Eine gesunde Mundflora setzt aus hunderten Arten von Bakterien und Hefen zusammen und bietet zusammen mit dem Speichel einen hervorragenden Schutzwall gegenüber vielen Krankheitserregern, die in unsere Mundhöhle gelangen können.
Diese Barriere funktioniert aber nur dann, wenn die Mundflora im Gleichgewicht ist. Gerät sie aus dem Takt, können Erkrankungen des Mundraumes wie Gingivitis, Parodontitis und Karies die Folgen sein.
Die Mundhöhle bildet die Pforte zwischen Außen- und Innenwelt. Sie ist aber nicht nur Tor für Nützliches wie Sauerstoff und Nahrung, auch Viren, Bakterien oder Pilze bedienen sich der Körperöffnung, um ins Inneres zu gelangen. Doch zum Schutz vor unerwünschten Eindringlingen besitzt der Mundraum daher ein komplexes Abwehrsystem, das aus mehreren Einheiten besteht. So kann etwa der Speichel Krankheitserreger dank seiner verschiedenen antimikrobiellen Bestandteile zuverlässig eliminieren. Und auch die aus mehreren Schichten bestehende Mundschleimhaut stellt ein starkes Schutzschild dar: Epithelzellen ermöglichen mithilfe eines ausgeklügelten Systems an Rezeptoren und Verbindungsproteinen zwar den Durchlass für Nützliches, bleibe aber gegenüber Schädlichem fest verschlossen. Sollte es einem Krankheitserreger dennoch gelingen, die Mundschleimhaut zu passieren und in das Bindegewebe einzudringen, wartet dort bereits die immunologische Abwehr, um den Erreger mit unterschiedlichen Abwehrzellen zu bekämpfen.
Dank der Mundflora besitzt der Mundraum aber noch eine weitere, schlagkräftige Abwehrlinie. Denn die Mundhöhle ist der Lebensraum unzähliger Mikroorganismen, die nicht nur in friedlicher Koexistenz mit uns leben, sondern auch vehement für unsere Gesundheit eintreten. Über 800 verschiedene orale Bakterienarten, aber auch einige Pilz-, Viren- und Parasitenarten besiedeln sämtliche Oberflächen im Mundraum und bilden ein fein austariertes Gleichgewicht, das den Organismus vor Erregern schützt. Die „guten“ Bakterienarten, zu denen unter anderem Laktobazillen und Bifidobakterien zählen, verteidigen ihr Refugium gegenüber körperfremden, schädliche Mikroorganismen mit einer eigenen Abwehrstrategie: Zum einen produzieren sie geringe Mengen an Wasserstoffperoxid (H2O2) und wirken damit sauerstoffempfindlichen anaeroben Bakterien entgegen. Zum anderen produzieren sie aber auch sogenannte Bacteriocine, die als zelleigene Antibiotika ebenfalls das Wachstum von schädlichen Bakterien hemmen1.
Ist die Mundflora im Gleichgewicht, trägt sie also zuverlässig zur Gesundheit bei. Gerät sie allerdings aus der Balance, können sich schädliche Mikroorganismen in der Mundhöhle ausbreiten und vor allem entzündliche Erkrankungen des Zahnfleisches und des Zahnhalteapparates sowie Karies auslösen. Gefährdet sind vor allem Menschen mit einem erhöhten Risiko für Erkrankungen der Mundhöhle. Dazu zählen Diabetiker, Schwangere, Raucher oder Personen mit empfindlichem Zahnfleisch. Auch bestimmte Medikamente, beispielsweise Antibiotika, Antidepressiva oder Antihistamine, können sich negativ auf die Mundflora auswirken. Insbesondere wenn ein oder mehrere Risikofaktoren vorliegen, ist es sinnvoll, die Mundflora vorbeugend zu unterstützen. Aber auch bei bereits bestehenden bakteriell verursachten Zahnfleischentzündungen wie Gingivitis ist es empfehlenswert, die guten Bakterien im Mundraum zu stärken und die Mundflora dadurch wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Als Probiotika werden lebende Mikroorganismen bezeichnet, die – oral zugeführt – eine gesundheitsfördernde Wirkung auf den Organismus haben. Probiotika werden schon lange für die Darmgesundheit eingesetzt, entweder in Form von Arzneimitteln oder als Zusatz in Lebensmitteln wie etwa Joghurt. Genau wie die Darmflora lässt sich aber auch die Mundflora durch nützliche Mikroorganismen, enthalten z. B. in Lutschtabletten unterstützen. Werden diese regelmäßig eingenommen, besiedeln die enthaltenen Bakterien den Mundraum und unterstützen so die natürliche Mundflora. Darüber hinaus wird aber auch die Vermehrung verschiedener Bakterienarten gehemmt, die an der Entstehung von Zahnfleischentzündungen maßgeblich beteiligt sind.
Unterstützend zur zahnärztlichen Behandlung sind sie empfehlenswert für Menschen mit bakteriell verursachten Entzündungen wie Gingivitis und Parodontitis – zwei Erkrankungen, die auf eine gestörte Mundflora und ein Überwachsen von schädlichen Bakterien zurückzuführen sind. Ebenso kann man sie aber auch zur Prophylaxe anweden. Die in den Lutschtabletten enthaltenen Bakterienstämme sind sehr gut verträglich. Je nach Indikation sollte man sie täglich nach dem Zähneputzen langsam im Mund zergehen lassen, und nicht kauen.
Die Gattung Lactobacillus gehört zu den Milchsäurebakterien und umfasst 261 Arten, die auf phänotypischer, ökologischer und genotypischer Ebene äußerst unterschiedlich sind. Daher wurde nun im Rahmen einer Studie eine Neuklassifizierung vorgenommen2. Auf Basis ganzer Genomsequenzen wurde die Taxonomie von Lactobacillaceae und Leuconostocaceae bewertet. Zu den untersuchten Parametern gehörten die Phylogenie des Kerngenoms, die durchschnittliche Aminosäureidentität, Signaturgene, physiologische Kriterien und die Ökologie der Organismen. Es entstanden 25 neue Gattungen, die die phylogenetische Position der Mikroorganismen widerspiegeln. Im Zuge dieser Neuausrichtung wurde der Lactobacillus reuteri, nun in Limosilactobacillus reuteri umbenannt.
Conrads, G. (2020). Zutritt verboten – Wie im Mund die Invasion von Mikroben verhindert wird. QUINTESSENZ ZAHNMEDIZIN ↩
Zheng J et al. A taxonomic note on the genus Lactobacillus: Description of 23 novel genera, emended description of the genus Lactobacillus Beijerinck 1901, and union of Lactobacillaceae and Leuconostocaceae. Int. J. Syst. Evol. Microbiol. 2020; 70:2782–2858. ↩
Lactobazillen
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Bakterien