Nein, wir haben keinen Thriller aus der Zeit Johanna von Orleans gelesen, sondern den hochseriösen Bericht einer Forschungsinstitution. Dennoch konnten wir uns bei der Lektüre des Gefühls nicht erwehren, auf die Streckbank der Inquisition geführt zu werden. Doch bleiben wir seriös - was ein Online-Magazin wie gesundheit.com ja durchaus für sich in Anspruch nimmt. Auch dank unserer wissenschaftlichen Autoren!
Und so fasst unsere Autorin die Meldung zu einem Mikro-Gerüst im 3D-Druckverfahren für Zellen und dessen Bedeutung für die Wundheilung, folgendermaßen für unsere Leser zusammen:
“Während der Streckung findet auch eine Reorganisation des Aktin-Zytoskeletts statt. Als Reaktion auf die Dehnung werden zahlreiche Aktin-Stressfasern zwischen dern Ashäsionsstellen, gebildet, die die Zellkontur und das Zellzentrum verstärkten…”
Als ich diesen Artikel las, musste ich unwillkürlich an all die mittelalterlichen Foltermethoden denken, Streckbank, aufs Rad flechten, die eiserne Jungfrau – und noch einige mehr. Diese Folterinstrumente wurden benutzt um Abtrünnige zu bestrafen.
Aber was hat nun so ein „Folterinstrument“ mit den Zellen zu tun?
Zelluläre Prozesse, wie die Wundheilung oder die Entwicklung von Gewebe, werden durch die Umgebung, in welcher sich die Zellen befinden, beeinflusst. Biologische und chemische Stoffe dirigieren die Struktur und das Leben der Zellen. Aber auch physikalische Faktoren, wie Druck oder Zug sind an den Zellfunkionen beteiligt. Wie, das, haben Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Universität Heidelberg erarbeitet. Zellen wurden in winzigen Mikrogerüsten, die im 3D-Druckverfahren hergestellt wurden, an den Gerüstpfeilern verankert. Mit Hilfe einer speziellen Tinte, wird eine Hydrogel-Masse in das Innere dieses Skeletts gedruckt. Diese Masse dehnt sich aus und zieht die Pfeiler des Gerüsts, an welchen die Enden der Zellen hängen, auseinander. Die Zellen werden also, wie auf der mittelalterlichen Folterbank, gedehnt, gestreckt.
Die Forscher verwendeten Zellen von menschlichen Knochentumoren und embryonale Mäusezellen. Dem Zug von außen steuerten beide Zellarten aktiv entgegen mit sogenannten Motorproteinen. Motorproteine sind mit Hilfe von ATP (Adenosintriphosphat) für Bewegungen zuständig, und verschieben u.a. verschiedene Zellorganzellen. Während der Streckung findet auch eine Reorganisation des Aktin-Zytoskeletts statt. So können zahlreiche Aktin-Stressfasern zwischen den Adhäsionsstellen gebildet werden, die die Zellkontur und das Zellzentrum verstärkten.
Eine weitere entscheidende Rolle bei der Dehnung spielt das Protein NM2A (NonMuscle Myelin 2A). Wenn Zellen dieses Protein nicht bilden können, wie das bei genetisch veränderten Knochen-Tumorzellen der Fall ist, sind sie nicht in der Lage der äußeren Deformation entgegen zu wirken.
Wird die externe Streckung aufgehoben, so entspannen sich die Zellen und kehren innerhalb von 30 Minuten in den Ausgangszustand zurück. Wenn sich die Zellen nicht mehr erholen würden, wären sie nicht mehr in der Lage, ihre ursprüngliche Funktion – beispielsweise den Wundverschluss – zu erfüllen“, so Professor Martin Bastmeyer vom Zoologischen Institut des KIT.
Dieses Verhalten, nämlich Dehnung und Zurückfinden in den Ursprungszustand wenn der Druck endet, zeigt die Anpassungsfähigkeit der Zellen an eine dynamische Umgebung, was schließlich bei der Wundheilung und weiteren chirurgischen Prozessen von Bedeutung werden kann.
Originalpublikation: Marc Hippler, Kai Weißenbruch, Kai Richler, Enrico D. Lemma, Masaki Nakahata, Benjamin Richter, Christopher Barner-Kowollik, Yoshinori Takashima, Akira Harada, Eva Blasco, Martin Wegener, Motomu Tanaka, Martin Bastmeyer: Mechanical Stimulation of Single Cells by Reversible Host-Guest Interactions in 3D Micro-Scaffolds, Science Advances, 2020, DOI: 10.1126/sciadv.abc2648
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