Herzrhythmussstörungen, die zum plötzlichen Herztod führen können, haben ihre Ursache häufig in Über- oder Unterfunktionen der Schilddrüse. Diese Erkenntnisse sind nicht neu, doch bisher wußte man nicht, welches Risiko mit nur leichten Über- oder Unterfunktionen einhergeht. Diese Unklarheit konnte nun die Ruhr-Universität Bochum durch eine systematische Auswertung von 32 Studien mit 1,3 Millionen Teilnehmenden aufklären und nachweisen: Bereits geringe Abweichungen der Schilddrüsenfunktion erhöhen u. U. das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
„Das stellt unser Verständnis der Wechselwirkung zwischen Schilddrüse und Herz auf eine neue Grundlage und weist den Weg zu einer personalisierten Vorsorge“, so Privatdozent Dr. Johannes Dietrich von der Medizinischen Klinik im St. Josef-Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Die Arbeit wurde in der Zeitschrift Frontiers in Cardiovascular Medicine veröffentlicht.
Obwohl man die Risikofaktoren für schwere Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems aufgrund von Funktionsstörungen der Schilddrüse kannte, so bleib bislang die Situation bei leichten bzw. frühen Funktionsstörungen der Schilddrüse unklar. „Während in einigen Studien bereits minimale Erhöhungen von Schilddrüsenhormonen, selbst normale Konzentrationen innerhalb des Referenzbereichs für Gesunde, mit einem erhöhten Risiko für den plötzlichen Herztod einhergingen, konnten andere Studien keinen eindeutigen Zusammenhang finden“, erläutert Johannes Dietrich. Umstritten war vor allem, wie man mit frühen Über- und Unterfunktionen der Schilddrüse – sogenannten latenten Hyper- und Hypothyreosen – umgehen sollte.
Um einen besseren Überblick zu gewinnen, erstellte das Forscher-Team eine Übersichtsarbeit über 32 Studien zu diesem Thema mit nachgeschalteter Meta-Analyse. Man fand dabei heraus, dass sowohl latente Hypothyreosen als auch latente Hyperthyreosen das Risiko für einen Herztod voraussagen. Ebenso … “sprechen die Ergebnisse für ein mit der FT4-Konzentration kontinuierlich ansteigendes Herz-Kreislauf-Risiko, aber für einen komplexen U-förmigen Zusammenhang mit der Konzentration des Steuerhormons TSH“, erklärt Johannes Dietrich. Dieser Konstellation liegen wahrscheinlich zwei unterschiedliche Muster der schilddrüsenvermittelten Herzrhythmusstörung zugrunde.
Während beim dyshomöostatischer Typ eine Erkrankung der Schilddrüse vorliegt, die direkt zu einer hohen Schilddrüsenhormonkonzentration führt und so das Herz-Kreislauf-Risiko erhöht, wird beim allostatischer Typ durch genetische Faktoren, chronischen Stress und psychische Belastung der Sollwert des Regelkreises zwischen Hirnanhangsdrüse und Schilddrüse erhöht, sodass über die damit indirekt erhöhte FT4-Konzentration ebenfalls Rhythmusstörungen begünstigt werden.
Aufgrund dieser Erkenntnisse … könnte die Schilddrüsenfunktion bei bereits bestehender Herzrhythmusstörung künftig als Biomarker für den jeweiligen Entstehungsmechanismus dienen und helfen, eine individuell optimierte medikamentöse Therapie auszuwählen.
Quelle: PM 10-22, Ruhr-Universität