Die Pandemie ist vorbei? Schön wäre es, denn für viele Betroffene ist sie es mitnichten. Ein gutes Fünftel aller Corona-Infizierten muss sich nämlich noch Monate danach mit biopsychosozialen Faktoren wie depressive Symptome, Angst, negative Stressbelastung und Einsamkeit, herumschlagen. Und dabei konnte bis heute keine eindeutige organische Ursache für dieses Phänomen, das als Long- oder Post-COVID bezeichnet wird, gefunden werden. Was man allerdings weiß, ist, dass das Risiko für Long-COVID sich um bis zu 50 Prozent erhöht.
Als Long-COVID definiert man gemäß den medizinischen Leitlinie das Anhalten von Symptomen nach einer COVID-19 Infektion über die Dauer von 4 Wochen. Sind die Symptome auch ach einem Zeitraum von 12 Wochen nicht abgeklungen,so spricht man vom Post-COVID Syndrom. Was man allerdings nicht weiß, ist, was den Ursachen dieser Beschwerden zugrunde liegt: sind sie biologischen Ursprungs oder handelt es sich dabei eher um psychosomatische Trigger? „Einige methodisch starke wissenschaftliche Arbeiten haben jetzt herausgearbeitet, dass psychosoziale und psychologische Faktoren eine erhebliche Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung des Long-COVID Syndroms spielen“, berichtet Dr. med. Christine Allwang von der TU München.
So zeigt eine Studie, dass das Vorhandensein von zwei der genannten Distress-Faktoren (depressive Symptome, Ängstlichkeit, Sorge vor einer Infektion, Stresserleben oder Einsamkeit) das Risiko um bis zu 50 Prozent erhöht. Grundlage für die Studie bildeten die Daten von fast 55 000 Teilnehmenden dreier großer Register-Studien, die im April 2020 noch keine COVID-Infektion erlitten hatten und zu psychosozialen Faktoren befragt worden waren. Sechs Prozent meldeten in den 47 darauffolgenden Wochen eine COVID-Infektion und wurden weiter evaluiert.
„Das sind Ergebnisse, die auf umfassenden Zahlen beruhen und die man nicht wegdiskutieren kann“, betont die Münchener Post-COVID-Spezialistin Dr. Allwang und spricht dabei aus eigener Erfahrung. „Sehr viele Menschen, die unter Long-COVID leiden, erlebten vor der Infektion starken psychosozialen Alltagsstress, etwa als Alleinerziehende, im Beruf, durch die Pflege von Angehörigen oder durch eine Trennung“, so Allwang, die das Forschungsprojekt „PsyLoCo“ zur Entwicklung einer Therapie für Long-Covid koordiniert. „Der Körper reißt die Betroffenen quasi aus dem Leben und zwingt sie, sich selbst in einem Ausmaß zuzuwenden, das sie sich zuvor nicht erlaubt hätten.“
Bei anderen Risikogruppen kristallisierte sich heraus, dass ein erheblicher Anteil der Long-COVID-Betroffenen eine Vorbelastung wie Depression oder Angststörung aufweisen. Auch die Erwartung, nach einer Covid-Infektion mit anhaltenden Körperbeschwerden zu tun zu haben, ist ein Risikofaktor für Post-Covid. Zu diesem Ergebnis kommt eine Längsschnittstudie, die 1792 Personen aus Gesundheitsberufen erfasste. „Es zeigte sich, dass sich bei Teilnehmenden, die Sorge vor einer Infektion hatten, Körperbeschwerden verstärkten, beziehungsweise diese stärker wahrgenommen wurden. Auch eine negative Erwartung gilt als ein Risikofaktor für anhaltende Belastung.
Das Thema Post-COVID dürfte jedenfalls eines der großen Thema am Anfang Mai stattfindenden Deutschen Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sein.
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