15,7 Millionen Stubentiger leben allein in Deutschland. Geliebt, gehätschelt und, ja, auch vermenschlicht. Sind sie doch oft der einzige Bezugspunkt den ein Mensch noch hat. Keine Frage also, Katzen sind äußerst beliebt und wer den geliebten Vierbeiner einer Tat beschuldigt, muss sich warm anziehen. Dennoch hat die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover nun die Behauptung aufgestellt, dass rund vier Prozent aller Hauskatzen in Europa eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 bereits durchgemacht haben. Und erkrankte Katzen scheiden das Virus aus. Ob sie damit aber Menschen auch anstecken können, darauf gibt es bislag aber keine Hinweise. Und auch nicht darauf, dass sie zur Ausbreitung des neuen Coronavirus beitragen.
Wie man herausgefunden hat, können sich Hauskatzen durchaus mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren. Und bei rund vier Prozent aller Hauskatzen gab es während der ersten Infektionswelle im Frühjahr bis in den Sommer 2020 auch eine Ansteckung, höchst wahrscheinlich über ihre BesitzerInnen. Diesen Befund veröffentlichten deutsche und niederländische Forschende unter der Leitung von Professor Dr. Albert Osterhaus von der Stiftung Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo), im jetzt im Journal Emerging Infectious Diseases der amerikanischen Centers for Disease Control. In ihrer Studie wurde von den Forschern ein Labortest erprobt, der in allen tierärztlichen Labors eingesetzt werden kann.
5,7 Millionen Katzen allein in Deutschland können sich mit dem SARS-CoV-2 anstecken Doch werden sie auch krank? Und wie tragen sie zum Infektionsgeschehen bei?
Die Studie des Research Center for Emerging Infections and Zoonoses an der TiHo bietet einen guten Überblick nicht nur über Deutschland, sondern über ganz Europa. Für die Studie analysierten das Forscher-Team insgesamt 2.160 Blutproben von Katzen aus Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Italien und Spanien – genug aus jedem Land, um eine realistische Einschätzung der Verbreitung des Virus zu erlauben, wie die AutorInnen feststellen.
Die Blutproben der Tiere stammten aus einem diagnostischen Labor, an das sie aus verschiedenen Gründen unabhängig von Corona geschickt worden waren. Um die Antikörper nachzuweisen, die nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion im Blut vorkommen, nutzten die Forschenden zwei verschiedene Methoden. Der etablierte Virus-Neutralisationstest kann nur in Laboren der biologischen Sicherheitsstufe 3 durchgeführt werden. Osterhaus’ Labor verglich die Ergebnisse des Neutralisationstests mit einer Nachweismethode, bei der nur der Hauptteil des Spikeproteins des Virus eingesetzt wird. „Jedes veterinärmedizinische Labor kann diese Tests durchführen“, erklärt der Leiter der Studie. Und der Test erwies sich als ähnlich empfindlich und spezifisch wie der aufwendigere Neutralisationstest.
Insgesamt fanden die TiHo-Forschenden in 4,4 Prozent aller Blutproben SARS-CoV-2 spezifische Antikörper; dabei war der Anteil der positiv getesteten Katzen in Spanien mit 6,4 Prozent am höchsten und in Großbritannien mit 3,3 Prozent am niedrigsten. 4,2 Prozent der Proben aus Deutschland enthielten SARS-CoV-2 spezifische Antikörper. „Das ist erstmal eine Zahl“, sagt Virologe Osterhaus. „Nicht viel, nicht wenig.“ Er geht davon aus, dass die Katzen sich ausschließlich bei Menschen angesteckt haben: „In dieser frühen Phase der Pandemie waren Menschen die einzig denkbare Infektionsquelle.“
Die gute Nachricht lautet: Obwohl erkrankte Katzen das Virus ausscheiden, gebe es bisher keine Hinweise darauf, dass sie Menschen anstecken und zur Ausbreitung des neuen Coronavirus beitragen. „Wir müssen trotzdem wachsam sein“, mahnt Professor Osterhaus. Das zeigten schon die explosionsartigen Anstiege des Coronavirus bei Nerzen, wenn die Bedingungen dafür günstig sind. „Unsere Hauskatzen leben natürlich nicht in engen Käfigen wie Zuchtnerze“, sagt Osterhaus. „Aber viele Katzenhalter pflegen einen sehr engen und vertrauten Umgang mit ihren Tieren.“ Das sei vermutlich auch einer der Gründe für die vergleichsweise niedrigere Zahl infizierter Hunde, die andere wissenschaftliche Studien beschreiben.
„Wir hätten unsere Ergebnisse gern mit dem Infektionsstatus der Tierbesitzer korreliert“, sagt Osterhaus, „um abschätzen zu können, wie hoch das Risiko ist, dass im Haushalt lebende Katzen sich bei infizierten Menschen mit SARS-CoV-2 anstecken. Diese Daten standen uns leider nicht zur Verfügung.“ TiHo-Virologin Claudia Schulz, Erstautorin des Artikels, weiter: „Vergleiche mit Ergebnissen aus wissenschaftlichen Feldstudien zu SARS-CoV-2 spezifischen Antikörpern beim Menschen, beispielsweise aus Spanien, deuten jedoch auf einen Zusammenhang mit dem Prozentsatz SARS-CoV-2 Antikörper-positiver Katzen hin.“
Zweifelsfrei eigent sich der von den Forschenden beschriebene Labortest für breite Screeninguntersuchungen von Katzen. Der Test eröffnet die Möglichkeit, sich jederzeit einen Überblick über die Verbreitung der Infektion unter Katzen zu verschaffen. Obwohl die Tiere in der Regel keine oder sehr milde Symptome zeigen, rät Professor Osterhaus Tierärztinnen und Tierärzten, Katzen im Zweifelsfalls per PCR-Test auf eine SARS-CoV-2-Infektion zu untersuchen. „Tierhalter, die selbst oder deren Katzen erkrankt sind, sollten zudem im Umgang mit ihnen die gleichen Hygiene- und Abstandsregeln einhalten, wie wir es unter Menschen inzwischen kennen“, sagt er.
Quelle: SARS-CoV-2–Specific Antibodies in Domestic Cats during First COVID-19 Wave, Europe
Katzen
Coronavirus
Infektionskrankheit
Pandemie
Haustier