Seit über 50 Jahren wird die Linsentrübung des Grauen Stars durch Entfernung der alten und Einsetzen einer neuen Linse behandelt. Die Patienten haben in dieser Zeit von verschiedenen Fortschritten profitiert: einer Auswahl zwischen Kunstlinsen mit unterschiedlicher Dioptrienzahl, die entsprechend der vorliegenden Fehlsichtigkeit ausgewählt werden einem immer besseren Material, das heute auf der Oberfläche nur noch Unregelmäßigkeiten im Nanometer-Bereich zulässt einer idealen Fixierung der Linse im Zentrum des Auges einer Linsenform mit scharfer Kante, die das Einwandern von Zellen hinter dieselbe und damit die Entstehung eines Nachstars drastisch reduziert
Diese Entwicklungen konnten allerdings ein Problem nicht lösen, das in der Optik seit über 100 Jahren bekannt ist: die sphärische Aberration (Brechungsstörung). Was verstehen die Augenärzte darunter? Die Abbildungseigenschaften jedes optischen Systems sind für Lichtstrahlen, die im Randbereich einfallen, nie ideal. Das gilt auch für unser Auge. Selbst wenn die zentralen Strahlen richtig fokussiert werden und damit eine 100%ige Sehschärfe gewährleistet ist, erfahren sie am Rand eine zu starke Brechung. Man spricht von einer sphärischen Aberration. Die Folge: eingeschränktes Kontrastsehen. Die Umwelt wird wie durch einen Schleier wahrgenommen. Der Mond erscheint wie im Nebel; Autoscheinwerfer können stark blenden.
Prof. Tetz wies darauf hin, dass dieses Problem bei optischen Geräten wie Fotoapparaten, Teleskopen und Mikroskopen seit langem gelöst sei - durch Verwendung so genannter nicht-sphärischer Linsenoptiken. Mit diesen lasse sich der Aberrationsfehler nahezu vollständig vermeiden. Patienten mit Grauem Star mussten dagegen bis zum dritten Jahrtausend warten, bevor sie ebenfalls von einer Aberrationskorrektur profitieren konnten. Voraussetzung war die genaue Messung der Brechungsstörungen im Auge. Dies ist heute mit einer neuen Technologie möglich, der Wellenfront-Analyse.
Mit der neuen Methode wurden die Brechungsstörungen zahlreicher Augen vermessen. Prof. Ulrich Mester erläuterte, dass auf dieser Grundlage die erste faltbare, asphärische Intraokularlinse (IOL) konzipiert worden sei. Bisher hätte sich bei Katarakt-Patienten die positive sphärische Aberration an der Hornhaut mit derjenigen an der alten natürlichen bzw. herkömmlichen Kunstlinse zu einer erheblichen Fehlsichtigkeit aufsummiert. Der Fortschritt der Neuentwicklung liege in einem Ausgleich der sphärischen Aberration. Mit einer jungen Linse für alte Augen werde Betroffenen das Kontrastsehen ihrer Jugend zurückgegeben.
“Allerdings ist alle Theorie grau; das gilt auch für Fortschritte in der Katarakt-Behandlung”, wie Mester betonte. Denn normalerweise falle Betroffenen nach einer Operation durch den Zugewinn an Sehschärfe und Helligkeit das mangelhafte Kontrastsehen nicht auf. Mester ging deshalb in einer jetzt durchgeführten Studie einen außergewöhnlichen Weg. Er implantierte 37 Katarakt-Patienten in ein Auge eine herkömmliche IOL und in ihr anderes Auge die neue Tecnis-IOL. So konnten die Patienten den Unterschied in der Kontrastempfindlichkeit direkt erfahren.
Die Ergebnisse der Studie belegten die theoretischen Überlegungen: Wellenfront-Analysen bewiesen die Aberrations-Korrektur durch die Tecnis-IOL. Am eigenen Leibe erfuhren die Patienten den Unterschied im Kontrastsehen bei Dämmerlicht. Es war mit der High-Tech Linse etwa 30% besser als mit herkömmlichen sphärischen Intraokularlinsen.
Patienten bestätigten den Gewinn an Lebensqualität nach einer Implantation der neuen Tecnis-Linse. Eine problemlose Teilnahme am täglichen Leben sei wieder möglich. Auch Dämmerung und Nacht bergen keine Schrecken mehr. Gerade in diesen Situationen waren die meisten Katarakt-Patienten bislang auch nach einer erfolgreichen Operation erheblich eingeschränkt. Um den Fortschritt zu veranschaulichen, verglich Mester den neuen Durchblick in der Dämmerung mit dem Sehvermögen einer Eule.
Sehschwäche
Fehlsichtigkeit