Das Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen und das Start-up Skinuvita haben im Zuge eines gemeinsamen Forschungsprojektes ein neues KI-basiertes Bildanalyseverfahren entwickelt. Dessen Einsatz könnte es Patient:innen erstmals ermöglichen, die notwendigen therapeutische Bestrahlung bei einer Lichttherapie erstmals von Hautkrankheiten zu Hause durchzuführen.
Um die sieben Millionen Menschen sind in Deutschland an chronischen Hautkrankheiten wie Neurodermitis, Schuppenflechte, Vitiligo (Weißfleckenkrankheit) oder Handekzemen erkrankt. Der Leidensdruck der Betroffenen ist hoch, da in vielen Fällen eine ärztliche Behandlung mit Hautcremes nicht ausreichend ist. Der dabei auftretende ständige Juckreiz kann, nach derzeitigen Erfahrungen, am schonendsten und kostengünstigsten durch eine Phototherapie behandeln, das heißt durch die Bestrahlung der betroffenen Körperteile mit Licht.
Allerdings, so die Verlautbarung der Uni Bremen und des beteiligten Start-ups Skinuvita können viele Betroffene diese Therapie aufgrund des hohen Zeit- und Organisationsaufwands nicht in ihren Alltag integrieren, sodass sie notgedrungen auf Medikamente zurückgreifen müssen, die teilweise erhebliche Nebenwirkungen verursachen. Doch dieser, weder von den behandelnden Ärzten noch den betroffenen Patient:innen anzuwendenden Ausweichtherapie, könnte ein baldiges Ende finden. Denn Skinuvita, ein Spin-off der Universität Bremen, steht kurz vor der Markteinführung eines Therapiesystems, das sich einfach und sicher zu Hause einsetzen lässt. Mithilfe des Einsatzes von Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) will die Arbeitsgruppe Computergrafik unter Leitung von Professor Gabriel Zachmann es möglich machen, dass Körperteile dank KI automatisch erkannt werden und die optimale Dosierung des Lichts sichergestellt wird.
Noch müssen betroffenen Patient:innen die Bestrahlung der Haut bei Dermatolog:innen durchführen lassen. Und dies drei- bis sechsmal pro Woche in insgesamt 30 Sitzungen während eines Krankheitsschubs. Auch wenn der eigentliche Vorgang nur zwischen 25 Sekunden und maximal 10 Minuten dauert, so ist der damit verbundene Aufwand für die Betroffenen sehr hoch. Nicht nur, dass sie dafür jedes Mal innerhalb der Öffnungszeiten der Praxis die Anfahrt, die Wartezeiten und die Rückfahrt auf sich nehmen müssen, sondern vor allem Menschen in ländlichen Regionen, Alleinerziehende und viele Berufstätige stellt diese “vor Ort-Maßnahme” oft eine kaum lösbare Herausforderung.
Skinuvita entwickelte daher die notwendige Technologie zur Phototherapie aktuell so weiter, dass sie auch sicher und ohne Nebenwirkungen zu Hause eingesetzt werden kann. Und nicht nur das. Denn das digitale Therapiesystem soll auch als erste europäische Lösung sämtliche Leitlinien-Anforderungen für eine ärztlich begleitete Heimtherapie erfüllen. Zu den wichtigsten Bestandteilen des Systems zählen
In der Erklärung der Uni Bremen heißt es dazu: “Eine entscheidende Veränderung gegenüber der herkömmlichen Vorgehensweise ist dabei die Digitalisierung der aktuell noch analogen Prozesse. Die digitale Erstellung der Therapiepläne ermöglicht unter anderem eine „Fernsteuerung“ der Dosierung durch die Dermatolog:innen. Dank des Bluetooth-Steuermoduls ist eine manuelle Dosiseingabe nicht mehr erforderlich und der ausreichende Zeitabstand zwischen Therapiesitzungen wird gewährleistet. Statt 30 Besuchen in der Arztpraxis sind somit nur noch zwei erforderlich: einmal am Anfang und einmal am Ende der Therapie. In der Zwischenzeit behalten die Dermatolog:innen dennoch die volle Kontrolle”.
Das von der Forschungsgruppe entwickelt automatisierte Bildanalyseverfahren, erleichtert zudem die sichere Anwendung. Dank der automatischen Erkennung der Körperteile kann das System verhindern, dass die falsche Stelle behandelt oder die richtige Stelle doppelt bestrahlt wird. Die Messung des richtigen Abstands zwischen Lampe und Haut ist ebenfalls wichtig.
Auch die Entwicklung von LED-Leuchten, die automatisch nur die wichtigen Punkte bestrahlen und nicht den ganzen Körperteil hat das Forschungsprojekt bereits im Fokus. Eine weitere Aufgabe, für die sich der Einsatz von KI anbietet, ist die präzise Erkennung und Einordnung von Hautrötungen. „Bis jetzt schätzen die Nutzer:innen selbst ein, wie ihre Haut aussieht“, berichtet Judith Boeckers, wissenschaftliche Mitarbeiterin der TZI-Arbeitsgruppe Computergrafik. „Aber was für den einen ein intensives Rot ist, ist für den anderen blass.“ Auch für die behandelnden Ärzt:innen sei dies auf den übermittelten Fotos nicht leicht zu unterscheiden, weil die Aufnahmen oft unterschiedlich beleuchtet sind. KI könne hier bei der Bildaufbereitung und dem Farbabgleich helfen.
„Wir möchten weiterdenken, wie wir die medizinische Betreuung mithilfe intelligenter Datennutzung noch besser machen können“, ergänzt Skinuvita-CEO Jan Elsner. Eine zentrale Frage dabei: „Wie können wir die Technologien auf dem Smartphone nutzen, um die Behandlung effektiver zu gestalten?“
Die Produktentwicklung der ersten Version des Systems ist mittlerweile fast abgeschlossen – die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden in die Weiterentwicklung einfließen. Eine klinische Studie, in der bereits mehr als 600 Therapiesitzungen absolviert wurden, hat bisher keine Sicherheitsprobleme zutage gefördert. „Die Therapietreue ist – wie erwartet – höher, als wenn die Leute zur Praxis fahren müssen“, berichtet Elsner. „Mehr Patient:innen ziehen die Therapie durch, ohne abzubrechen. Gleichzeitig steigt die Lebensqualität signifikant.“ Der Zulassungsprozess steht inzwischen kurz vor dem Abschluss, sodass das System im Herbst auf dem Markt sein könnte.
Weitere Informationen findet man auf den folgenden Webseiten: www.tzi.de, www.skinuvita.de, cgvr.cs.uni-bremen.de, www.uni-bremen.de