Organschwächen, Rheuma oder Stoffwechselprobleme und natürlich noch viel mehr lässt sich mit Hilfe der sogenannten Irisdiagnose nicht nur vorhersagen, sondern selbstredend auch meist heilen. Behaupten zumindest alle Anhänger der Iridologie. Doch leider ist diese Behauptung aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht unhaltbar, betonen Augenärzte im Vorfeld des 116. Kongresses der DOG Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft. Denn die Deutung von Farbe, Flecken oder Furchen an der Iris ist für Diagnosezwecke ungeeignet.
Die Präsidentin der DOG, Professor Dr. med. Nicole Eher aus Münster erklärt dazu, dass aber einige krankhafte Veränderungen der Regenbogenhaut tatsächlich auf Systemerkrankungen des Körpers hindeuten können. „Das angeborene Fehlen der Iris etwa kann auf einen Nierentumor hinweisen, Knötchen an der Iris auf eine Trisometrie 21, die Tumorerkrankung Neurofibromatose oder die entzündliche Gewebserkrankung Sarkoidose“. Zudem können sich bösartige Tumoren der Lunge oder der Brustdrüse an der Iris absiedeln.
Änderungen der Struktur in Form von Furchen, Streifen, Farbe oder Flecken hingegen besitzen keine medizinische Aussagekraft. Davon geht die Iridologie jedoch aus. „Eine Fehlannahme“, wie Professor Dr. med. Martin Rohrbach von der Universitäts-Augenklinik Tübingen betont. „Bis heute gibt es für die Irisdiagnostik keine anatomische oder physiologische Evidenz”. Sie sei medizinisch sinnlos. Bei den Irisflecken etwa handle es sich um harmlose Ansammlungen von Pigmentzellen. „Die bräunlichen Punkte hat fast jeder im Auge“, so Rohrbach.
Dementsprechend konnten die Thesen der Iridologie noch in keinem einzigen Fall wissenschaftlich bestätigt werden. „Egal, ob es sich um Karzinome des Magen-Darm-Traktes handelte oder Gallenblasenleiden: Die Irisdiagnostik kam über die reine Ratewahrscheinlichkeit nicht hinaus“, sagt Rohrbach. Bücher aus dem Jahr 1954, die von Anhängern der Iridologie zur Begründung ihrer Verfahren herangezogen werden, entsprächen in keinster Weise mehr heutigen Standards.
Die neue Iridologie geht auf Ignaz von Péczely (1826 bis 1911) zurück, der als Kind bei der Abwehr einer Eule dieser ein Bein brach und danach im Auge des Vogels einen „Balken“ zu erkennen meinte. Er schloss daraus, dass körperliche Veränderungen an der Regenbogenhaut sichtbar werden können.
In der Folge entwickelten Iridologen, die weit überwiegend als Heilpraktiker tätig sind, die Anschauung, dass der gesamte Körper mit der Iris „nerval verkabelt“ ist. Alle Teile des menschlichen Körpers sollen demnach in Form von „Organfeldern“ repräsentiert sein – die rechte Körperhälte in der rechten Iris, die linke in der linken Iris, die obere Körperhälfte in den oberen und die untere in den unteren Regenbogenhaut-Hälften. An Änderungen der Struktur könnten zurückliegende, aktuelle und künftige Erkrankungen abgelesen werden. Derzeit sind in Deutschland etwa 45.000 Heilpraktiker tätig, von denen schätzungsweise 5.000 bis 8.000 iridologisch tätig sein dürften.
Dass die Iridologie nach wie vor umfangreich nachgefragt wird, führt der Tübinger Ophthalmologe vor allem auf einen Umstand zurück: „Heilpraktiker und Iridologen besitzen etwas sehr Wertvolles, das wir Ärzte in Zeiten der auch ökonomisch bedingten Verdichtung für unsere Patienten sehr oft leider nicht mehr erübrigen können: ausreichend Zeit.“