Zwei Beiträge in der Fachzeitschrift PiD Psychotherapie im Dialog1 setzen sich gerade mit Corona und Krise auseinander. Beides ist im Moment nicht voneinander zu trennen. Die global grassierende Virus-Pandemie beeinflusst ja unser aller Leben, weder die wirtschaftlichen noch die politischen Dimensionen in der Gesellschaft sind derzeit absehbar. In der Psychologie bezeichnen Krisen jede Art von Veränderung oder Umbruch, für die dem Betroffenen zunächst eine Lösungsperspektive fehlt. Damit, welche Krisentypen und welche Bewältigungsstrategien es gibt, beschäftigen sich die Autoren H. Liebl und B. Brink. Die Erkenntnisse der beiden sind so interessant, dass wir sie unseren Lesern keinesfalls vorenthalten möchten.
Das Ende einer Beziehung, der Tod eines Angehörigen, eine schwere Erkrankung oder der Verlust des Arbeitsplatzes – es gibt eine Vielzahl von Auslösern, die einen Menschen in eine persönliche Krise stürzen können. “Der Betroffene fällt aus seiner Routine und findet sich in einer neuen Situation wieder, in der gewohnte Problemlösungsansätze plötzlich nicht mehr hilfreich sind”, erklärt Dr. Diplom-Psychologe Hans Lieb aus Edenkoben. Die Herausforderung sei dann, eine neue Balance zu finden und letztlich zu einer neuen Normalität zu gelangen.
Mit dieser Herausforderung gehen die Menschen jedoch sehr unterschiedlich um. Gemeinsam mit Diplom-Psychologin Barbara Brink vom Institut für Familientherapie in Weinheim, hat Lieb fünf Krisenbewältigungstypen ausgemacht, die sich im Umgang mit krisenhaften Situationen und der Suche nach einem Ausweg deutlich unterscheiden.
Der schnelle Handler etwa begegnet der Krise mit rascher, aktiver Problemlösung und trifft schnell Entscheidungen. Dabei vertraut er am liebsten auf sich selbst, nimmt ungern Hilfe an und läuft Gefahr, über das sinnvolle Maß hinaus in Aktionismus zu verfallen.
Der Nebler hingegen geht ganz anders mit der Situation um: Er vermeidet Entscheidungen, möchte sich nicht festlegen (lassen) und ist innerlich zerrissen. “Damit verwirrt er nicht nur andere, sondern auch sich selbst”, haben Brink und Lieb beobachtet. Auf der anderen Seite lassen Nebler sich Zeit für wichtige Differenzierungen und schützen sich so vor übereilten Entscheidungen.
In ähnlicher Weise sind auch die drei übrigen Bewältigungstypen mit Stärken und Ressourcen, aber auch mit Schwächen verbunden.
Einsame Wölfe etwa ziehen sich in Krisen eher zurück und verlassen sich vor allem auf sich selbst, während
chronisch Kriselnde dagegen sich praktisch ständig im Krisenmodus befinden und andere daran ausgiebig teilhaben lassen.
Wisser und Vergesser schließlich haben in ihrem Leben schon viele Krisen gut gemeistert, fühlen sich in der akuten Situation aber trotzdem hilflos.
Die beiden Therapeuten weisen ausdrücklich darauf hin, dass man auf jeden dieser Bewältigungsstile oder individuelle Mischformen in der Therapie angemessen reagieren und darin enthaltenen Lösungsansätze und Ressourcen zu nutzen sollte. Auch für die Betroffenen sei es hilfreich, sich die eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu machen und sich gleichzeitig die Ressourcen der anderen Bewältigungsstile vor Augen zu führen. “Eine flexible und gute Krisenbewältigung speist sich letztlich aus den Ressourcen aller fünf Stile”, so die Autoren. “Auf dem Weg, uns diese Ressourcen zu erschließen, sind wir alle – immer wieder und ein Leben lang.”
Quellen: H. Lieb, B. Brink: Krisenbewältigungsstile: Merkmale, Erlebensweisen, therapeutische Konsequenzen PiD Psychotherapie im Dialog 2020; 21 (1); S. 89–93 / H. Lieb: Krisen: Merkmale, Varianten, Bewältigung PiD Psychotherapie im Dialog 2020; 21 (1); S. 25–32 ↩