Von dem hereditären Angioödem haben die meisten Menschen noch nie gehört. So kann es geschehen, dass auch Ärzte die Symptome der seltenen Krankheit fehldiagnostizieren und eine falsche Behandlung einleiten. Die Krankengeschichte vieler HAE-Patienten, wie auch die von Menschen, die an anderen seltenen Krankheiten leiden, ähneln sich daher oft sehr stark: Beschwerden können lange Zeit nicht zugeordnet werden, ärztlich verordnete Therapien bringen nicht den erhofften Erfolg und einer sicheren Diagnose sowie der damit verbundenen adäquaten Behandlung geht manchmal eine jahrelange Odyssee von einem Arzt zum anderen voraus. Das hereditäre Angioödem, eine Sonderform des Quincke-Ödems, ist eine seltene, aber schwerwiegende Erkrankung, die autosomal dominant vererbt wird, aber auch als Neumutation auftreten kann. Das heißt, dass sowohl Männer als auch Frauen betroffen sein können und dass jeder Träger der Erbanlage die Symptome von HAE entwickeln kann. Eine verdeckte Form (rezessives Gen), die bei der Vererbung eine Generation überspringen kann, gibt es nicht.
Das Krankheitsbild wurde erstmals 1882 von dem Kieler Internisten Heinrich Irenäus Quincke beschrieben. In der älteren Literatur findet sich auch die Bezeichnung hereditäres angioneurotisches Ödem, HANE. Da jedoch die Krankheitsentstehung (Pathogenese) nicht neurologisch beinflusst ist, hat sich die Bezeichnung hereditäres Angioödem (engl: hereditary angioedema), HAE, durchgesetzt. Das HAE wird durch eine angeborene Veränderung eines Gens auf Chromosom 11 verursacht, welches für die Bildung eines Enzyms, des C1-Esterase-Inhibitors, verantwortlich ist. Dieses Enzym ist für die Regulierung des sogenannten Komplementsystems verantwortlich. Als Komplement wird eine Gruppe im Serum vorkommender Proteine bezeichnet. Diese reagieren bei bestimmten Auslöse-Reizen in einer festgelegten Form aufeinander. HAE-Patienten bilden entweder zu wenig oder nicht funktionsfähigen C1-Esterase-Inhibitor. Daraus ergibt sich eine Fehlsteuerung des Komplementsystems, die bei Betroffenen zu episodischen Schwellungen an den Gliedmaßen, im Gesicht, Kehlkopf und Magen-Darm-Trakt führt. Im Prinzip können alle Organe, auch das Gehirn, die Lunge oder die Nieren von Ödemen betroffen sein.
Haben Patienten den Verdacht an HAE zu leiden, sollten sie ihren Arzt ansprechen. Ein einfacher Bluttest kann schnell Gewissheit schaffen. Dazu bestimmt ein Labor unter anderem die Aktivität und die Konzentration des Eiweißes C1-Esterase-Inhibitor, kurz C1-INH. Dieses Eiweiß wird wegen eines meist angeborenen Gendefekts bei HAE nicht in ausreichender Menge oder aber fehlerhaft gebildet. Als Folge tritt bei einer akuten Schwellungsattacke Flüssigkeit aus den Blutgefäßen aus und sammelt sich im umliegenden Gewebe an, sodass die für HAE typischen Schwellungen entstehen. Weil HAE in der Regel eine Erbkrankheit ist, sollten sicherheitshalber immer auch die Familienangehörigen eines Patienten getestet werden. Seltener tritt die Erkrankung als Neumutation auf, das heißt dass HAE vorher nicht in der Familie vorkam und dann auch nicht vererbt wurde.
Selbsthilfegruppen, aber auch Pharma-Firmen vermitteln und veröffentlichen deshalb Informationen über dieses seltene Krankheitsbild, seine Symptome und Behandlungsmöglichkeiten. Auf diesem Weg sollen noch nicht diagnostizierte Betroffene Gewissheit über ihre Diagnose erhalten und möglichst rasch wirksam behandelt werden.
Seltene Krankheiten