BioNTech und InstaDeep geben die Entwicklung einer neuen Berechnungsmethode bekannt, die weltweit verfügbare Sequenzierungsdaten analysiert und Hochrisikovarianten von SARS-CoV-2 vorhersagt. Das entwickelte Frühwarnsystem (Early Warning System, „EWS“) basiert auf von künstlicher Intelligenz (KI) berechneten Metriken zu Immunevasion und viraler Fitness.
Die neue Methode kombiniert die Strukturmodellierung des viralen Spike-Proteins mit KI-Algorithmen, um potenzielle Hochrisikovarianten innerhalb von weniger als einem Tag als solche zu erkennen. Dazu nutzt das System Informationen, die in SARS-CoV-2-Sequenzdatenbanken eingegeben werden. Die Berechnung geschieht auf der Grundlage von Metriken zur Bewertung der viralen Fitness sowie der Eigenschaften zur Immunevasion.
Während des Versuchszeitraums hat das System mehr als 90 % der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) identifizierten Virusvarianten im Durchschnitt zwei Monate im Voraus erkannt. Die von der WHO identifizierten Varianten Alpha, Beta, Gamma, Theta, Eta und Omikron wurden vom EWS noch in derselben Woche erkannt, in der ihre Sequenz erstmals hochgeladen wurde. Die Omikron-Variante wurde noch am selben Tag, an dem ihre Sequenz verfügbar wurde, als Hochrisikovariante eingestuft. Die in Frankreich beobachtete IHU-Variante wurde ebenfalls durch das EWS evaluiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Fähigkeit dieser Variante, das Immunsystem zu umgehen, ähnlich zur Omikron-Variante ist, dass sie aber eine deutlich geringere Fitness aufweist. Dies macht sie angesichts der aktuellen Daten weniger bedenklich.
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen, dass das EWS in der Lage ist, neue Varianten innerhalb von Minuten zu erkennen und ihr Risiko nahezu in Echtzeit zu überwachen. Außerdem ist es für neue Virusvariantendaten vollständig skalierbar.
Derzeit werden jede Woche mehr als 10.000 neue Sequenzvarianten entdeckt. Experten können diese komplexen Daten in diesem Umfang nicht mehr bewältigen. Zum ersten Mal können nun Hochrisikovarianten auf der Stelle erkannt werden, was Monate an wertvoller Zeit sparen kann.
In den vergangenen zwei Jahren hat sich gezeigt, dass die häufige und weite Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Teile seines Erbguts mutieren und sich dadurch seine Eigenschaften verändern können. Die derzeit bekannten Varianten weisen Mutationen auf, die sie von dem Anfang 2020 identifizierten, ursprünglichen Virusstamm unterscheiden. Allein im Spike-Protein wurden über 13.400 einzelne Missense-Mutationen beobachtet. Die verfügbaren Daten zeigen, dass die Geschwindigkeit, mit der jede Woche Tausende neue Varianten auftauchen, stetig ansteigt. Der Wochendurchschnitt stieg von etwa 300 registrierten Varianten im September 2020 auf 7.000 im August 2021 und 12.000 im Dezember 2021.
Während die meisten Mutationen entweder die allgemeine Fitness des Virus verringern oder keine Auswirkungen auf seine Eigenschaften haben, führen einige einzelne Mutationen oder Kombinationen von Mutationen zu Hochrisikovarianten (HRV) mit veränderten Fähigkeiten, um das Immunsystem zu umgehen und/oder verbesserter Übertragbarkeit. Eine Variante, die die Neutralisierung durch Antikörper umgehen kann, stellt dabei ein hohes Risiko für zuvor an COVID-19 erkrankte Personen und vollständig Geimpfte dar.