Wer einen neue Stelle antritt, fühlt sich erst einmal fremd und all den Kolleg:innen, die sich teilweise schon jahrelang kennen. Man möchte sich schnell zu diesem Kreis zugehörig fühlen. Denn Freundschaften am Arbeitsplatz können Mitarbeitenden nicht nur ein Gefühl der Zughörigkeit vermitteln, sondern führen zu einem höheren Wohlbefinden. Ganz nebenbei fördern sie auch noch die Kreativität und Innovation in der Organisation. Aber stimmt das wirklich so? Das Team um Prof. Dr. Fasbender von der Universität Hohenheim hat dazu nun zwei umfassende Studien durchgeführt und befragte jeweils über 400 Berufstätige in Großbritannien.
Ihre Erkenntnisse sind etwas ernüchternd, wenn auch nicht nur negativ: Prof. Dr. Fasbender: „Freundschaften am Arbeitsplatz können auch dazu führen, dass sich die Personen anderen gegenüber eher unsensibel, unhöflich und unfreundlich verhalten. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass dies kein bewusstes Verhalten ist. Vielmehr ist es ein Symptom dafür, dass die Ressourcen zur Selbstregulation der betreffenden Mitarbeiter:innen erschöpft sind. Diese also das Gefühl haben, dass ihre Energie zur Neige geht.“
Schwierigkeiten entstehen immer dann, wenn die Verteilung Freund:in vs. Kolleg:in widersprüchlichen Anforderungen ausgesetzt wird und sich somit nur noch schwer in Einklang bringen lässt. Konkurrierende Anforderungen führen zur Erschöpfung und äußern sich u. a. auch durch Konzentrationsschwierigkeiten. „Wenn zum Beispiel Mitarbeitende ihre begrenzten Ressourcen in die zeitkritische Fertigstellung eines Arbeitsberichts investieren müssen, sind sie möglicherweise nicht in der Lage, angemessen auf die Kontakt-Bedürfnisse einer befreundeten Person am Arbeitsplatz zu reagieren“, erklärt Prof. Dr. Fasbender. „Sie erleben einen Rollenkonflikt, weil sie entscheiden müssen, welcher Rolle sie den Vorrang geben sollen.“ Die Mitarbeitenden haben möglicherweise auch Schwierigkeiten, unhöfliches und unfreundliches Verhalten am Arbeitsplatz zu unterdrücken. „Sie sind nicht mehr in der Lage, die Perspektive ihrer Kolleg:innen einzunehmen, oder sie denken nicht allzu sehr über die Folgen ihres Verhaltens nach“, beschreibt die Expertin. „Dabei richtet sich das unhöfliche Verhalten eher gegen andere Kolleg:innen als gegen die befreundeten Personen am Arbeitsplatz.“
Abfedern kann man diese potenziellen Risiken durch Selbstwirksamkeit. Darunter versteht man die Überzeugung einer Person, auch schwierige Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können. „Aufgrund der positiven Erfahrungen, dass sich zwischenmenschliche Probleme gut bewältigen lassen, können Personen mit hoher Selbstwirksamkeit solche Freundschaften besser gestalten und so unhöfliches Verhalten besser abfangen“, heißt es in der Meldung der Uni Hohenheim.
Aus Sicht der Forschenden ist es wichtig Wege zu finden, die Folgen des unhöflichen Verhaltens zu minimieren, denn es kann schwerwiegende nachteilige Folgen, wie zum Beispiel geringere innovative und kreative Leistungen oder höhere Fehlzeiten und Fluktuation, nach sich ziehen.
„Auch, wenn Freundschaften am Arbeitsplatz zahlreiche Vorteile haben und das Arbeitsleben auf eine wichtige Art und Weise bereichern können, sollten sich Mitarbeitende darüber im Klaren sein, dass diese auch mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden sind“, so Prof. Dr. Fasbender. „Oft genügt allein dieses Wissen schon.“
mögliche Strategien, wie man die eigenen sozialen Beziehungen effektiver gestalten kann. „Es kann sinnvoller sein, bestimmte Zeiten wie Mittags- oder Kaffeepausen einzuplanen, als während des Arbeitstages mit häufigen Unterbrechungen durch Freund:innen am Arbeitsplatz zurechtzukommen“, rät die Expertin. „Zudem sollte ein beiderseitiges Bewusstsein dafür geschaffen werden, sich bei der Arbeit möglichst objektiv zu behandeln. Dazu gehört es beispielsweise, sich in Meetings konstruktiv kritisieren zu können, ohne dass dies als Kritik an der Freundschaft verstanden wird.“
Diese Strategiemöglichkeiten gelten aber keineswegs nur für Arbeitnehmer, sondern sollten auch von Arbeitgebern berücksichtigt werden. Dabei genügt oft schon das Bewusstsein für die mögliche Problematik. „Dies kann beispielsweise durch kleine Artikel im firmeneigenen Mitarbeiter-Newsletter oder im Intranet geschehen. Und ebenso wichtig ist dabei, dass sich auch Führungskräfte mit dem Thema auseinandersetzen und ggf. dafür auch ausgebildet werden.
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