Unerklärbare körperliche Veränderungen können, ausgelöst durch einen zu hohen Kortisonspiegel, auch ein Anzeigen eines Tumors der Hirnanhangdrüse und das nach dem amerikanischen Arzt Harvey William Cushing benannte Syndrom auslösen. Erste Zeichen zeigen sich nicht nur durch, wie oben beschrieben, Gewichtszunahme etc., sondern auch durch geistige und seelischen Schäden. Eine dauerhafte Überproduktion des Stresshormons beeinträchtigt nämlich auch das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit, das Sprachvermögen sowie die räumliche Wahrnehmung und psychische Stabilität. Und diese Anzeichen können oft selbst Jahre nach einer erfolgreichen Therapie noch bestehen bleiben. Daher muss vor allem auch ein besonderes Augenmerk auf die Notwendigkeit einer intensiven Nachsorge gelenkt werden.
Cortisol hat viele Funktionen im Körper, etwa bei der Immunregulation. Ist es im Übermaß vorhanden, kann es den Körper jedoch schädigen. Zu den Ursachen für einen anhaltenden Hormonüberschuss gehören – neben Stress – entweder eine sehr hohe Zufuhr von cortisonhaltigen Medikamenten (exogenes Cushing-Syndrom) oder eine krankhafte körpereigene Überproduktion von Cortisol (endogenes Cushing-Syndrom). „In 80 bis 85 Prozent der Fälle beruht Letzteres auf einem Tumor der Hypophyse“, erläutert Professor Dr. med. Ilonka Kreitschmann-Andermahr, von der Klinik für Neurochirurgie und Wirbelsäulenchirurgie am Universitätsklinikum Essen.
Wird durch einem Tumor des Vorderlappens der Hypophyse ein Überschuss des adrenocorticotropen Hormons (ACTH) gebildet regt dies die Nebennierenrinde zu einer übermäßigen Cortisol-Produktion an und man spricht man von einem Morbus Cushing. Das endogene Cushing-Syndrom ist viel seltener als die exogene Variante. Schätzungen gehen von jährlich drei neu diagnostizierten Patientinnen und Patienten pro eine Million Einwohner aus. Und Morbus Cushing zieht weitere Krankheiten , wie z.B. eine erhöhte Anfälligkeit der Patienten für Bluthochdruck, Glukosestoffwechselstörung sowie Osteoporose, nach sich. Und leider erhöht sich auch die Sterblichkeitsrate bei den Betroffenen.
Zu viel Cortisol kann das Gehirn und neuropsychische Funktionen beeinträchtigen, da viele Gehirnzellen insbesondere in dem für die Gefühlswahrnehmung wichtigen inneren Rand des Schläfenlappens, dem sogenannten Hippocampus – auf ihrer Oberfläche Andockstellen für Cortisol ausbilden. Diese sind wichtig für das Denkvermögen und seelische Vorgänge. Weitere dieser Rezeptoren in anderen Gehirnarealen spielen eine Rolle bei rationalen Bewertungen, Zusammenhangsdeutungen und der Gedächtnisbildung. „Es ist daher leicht nachzuvollziehen, dass ein Überschuss an Cortisol die Gefühlswelt sowie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprachvermögen und Wahrnehmung gehörig aus dem Gleichgewicht bringen kann.“ Bildgebende Untersuchungen zeigen entsprechend eine Rückbildung dieser Gehirnstrukturen bei Patienten mit einem dauerhaft zu hohen Cortisolspiegel. „Chronischer Cortisolüberschuss kann das Gehirn verändern, so dass es schwieriger wird, zu denken und sinnvolle Entscheidungen zu treffen“, fasst die Expertin zusammen. Erholt sich die Gedächtnisfunktion nimmt auch das Volumen des Hippocampus und anderer Hirnregionen wieder zu.
In der Regel wird der Tumor chirurgisch entfernt, meist durch einen minimalinvasiven Eingriff: Bei der sogenannten transsphenoidalen Hypophysen-Operation erfolgt der Zugang zur Schädelbasis durch die Nase. Ist das nicht oder nur unvollständig möglich, so stehen andere Behandlungsoptionen wie Medikamente zur Verfügung, etwa eine Strahlentherapie sowie die Entfernung der Nebennieren.
Erfreulicherweise bessern sich die neuropsychologischen Funktionen von Patienten mit einem Morbus Cushing nach erfolgreicher Behandlung im Laufe der Zeit wieder. Wenn zusätzlich eine Depression besteht, muss diese zuerst behandelt werden. Unbehandelte Depressionen können Gedächtnis- und andere Hirnleistungsstörungen verstärken. Bleiben trotzdem schwere Beeinträchtigungen bestehen, könnten eine neuropsychologische Diagnostik und entsprechende Trainingsprogramme hilfreich sein.
Die aktuellen Consensus-Empfehlungen unterstützen eine rasche Diagnostik und Therapie durch entsprechende Zentren. Wichtig ist aber die Aufklärung über die vielfältigen Symptome. Insbesondere bei ihrer Kombination sollte der behandelnde Arzt an die Erkrankung denken. ###
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