Billionen Bakterien besiedeln den Menschen – etwa auf der Haut, im Mund oder in den Atemwegen. Die weitaus meisten Mikroorganismen leben jedoch im Darm – vor allem im Dickdarm. Mit molekularbiologischen Verfahren können Mediziner inzwischen die Zusammensetzung dieser Darmflora detailliert untersuchen und die Funktionen einzelner Stämme klären. „Diese Untersuchungen zeigen zunehmend, wie wichtig diese Bakterien für den Erhalt der Gesundheit sind“, sagt Professor Dr. med. Stephan C. Bischoff, Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin an der Universität Hohenheim.
So deuten etliche Studien darauf hin, dass Störungen der Darmflora sowohl die Anfälligkeit für manche Allergien als auch die Neigung zu Übergewicht fördern. Kürzlich untersuchten Mediziner der Universität New York die Entwicklung von über 11 000 Kindern, die 1991 oder 1992 in der britischen Region Avon zur Welt kamen. Jene Kleinen, die während der ersten fünf Lebensmonate Antibiotika bekamen, hatten im Alter von zehn bis 20 Monaten im Verhältnis zu ihrer Größe mehr Gewicht als die übrigen Kinder. Und mit gut drei Jahren waren sie eher übergewichtig. Jene Kinder, die im Alter von sechs bis 14 Monaten Antibiotika bekamen, hatten allerdings kein erhöhtes Risiko für späteres Übergewicht. Im „International Journal of Obesity“ vermuten die Forscher, dass die Medikamente gerade im Säuglingsalter die Entwicklung der Darmflora verändern.
Umgekehrt scheint eine Veränderung der Darmflora auch Übergewicht und Krankheiten wie Diabetes Typ 2 zu bessern. Dies zeigt eine Studie aus den Niederlanden an Menschen mit dem metabolischen Syndrom. In deren Verdauungstrakt pflanzten Mediziner Darmbakterien ein, die von schlanken Spendern stammten. Sechs Wochen später hatte sich bei den Empfängern nicht nur die Darmflora verändert, sondern sie reagierten auch empfindlicher auf das Hormon Insulin, wie die Forscher in der Zeitschrift „Gastroenterology“ berichten. Das Nicht-Ansprechen auf Insulin ist Ursache der Stoffwechselkrankheit Diabetes Typ 2. Die Erklärung für dieses Ergebnis liegt vermutlich darin, dass sich die Darmbakterien bei dünnen und dicken Menschen unterscheiden. „Übergewichtige weisen zum Beispiel mehr sogenannte Firmicutes-Bakterien im Darm auf. Diese helfen, ansonsten kaum verdaubare Kohlenhydrate verdaubar zu machen, und steigern die Energiegewinnung“, erläutert der Mikrobiom-Forscher Bischoff.
„Je besser wir die Bedeutung und Eigenschaften der verschiedenen Darmbakterien kennen, desto gezielter können wir sie einsetzen, um die Gesundheit unserer Patienten zu fördern“, betont Professor Bischoff.
Weitere Informationen: www.viszeralmedizin.com; www.dgvs.de
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