Immer dann, wenn es gerade nicht viel zu berichten gibt, findet man in den bekannten Publikumsmedien Berichte zu den Alternativen Heilweisen. Diese werden seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert, Glaubenskriege bei Anhängern bestimmter Richtungen sind nicht selten. Und so jedes Jahr erneut die Diskussion ins Haus: Hilft die Alternative Medizin mit ihren zahlreichen Sparten oder hilft sie nicht? Der Spiegel weist z.B. seine Leser immer wieder einmal unmissverständlich darauf hin, dass alles was sich da so herumtreibt, blanker Humbug sei. Schon seit der zweiten Hälfte 2017 bringt das Politmagazin immer wieder redaktionelle Beiträge vor allem zum Thema Homöopathie1 und zitiert dazu gerne auch die ehemalige Homöopathin Natalie Grams, die vom Saulus zum Paulus wurde und nunmehr unverblümt gegen ihre einstige Kollegenschaft zu Felde zieht.
Doch Homöopathie ist nur eine der unzähligen Heilmethoden, welche alternativ zur Schulmedizin angeboten werden. Der weite, wissenschaftlich fundierte und auch in Deutschland an wissenschaftlichen Hochschulen gelehrte Bereich der Komplementärmedizin wird selten erwähnt. Auch wird häufig nicht differenziert zwischen relativ jungen, unstrukturiert gewachsenen New Age Theorien, Auswüchsen des sogenannten Schamanismus in seiner weltweit extrem diffusen Ausprägungen, oder andererseits seit vielen Jahrhunderten in einem klaren Regelkanon, mit etablierten Lehreinrichtungen, Lehrkodizes und Heilskundesystemen überlieferten Lehrsystemen wie Ayurveda oder TCM. Wenn man so will, kann man diese als ‚Schulmedizin‘ des Ostens begreifen – eine Rückbesinnung bzw. Wiederentdeckung dieser teils verschütteten und vom Westen ignorierten Methoden hat wenig mit Esoterik und viel mit der Aufgabe von kultureller Hegemonie zu tun.
Auch wenn die wissenschaftliche Studienlage bei vielen dieser Methoden dünn bis gar nicht vorhanden ist, so ist in Betracht zu ziehen: zum einen der Placebo-Effekt, welcher bei bestimmten Methoden nachweislich greift (zumindest am Anfang einer Behandlung). Zum anderen, dass auch die Schulmedizin nicht frei von Verblendungen, Vorurteilen und unseriöser Wissenschaft ist. Nicht umsonst wurde die Probiotik bzw. Makrobiotik über ein Jahrhundert lang als Schauplatz für Esoteriker belächelt – und bringt heute nicht nur innovative, hoch bewertete neue Unternehmen im Biotech- und Medtech Sektor hervor, sondern hat auch ihren Platz im medizinischen Regel-Lehrkanon erobert.
Die im Jahr 2018 erhobenen Datenanlaysen beziehen nicht nur die Verfahren, sondern auch jene Bildungsstätten mit ein, welche Weisheiten und Lehren des großen Spektrums der Alternativen Medizin im Volk verbreiten: Die Volkshochschulen (VHS), Bildungsstätten also, welche staatsfinanziert2 Erwachsenen all jenes Wissen vermitteln können, welches sie zu Schulzeiten versäumt haben.
33 Verfahren von Ayurveda bis Spagyrik hat Professor Edzard Ernst3 unter die Lupe genommen – das Resultat ist leider niederschmetternd. Mögen manche der alternativen Heilmethoden durchaus längst ihre Berechtigung erbracht haben, so muss bei jenen Therapieformen, die nachweislich nichts, aber auch gar nichts helfen, aber meist sehr viel Geld kosten und zudem der Gesundheit auch noch schaden können, doch die Frage erlaubt sein: Warum schiebt man, zumindest bei den VHS-Kursen, diesem Treiben keinen Riegel vor? Mindestens ebenso erschreckend ist die Tatsache, dass viele der Lehrenden an den VHS kaum oder wenig fundierte Ausbildung zu den von ihnen verbreiteten Lehren besitzen.
FOCUS, die Wochenpublikation, die seit längerem schon vor allem mit dem Ranking von Ärzten, Kliniken und Wellness-Institution auf sich aufmerksam macht, lässt gerne Professor Dieter Grönemeyer zum Thema Kräutergarten der Weltmedizin zu Wort kommen. Akribisch listet man darin auf, welche Pflanzen gut verträgliche Alternativen zu synthetischen Arzneimitteln darstellen. Von Cannabis bis zur Zaubernuss, gegen praktisch jedes Wehwehchen ist auch ein Kraut gewachsen. Das stimmt! Leider vergisst man in diesem Beitrag jedoch den Hinweis, dass nicht jede Pflanze harmlos ist, sondern mitunter erhebliche Nebenwirkungen bei Einnahme möglich sind. Wie dies allerdings bei den synthetisierten Arzneimitteln auch der Fall ist.
Im STERN widmete man sich über mehrere Seiten hinweg dem Thema SCHMERZBEHANDLUNG durch die Heilkräfte der Natur. Hierbei wird ausdrücklich auf die positiven Kombinationsmöglichkeiten von Schulmedizin und Naturheilkunde hingewiesen. DIE ZEIT versah im September 2018 eine Ausgabe mit einem Sonderheft ZEIT Doctor und darin wird die Frage gestellt: “Brauche ich das wirklich?” Denn lt. diesem Heft wimmelt es beim Thema Gesundheit nur noch von Versprechungen, die nicht eingehalten werden, Geschäftemachern und vor allem Patienten, die den Durchblick darob endgültig verloren haben.
In mancher Hinsicht mag vieles stimmen, teure Heilsverkünder, die primär sich selbst perfekt vermarkten, braucht kein Mensch. Aber eben nicht alles, was wissenschaftlich nicht beweisbar ist, muss deswegen schlecht sein. Wie sagte schon Paracelsus: Wer heilt hat recht!
Quellen: 1 „Homöopathie: Es gibt keine Krankheiten oder Beschwerden, bei denen Homöopathie belegter maßen besser hilft als ein Scheinmedikament (Placebo)“. (Donau Universität Krems/NÖ). / 2 Die Volkshochschulen werden zu rund 60 Prozent aus öffentlichen Geldern (Kommunen, Bundesländern, Bund und EU) finanziert./ 3 Edzard Ernst ist emeritierter Professor für Komplementärmedizin der Universität von Exeter in England