Vegan ist derzeit nicht nur “in”, sondern längst auch in jedem Supermarkt präsent. Praktisch kein Tag, in dem man nicht über neue Fleisch- und Milchersatzprodukte informiert wird. Der Markt boomt und mit veganen Fleisch- und Milchalternativen wird in Europa mittlerweile ein jährlicher Umsatz von 1,7 Milliarden Euro erreicht.
Doch sind Veganer wirklich so gesundheitsbewusst, wie allgemein angenommen wird? Dieser Frage haben sich Forscher:innen des Zentrums für Public Health an der MedUni Wien angenommen und dazu das Ernährungsmuster und die Bewegungsverhalten von Veganer:innen untersucht. Befragt wurden 516 Personen, mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren, die zu Studienbeginn schon mindestens drei Monate vegan lebten. Das ernüchternde Resultat1 zeigt in vielen Fällen eine Diskrepanz zwischen Schein und Sein.
Veganer sind zwar überdurchschnittlich oft sportlich, doch der weit verbreitete Verzehr von industriell verarbeiteten Lebensmitteln in dieser Gruppe ist hingegen nicht als günstig für die Gesundheit einzustufen.
Die Antwort ist nicht so einfach, richtig wäre vielleicht eine JEIN. Denn es macht einen großen Unterschied, ob sich das Ernährungsmuster der Vegan:innen eher dem Convenience-Stil zuordnen lässt, oder tatsächlich ein „gesundheitsbewusstes“ Ernährungsmuster zeigt.
Immerhin mehr als die Hälfte, nämlich 53 %, sprechen als Veganer:innen eher dem Convenience-Stil zu. Das heißt konkret, sie zeichneten sich durch einen höheren Konsum von verarbeiteten Fisch- und Fleischalternativen, veganen pikanten Snacks, Soßen, Kuchen und anderen Süßigkeiten, Fertiggerichten, Fruchtsäften sowie raffinierten Getreidesorten aus. „Die negativen Auswirkungen von industriell verarbeiteten Lebensmitteln auf die Gesundheit sind inzwischen eindeutig in Studien bewiesen“, betont Maria Wakolbinger vom Forscherteam. „Bei hauptsächlichem Konsum von Fertignahrung ist für Menschen, die sich mit Mischkost ernähren, ein höheres Risiko für Gesamtsterblichkeit um 29 Prozent, Übergewicht bzw. Adipositas um bis zu 51 Prozent, Herz-Kreislauf Erkrankungen um 29 Prozent oder auch für Diabetes mellitus Typ 2 um 74 Prozent wissenschaftlich belegt.“
47 % der als gesundheitsbewusst eingestuften Veganer:innen aßen hingegen mehr Gemüse, Obst, Eiweiß- und Milchalternativen, Kartoffeln, Vollkornprodukte, pflanzliche Öle sowie Fette und kochten häufiger mit frischen Zutaten.
Wie die Antworten rund um die Ernährung zeigten, ist „vegan nicht per se mit ,gesund‘ gleichzusetzen“, unterstreicht Studienleiterin Maria Wakolbinger. So unbestritten der Nutzen von pflanzlich basierter Kost für die Gesundheit in der Wissenschaft mittlerweile ist, so sehr sei gerade auch in diesem Bereich der Grad der Verarbeitung der verzehrten Lebensmittel zu berücksichtigen. Ebenso erwiesen sich die vegan lebenden Studienteilnehmer heterogen auch in Hinblick auf das Bewegungsverhalten: „Das Bewegungsausmaß der Veganer:innen liegt zwar insgesamt höher als das der Durchschnittsbevölkerung in Österreich. Wie unsere Studie zeigte, betätigt sich die gesundheitsbewusste Gruppe aber signifikant mehr sportlich als jene Personen, die dem Convenience-Ernährungsmuster zuzuordnen sind“, verdeutlicht Erstautorin Sandra Haider.
Unter Veganismus versteht man eine Form der pflanzlichen Ernährung, in der im Gegensatz zum Vegetarismus auf alle Lebensmittel und Nebenprodukte tierischen Ursprungs verzichtet wird. Laut dem Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft leben in Deutschland rund 2 % aller Bürger vegan, in Österreich sind es auch etwa zwei Prozent. Die Schweiz und Liechtenstein geben rund 0,6 % an.
Als Pudding-Vegetarismus bezeichnet man die gesundheitlich ungünstige Varianten der vegetarischen Ernährung, bei der vor allem viel Süßes auf dem Speiseplan steht. „Entsprechend könnte man das von uns ermittelte Convenience-Ernährungsmuster durchaus als Pudding-Veganismus bezeichnen“, erklären Maria Wakolbinger und Sandra Haider.