits auf den Plan, bevor der erste Bissen zwischen unseren Zähnen gelandet ist. In Fachkreise spricht man dabei von “neuronal vermittelter (oder cephalischen) Phase der Insulinfreisetzung”.
Die Universität Basel berichtet nun über ein Forschungsergebnis, welches vor allem Diabetiker aufhorchen lassen wird. Denn noch ehe eine Mahlzeit in Form von Kohlenhydraten im Blut auftaucht, führen bereits deren Anblick und Geruch zur Freisetzung von Insulin. Dabei tritt, so die Forschenden, eine kurzzeitige Entzündungsreaktion auf. Und genau die braucht es, um Insulin freizusetzen. Das fatale dabei ist jedoch: Bei Übergewichtigen dagegen fällt diese Entzündungsreaktion so heftig aus, dass sie die Insulinausschüttung beeinträchtigt.
Bisher konnte man jedoch nicht sagen, wie aus Wahrnehmung von Essens-Geruch das Signal an die Bauchspeicheldrüse entsteht, die Insulinproduktion hochzufahren. Das Puzzlestück, so Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel. Es liegt nämlich in einem Entzündungsfaktor namens Interleukin-1 beta (IL-1 beta), der auch bei der Abwehrreaktion von Krankheitserregern oder bei Gewebeschäden beteiligt ist.
«Dass dieser Entzündungsfaktor bei Gesunden für einen erheblichen Anteil einer normal funktionierenden Insulinausschüttung verantwortlich ist, ist deshalb überraschend, weil er auch in die Entstehung von Typ-2-Diabetes involviert ist», erklärt Studienleiter Prof. Dr. Marc Donath.
Der Zuckerkrankheit Diabetes Typ 2 liegt eine chronische Entzündung zugrunde, die unter anderem die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse schädigt. Auch hierbei spielt IL-1 beta eine zentrale Rolle, das in diesem Fall übermässig produziert und ausgeschüttet wird. In wie weit sich Hemmstoffe gegen diesen Entzündungsfaktor als Therapie bei Diabetes eignen, wird derzeit in klinischen Studien geprüft.
Doch im Falle der neuronal vermittelten Insulinsekretion sieht es anders aus: «Geruch und Anblick einer Mahlzeit regen bestimmte Immunzellen im Hirn an, die sogenannten Mikroglia», sagt Studienautorin Dr. Sophia Wiedemann. «Diese schütten kurzfristig IL-1 beta aus, was wiederum über den Vagusnerv das vegetative Nervensystem anspricht.» Über dieses gelange das Signal dann an den Ort der Insulinausschüttung, die Bauchspeicheldrüse.
Bei Menschen mit starkem Übergewicht ist diese neuronal vermittelte Phase der Insulinausschüttung jedoch gestört. Der Grund liegt im Überschiessen der Entzündungsreaktion, die an ihrem Anfang stehe, erklärt Doktorandin Kelly Trimigliozzi, die zusammen mit Wiedemann den Hauptteil der Studie durchgeführt hat.
«Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass IL-1 beta eine wichtige Rolle spielt, um sensorische Informationen wie Anblick und Geruch einer Mahlzeit mit der anschliessenden neuronal vermittelten Insulinsekretion zu verknüpfen und diese Verbindung zu regulieren», fasst Marc Donath zusammen.
Quelle: PM der Universität Basel, 30.06. 2022