Rollende Ferienheime, ob als Wohnmobil, Caravan oder Campingbus sind zweifelsohne die Gewinner der Corona-Pandemie. Bereits im November hat die Branche die Rekordmarke von 100.000 Freizeitfahrzeugen, also Wohnmobilen und Wohnwagen, erreicht. Das Jahr 2020 wird schon jetzt als Meilenstein in der Geschichte des Caravanings gesehen, die Erfolgswelle wurde nicht nur trotz, sondern vor allem wegen Corona ausgelöst. Trotz der Erfolge steckt die Branche in einem Dilemma, und zwar nicht nur in einem.
Während die Autobauer stöhnen und in diesem Jahr Absatzeinbrüche von bis zu 44 Prozent hinnehmen mussten, laufen die Bänder in der Caravaningbranche auf Hochtouren. Das Segment war das einzige, das in der Zulassungsstatistik kein Minus-Vorzeichen aufwies. Der Knaus-Tabbert-Konzern hat sich mit seinem Börsengang frisches Geld beschafft, um die Produktionskapazität auszuweiten und die Weiterentwicklung der Fahrzeuge voranzutreiben, die Hymer-Gruppe wird zum beinahe autonomen Hersteller, werden doch zumindest im Mutterhaus mittlerweile nicht mehr nur Aufbauten auf zugekaufte Chassis gesetzt, sondern die Fahrgestelle in eigener Regie produziert.
Dennoch gibt es ein Dilemma: Viele Kaufwillige sind ungeduldig und wollen die immer länger werdenden Lieferzeiten nicht hinnehmen. Auf manch ein Modell müssen sie bis zu 12 Monate warten. Die Gefahr besteht, dass sich eilige Kunden beim Konkurrenten bedienen, der schneller liefern kann. Will man diese Geschäfte also mitnehmen, heißt es, die Produktion hochzufahren. Allerdings gab es ähnliche Nachfragespitzen bereits in der Vergangenheit, bricht der Markt dann irgendwann ein, stehen die Unternehmen mit dem Rücken an der Wand und reifen zu Kandidaten für Übernahmen.
Kurz nach dem Düsseldorfer Caravan-Salon im September waren die Auftragsbücher bereits zu diesem Zeitpunkt gut gefüllt, die Jahresproduktion 2021 bereits verkauft. Selbst der November, ein Monat in dem der Branchenabsatz saisonal bedingt üblicherweise sinkt, war so erfolgreich wie nie zuvor. Innerhalb der vier Wochen des Spätherbstes wurden doppelt so viele Reisemobile verkauft wie im gleichen Monat des Vorjahres. 4523 Einheiten waren es, das entspricht einem Zuwachs von 116,1 Prozent. Insgesamt haben 2020 bisher 73.070 Kunden ihr fabrikneues Reisemobil in Empfang genommen, das macht eine Steigerung von 39,9 Prozent aus. Die Differenz zur Allzeit-Bestmarke von über 100.000 Fahrzeugen füllen die Wohnwagen, die mit 28.533 Einheiten um 6,4 Prozent zulegen konnten.
Kehrseite der Medaille sind u.a. die sich zeigenden immensen Schwierigkeiten bei den Stellplätzen. Es gibt aktuell etwas mehr als 3000 reguläre Campingplätze in Deutschland, diese bieten rund 224.000 Parzellen für Caravan oder Wohnmobile. Hinzu kommen etwa 4300 Reisemobil-Stellplätze – mit großen Unterschieden bei der Zahl der Stellflächen. Diese reichen von einem oder zwei Abstellflächen beim Winzer oder vor dem Bauernhof bis zu professionellen Feriencamps in den touristisch besonders attraktiven Regionen wie Ostsee oder Alpenvorland für mehr als 100 Fahrzeuge. Geht man von einem durchschnittlichen Angebot von zwölf Stellflächen je Wohnmobil-Camp aus, ergibt sich eine theoretische Gesamtzahl von 275.600 Übernachtungsplätzen für Reisemobilfahrer. Und das sind einfach zu wenig!
Denn ob der Aufschwung der Caravaning-Industrie beständig sein wird, hängt nicht nur, aber auch von der Infrastruktur für die Camper ab, insbesondere davon, wie sich das Angebot an Übernachtungsplätzen entwickeln wird.