Im epileptischen Anfall kommt es zu heftigen, synchronen Entladungen der epileptisch aktivierten Nervenzellen.
Rund 200 000 Kinder sitzen in Deutschland in Regelschulen, schreiben gute Noten und wachsen ebenso unbefangen auf wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler. Nur die Eltern, Ärzte und manchmal auch die Lehrer kennen ihr Geheimnis: Sie sind an einer Epilepsie erkrankt aber moderne Therapien ermöglichen ihnen heute jedoch ein weitgehend normales Leben.
Epilepsie - eine Krankheit, die Menschen seit jeher wegen ihres Erscheinungsbildes gleichermaßen fasziniert wie ängstigt - gehört heute zu den gut behandelbaren Krankheiten und dürfte für Betroffene kein Stigma mehr sein.
Früher war das anders. Obwohl bekannt war, dass historische Persönlichkeiten wie Alexander der Große, Sokrates und Caesar an einer Epilepsie erkrankt waren und trotzdem gewaltiges leisteten, wurde Epilepsie von der Volksmedizin bis ins 19. Jahrhundert hinein mit Besessenheit erklärt. Dies war nicht immer negativ gemeint. Epileptische Anfälle wurden beispielsweise mit Enthusiasmus - aus dem griechischen “Gotterfülltsein” - beschrieben. Hippokrates überschrieb sein Kapitel über die Epilepsien mit “Die Heilige Krankheit”.
Etwa 5 % der Menschen weltweit hatten bereits einmal in ihrem Leben einen epileptischen Anfall. An Epilepsie, d.h. wiederholt auftretenden epileptischen Anfällen, sind in Deutschland etwa 500 000 Menschen erkrankt.
Die Epilepsie gehört zu den am häufigsten auftretenden neurologischen Erkrankungen. Bei den Symptomen einer Epilepsie handelt es sich um eine vorübergehende Hirnfunktionsstörung, d. h. eine Störung des Gleichgewichts zwischen Erregungs- und Bremsvorgängen größerer Nervenzellenverbände des Gehirns.
Die Diagnose Epilepsie bezeichnet nur die Tatsache, dass jemand epileptische Anfälle hat. Das klinische Bild wird bestimmt durch die zugrundeliegenden oder begleitenden Erkrankungen des Gehirns. Diese Erkrankungen können auf der einen Seite schwer sein, auf der anderen Seite aber auch völlig fehlen. Fehlen sie, sind diese Menschen mit einer Epilepsie im täglichen Leben kaum beeinträchtigt und fallen nur dadurch auf, dass sie plötzlich und überraschend einen epileptischen Anfall bekommen.
Die Symptome der Epilepsie - die epileptischen Anfälle - sind sehr vielfältig. Sie können von Bruchteilen von Sekunden bis zu einigen Minuten dauern. Das Bewusstsein kann während eines Anfalls erhalten bleiben oder gestört sein. Manche Anfälle werden von Laien gar nicht als solche erkannt. Bei anderen kommt es zu heftigen Zuckungen, unter Umständen auch zum Sturz. Manche Anfälle treten nur aus dem Schlaf, andere nur nach dem Aufwachen auf. Es werden mehr als 30 Arten epileptischer Anfälle und ebenso viele Arten epileptischer Syndrome (Kombination bestimmter Formen epileptischer Anfälle in Verbindung mit anderen Merkmalen, z.B. einem Auftreten der Anfälle in der frühen Kindheit, charakteristischen EEG-Veränderungen etc.) unterschieden.
Die Ursachen der Epilepsie sind vielfältig. Häufig spielen Schädigungen des Hirngewebes eine Rolle, bedingt durch z.B. Sauerstoffmangel während der Geburt oder Durchblu-tungsstörungen. Auch Tumore oder Unfälle, bei denen das Gehirn verletzt wird, können eine Epilepsie verursachen. Epilepsie ist keine Erbkrankheit - man weiß jedoch, dass eine erhöhte Neigung des Gehirns, mit Anfällen zu reagieren, vererbt werden kann. Nicht jeder, der diese Neigung hat, bekommt aber tatsächlich Anfälle. In der Regel kommen zusätzliche Faktoren, wie z.B. eine strukturelle Schädigung des Hirngewebes hinzu, die aber so minimal sein kann, dass sie mit den gängigen Untersuchungsmethoden nicht nachweisbar ist. Dies ist ein Grund, warum bei fast 50% der Betroffenen die genaue Ursache der Epilepsie im Dunkeln bleibt. Aber auch in Fällen, wo die Ursache einer Epilepsie im Prinzip bekannt ist, ist letztlich nicht geklärt, wie und wann es zu der für einen epileptischen Anfall charakteristischen abnormen Entladung von Hirnzellenpopulationen kommt.
Durch moderne Therapien ist die Epilepsie heute eine gut behandelbare Krankheit. Kommen Betroffene zu den richtigen Fachärzten, können 50 bis 60 Prozent damit rechnen, durch medikamentöse Behandlung völlig anfallsfrei zu werden. 20 bis 30 Prozent erreichen eine wesentliche Besserung ihres Krankheitsbildes. 25 % der Patienten gelten hingegen als pharmakoresistent. Für einen Teil dieser Patienten besteht die Option eines chirurgischen Eingriffes, mit
dem in Abhängigkeit von der Art der Epilepsie in bis zu 90% aller Fälle Anfallsfreiheit erreicht werden kann. Es wird geschätzt, dass derzeit in der Bundesrepublik 25.000 Menschen die Indikation für eine prächirurgische Abklärung erfüllen. Einrichtungen wie das Epilepsie Zentrum Berlin Brandenburg im Verbund der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, eines der wenigen von der Bundesregierung geförderten Grad-4-Zentren mit der Möglichkeit der präoperativen Epilepsiediagnostik und operativen Epilepsietherapie, bieten das ganze Spektrum der derzeit gängigen Therapieverfahren wie Anfallsselbstkontrolle, Bio-Feedback-Training, Beratung zur Lebensführung, Epilepsiechirurgie, Vagus-Nerv-Stimulation etc. Darüber hinaus werden in Berlin neue Therapieverfahren erprobt.
Die positiven Heilerfolge der modernen Medizin ermöglichen vielen der 200 000 Kindern und 300 000 Erwachsenen, die in Deutschland an einer Epilepsie erkrankt sind, ein Leben ohne epileptische Anfälle. Die soziale Situation jener Betroffenen wird hingegen vielfach immer noch durch Ablehnung, Verständnislosigkeit und Ausgrenzung geprägt. Trotz der Fortschritte in der Krankenbehandlung behindern Vorurteile die Wiedereingliederung der Betroffenen ins Berufsleben. Der Anteil der beschäftigten Epilepsiepatienten beträgt nur knapp 50 % der allgemeinen Erwerbstätigenquote. Die Ar-beitslosenquote von Menschen mit Epilepsie liegt damit weit über dem Bundesdurchschnitt und auch weit über der Arbeitslosenquote schwerbehinderter Menschen.
Mehr Informationen über die Erkrankung könnte die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern und die soziale Integration erleichtern. Eine umfassende Aufklärung über Epilepsie ist Ziel der Initiative “TAG DER EPILEPSIE”, der seit 1996 jährlich in Deutschland am 5. Oktober unter der Schirmherrschaft von Prof. Rita Süssmuth stattfindet. Unter dem diesjährigen Motto “Was kann ich tun” finden bundesweit Veranstaltungen der Selbsthilfeorganisationen und der Einrichtungen statt, die ein professionelles Unterstützungsangebot für Menschen mit einer Epilepsie bereithalten. Informationen gibt es hierzu im Internet unter
Deutsche Epilepsievereinigung e.V.
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