Süß wie Honig war die Bezeichnung der alten Griechen und Römer für den Diabetes. Und im Papyrus Ebers berichten die alten Ägypter erstmals über den Harn der nach Zucker schmeckt. Im Mittelalter war es der allseits bekannte Paracelsus, der den Zucker im Urin als “hormonelle” Krankheit im Zusammenhang mit Stoffwechselvorgängen erkannte. Über den “Blutzucker” in Verbindung mit dem Blutkreislauf berichtete dann erstmals der Engländer William Harvey und sein Landsmann Thomas Willis (1621-1675) erkannte als Erster die Zuckerkrankheit. Oskar Minkowski wurde 1923 der erste Leiter des Deutschen Insulinkommitees, welches die Zulassung zur Insulinherstellung überprüfte. Und der amerikanische Arzt Elliott P. Joslin (1896-1962) erkannte die Zusammenhänge von Ernährung, Insulin und Muskelarbeit1.
1907 veröffentlichte der Berliner Kinderarzt und Internist Georg Ludwig Zülzer erste Forschungen zur Therapie von Diabetes mellitus mittels Pankreasextrakten, die zum damaligen Zeitpunkt aufgrund der erheblichen Nebenwirkungen jedoch kaum auf Interesse stießen. Schon 1912 begann man bei Hoechst in Frankfurt mit der Erforschung von aus Bauchspeicheldrüsen von Tieren gewonnenen Extrakten zur Nutzung bei Diabetes mellitus.1921 gelang an der Universität Toronto in Kanada dann endlich der Durchbruch, denn James Collip und John Macleod gelang es, Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Tieren zu extrahieren und somit dessen Wirkung am Menschen zu forschen. 1923 begann man bei Hoechst auch mit der Insulin-Produktion aus Bauchspeicheldrüsen von Kälbern und Rindern.
Aufbauend auf der Erkenntnis, dass Insulin in kristallisierter Form einen deutlich höheren Reinheitsgrad und bessere Verträglichkeit besitzt, war Hoechst 1936 der erste Hersteller, der seine gesamte Produktion auf kristallisiertes Insulin umstellte. Es folgte in den 1930er und 1940er Jahren ein schneller Reigen neuer Produkte. In den 1950er Jahren vertrieb das Unternehmen bereits ein vielfältiges Sortiment an Insulinpräparaten mit verbesserter verzögerter Freisetzung. Zusätzlich entwickelte Hoechst mit „Long-Insulin“ ein Langzeitinsulin mit 18 bis 26 Stunden Wirkdauer, das sein Wirkmaximum nach 3 bis 8 Stunden erreichte.
Doch erst die 1960er waren das Jahrzehnt, in dem die biochemische Analyse zu ihrer Blüte kam. Nun war es endlich möglich zu bestimmen, welche Verunreinigungen noch in Spuren in den Insulinpräparaten enthalten waren. Es folgte die Suche nach neuen, verbesserten Aufreinigungsverfahren – mit Hilfe der Chromatographie. Ab 1970/71 schließlich kam in allen Insulinpräparaten des Unternehmens nur noch chromatographisch aufgereinigtes Insulin zum Einsatz. Insulinunverträglichkeiten verschwanden damit fast vollständig.
Ab 1970 arbeiteten die Hoechst-Forscher mit Hochdruck an der Entwicklung von Humaninsulin. Der große wissenschaftliche Durchbruch kam 1976, als dem Unternehmen erstmals die Herstellung von halbsynthetischem Humaninsulin gelang. Ausgangsmaterial war Schweineinsulin, das sich von Humaninsulin nur in einer Aminosäure unterscheidet. Letztere wurde mittels biochemischer Verfahren ausgetauscht.
Parallel dazu ging die Arbeit an biosynthetischen Produktionsverfahren weiter, denn ohne neue Technologie würde es bald nicht mehr gehen: Eine Studie des American National Diabetes Advisory Board hatte 1976 gezeigt, dass schon im Jahr 2000 die natürlichen Ressourcen nicht mehr ausreichen würden, um den weltweit wachsenden Insulinbedarf zu decken. Um 100.000 Menschen mit Diabetes ein Jahr lang mit Insulin zu versorgen, brauchte es die Bauchspeicheldrüsen von drei Millionen Rindern bzw. von 14 Millionen Schweinen.
Doch erst 1999 brachte das Unternehmen das rekombinante Humaninsulin Insuman® auf den Markt, das der Abhängigkeit von tierischem Ausgangsmaterial ein Ende bereitete und damit die Produktionsweise grundlegend veränderte. 2001 schließlich brachte der Hoechst-Nachfolger Sanofi-Aventis Lantus® heraus: Das langwirksame Insulinanalogon mit 24 Stunden Wirkdauer, das weltweit einen neuen Standard in der Insulintherapie setzte. 2005 folgte das kurzwirksame Apidra®, das es Menschen mit Diabetes ermöglicht, die Insulindosis unmittelbar auf ihr Essen abzustimmen und so ihren Blutzucker bei bzw. kurz nach der Mahlzeit zu kontrollieren. 2015 bringt das Unternehmen Toujeo® auf den Markt, ein langwirksames Insulinanalogon, welches durch die langsamere Insulinfreisetzung ein stabileres Wirkprofil über mehr als 24 Stunden aufweist.
Noch heute werden Insuline wie Lantus®, Apidra® und Toujeo® in der historischen Firmenzentrale von Hoechst in Frankfurt am Main hergestellt – und knüpfen somit nahtlos an die Innovations- und Erfolgsgeschichte von Hoechst an. Und das Ziel ist immer noch Menschen mit Diabetes in aller Welt das Leben mit der Krankheit zu erleichtern.