Die positive Wirkung der Natur nutzen, um seelischen Erkrankungen vorzubeugen - das war das Ziel des Modellvorhabens Green Care, das vom Team des Lehrstuhls für Sozial- und Organisationspsychologie um Prof. Dr. Elisabeth Kals (Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt) und Privatdozent Dr. Markus Müller (Klinikum Nürnberg) wissenschaftlich begleitet wurde. „Die Ergebnisse zeigen, dass die psychische Gesundheit durch Entspannungs und Achtsamkeitsübungen in der Natur nachhaltig gestärkt werden kann“, resümiert Prof. Kals.
In drei- bis vierstündigen Gruppen-Sitzungen über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen lernten die Teilnehmer die Natur mit allen Sinne achtsam wahrzunehmen. Die Teilnehmenden waren sowohl Menschen, die sich z.B. wegen Depressionen in stationärer klinischer Behandlung befanden, als auch Interessierte, die präventiv etwas gegen Stress und Burnout tun wollten. Die Angebote zum naturbasierten Achtsamkeits- und Entspannungstraining wurden vom bayerischen Biosphärenreservat Rhön und der Biosphärenregion Berchtesgadener Land entwickelt.
Die drei- bis vierstündigen Einheiten, die mit jeder Gruppe über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen durchgeführt wurden, dienten der achtsamen Wahrnehmung der Natur mit allen Sinnen unter einer fachlichen Anleitung, die von den Mitarbeiterinnen der beiden Biosphärenreservate geleistet wurde. Ein solcher angeleiteter Kontakt sollte sich auf das biopsychosoziale Wohlbefinden - also auf alle Ebenen der Gesundheit - aus wissenschaftlicher Sicht grundsätzlich positiv auswirken. Bislang ist jedoch wenig bekannt über die Durchführbarkeit und Wirksamkeit von naturbasierten Interventionen in der stationären Behandlung von Depressionen sowie über deren Auswirkungen auf die Stimmung, die psychische Gesundheit und die Umwelteinstellungen und das Umweltengagement von gesunden Erwachsenen. Die vorliegende Studie schließt diese Lücke.
Die Forschungsgruppe sammelte über drei Jahre hinweg 227 Fragebögen in der klinischen und 133 in der präventiven Experimental- und Kontrollgruppe. Hinzu kamen Interviews mit Expertinnen und Experten, die zum Beispiel die Entwicklung der Interventionsteilnehmenden beschrieben. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung zeigen unter anderem, dass wohltuende Gefühle durch die Bewegung in der Natur verstärkt wurden, während belastende Gefühle durch die Angebote abgeschwächt werden konnten. Somit können sowohl Patientinnen und Patienten mit Depressionen aus Rehabilitationskliniken (Kooperationspartner waren die Klinik Alpenland Bad Reichenhall sowie die Klinik für Psychosomatische Rehabilitation der Hescuro-Kliniken Bad Bocklet) als auch gesunde Menschen aus der Allgemeinbevölkerung im präventiven Bereich von achtsamkeits- und entspannungsbasierten Angeboten in der Natur profitieren. Speziell für den klinischen Bereich nehmen die befragten Expertinnen und Experten bei ihren Patientinnen und Patienten unter anderem wahr, dass die körperliche Aktivität zunimmt, die körperliche Anspannung abnimmt, die Atmung sich vertieft und die Schlafqualität zunimmt. Insgesamt sehen sie eine sehr hohe Wirksamkeit der Angebote.
„Diese Effekte blieben stabil, wie eine Folgeuntersuchung nach drei Monaten zeigte. Gerade Patientinnen und Patienten mit einem hohen Grad an Belastung, wie es sich in den hohen Ausprägungen der Depressionsskala zeigt, stellen oft eine Herausforderung in der Therapie und Behandlung dar. Die Studie liefert hier vielversprechende Ergebnisse, dass gerade diese Gruppe auch langfristig durch das Programm profitieren kann“, erklärt Privatdozent Müller. Ein Grund für den leichten Übertrag in den Alltag liege darin, dass Natur- und Kulturlandschaften unterschiedlicher Ausprägung für die Durchführung der Übungen geeignet seien. So konnten sowohl in abgeschiedenen Waldgebieten als auch in städtischen kleineren Waldstücken und auf Wiesen dieselben positiven Ergebnisse nachgewiesen werden. Im klinischen Bereich fällt auf, dass insbesondere Patientinnen und Patienten mit einem höheren Grad an Depression bei der Aufnahme von den Gruppenangeboten profitiert haben. Dr. Zieris ergänzt: „Die umweltpsychologische Forschung zeigt, dass die emotionale Verbundenheit zur Natur eine wesentliche Voraussetzung für ein Engagement und ein Verhalten im Sinne des Naturschutzes ist. Auch hier konnten wir signifikante und langfristige Effekte feststellen.“
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