Die Naturheilkunde, in den USA mit einem eigenen, vierjährigen Studiengang belegt, wird von zahlreichen Ärzten und Heilpraktikern erfolgreich angewendet. Der ganzheitliche Behandlungsansatz konzentriert sich auf die Förderung und Unterstützung der natürlichen Heilkräfte des Körpers. Naturheilmedizin beruht auf der Überzeugung, dass der menschliche Körper die angeborene Fähigkeit besitzt, sich selbst zu heilen, wenn er die richtigen Bedingungen und die richtige Unterstützung erhält.
Die Naturheilkunde als Disziplin wurde zwar in den USA von dem Deutschamerikaner Benedict Lust begründet, ist aber dennoch ein Heilsystem, dessen Wurzeln weit ins Altertum zurückreichen. Ein entscheidender Bereich der Naturheilkunde ist die Pflanzenheilkunde. Inder, Ägypter, Chinesen, Griechen, Römer und später im christlichen Abendland vor allem Mönche und Klosterfrauen nutzten die Heilkraft von Pflanzen zum Wohle der Menschen, wovon die vielen schriftlichen medizinischen Aufzeichnungen zeugen. Übrigens: die Begriffe »Naturheilverfahren« und »Naturheilkunde« prägte Mitte des 19. Jh. ein bayrischer Militärarzt: Lorenz Gleich. Hippokrates kannte etwa 300 pflanzliche Heilmittel und deren Anwendungsgebiete. Theophrast verfaßte ein Werk, das 455 Heilpflanzen enthielt, und von Cato, dem Älteren, dem römischen Staatsmann, wissen wir, daß er 120 Heilpflanzen in seinen Gärten kultivierte. Eine der größten Arzneimittellehren aller Zeiten stammt aus der Feder von Dioskurides, der im 1. Jh. n. Chr. lebte und wirkte. In seinem Werk sind 600 Pflanzen beschrieben und farbig illustriert und fast 1000 Heilmittel pflanzlicher, mineralischer und tierischer Herkunft behandelt.
Im Mittelalter blieb es Mönchen und Nonnen dank ihrer Latein- und Griechischkenntnisse vorbehalten, dieses Wissen weiterzugeben. Besonders verdienstvoll hat sich Hildegard von Bingen gemacht, die viele noch unbekannte Pflanzen als Heilkräuter erkannte und beschrieb. Über 300 Jahre später erfaßte Paracelsus1 die Seele der Pflanzen in der »Signaturenlehre«, die auf der Annahme basiert, daß eine Verbindung, ein Zeichen, zwischen Form und Farbe einer Pflanze und ihren heilenden Eigenschaften besteht.
Naturheilkundliche Ärzte und Heilpraktiker sind darin geschult, eine Reihe von natürlichen Therapien und Verfahren anzuwenden, darunter Pflanzenheilkunde, Ernährung, physikalische Medizin, Homöopathie und Ratschläge zur Lebensführung. Sie arbeiten sehr eng mit den Patient:innen zusammen, um die Ursachen deren gesundheitlicher Probleme zu ermitteln und individuelle Behandlungskonzepte zu entwickeln, die sowohl die unmittelbaren Symptome als auch die zugrunde liegenden Ursachen behandeln.
Naturheilkundlich orientierte Ärzte werden ihre Patienten grundsätzlich bitten, auf die folgenden »Gifte« zu verzichten: Kaffee, weißes Mehl, Glukose, fettes Fleisch, Alkohol und Tabak. Einer der wichtigsten Grundsätze der naturheilkundlichen Medizin ist das Konzept der “vis medicatrix naturae” oder der Heilkraft der Natur. Die naturheilkundliche Medizin legt auch großen Wert auf die Vorsorge. Naturmediziner arbeiten mit ihren Patient:innen zusammen, um eine für sie passende gesunde Lebensweise und Gewohnheiten zu entwickeln, die das körperliche Wohlbefinden fördern und Krankheiten vorbeugen. Sie können eine Reihe von Behandlungsmethoden einsetzen, um den Gesundheitszustand eines Patienten zu beurteilen, darunter körperliche Untersuchungen, Labortests und spezielle diagnostische Verfahren.
Allerdings sollte man bei der Wahl einer naturmedizinischen Behandlung immer beachten, dass diese, auch als komplementär oder Alternativ-Medizin bezeichnete Behandlungsmethode als Ergänzung zu konventionellen medizinischen Behandlungen eingesetzt werden kann, aber niemals als Ersatz für eine medizinische Notfallversorgung oder andere notwendige medizinische Eingriffe verwendet werden sollte.
Der in Einsiedeln in der Schweiz geborene und in Salzburg gestorbene Theophrastus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus gilt noch heute als Synonym für ganzheitliche Medizin. 2020 im Herbst ist ein neues Buch über sein Leben von Isabel Schmid erschienen. ↩