Die weltweite Schadstoffbelastung der Luft ist längst nicht nur ein Problem der Lungengesundheit, denn aktuellen Daten zufolge gehen auch 30 Prozent aller Schlaganfälle darauf zurück. Reine Luft zum Atmen bedeutet auch die Verhinderung schwerer und häufiger neurologischer Erkrankungen, betont die World Federation of Neurology aus Anlass des Welttages des Gehirns 2018, der in diesem Jahr den negativen Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gehirn-Gesundheit gewidmet ist.
Das Ausmaß des Einflusses von Umweltverschmutzung insgesamt und der Luftschadstoffbelastung im Speziellen auf die Gesundheit wächst ständig. Die aktuellste Schätzung spricht davon, dass weltweit jährlich neun Millionen Menschen infolge belasteter Atemluft sterben.
Die von einem internationalen Wissenschafterteam mit den Daten aus 188 Staaten der Welt durchgeführte Global Burden of Disease-Studie hat ergeben, dass der akute Schlaganfall zu einem Anteil von bis zu 30 Prozent auf den Risikofaktor Schadstoffbelastung der Luft zurückzuführen ist.
Beim Zusammenhang zwischen der Luftverschmutzung durch Gase und Partikel und der Gehirngesundheit handelt es sich um ein weltweites und gleichzeitig um ein komplexes Problem. Univ.-Prof. Dr. Jacques Reis, Leiter der Forschungsgruppe für angewandte Wissenschaft für Umweltaspekte der Neurologie: „Luftverschmutzung ist eine diffuse, oft nicht sichtbar auftretende Kontamination durch schädliche Bio-Aerosole mit Pollen, Sporen, Partikeln und toxischen Substanzen. Die Belastungen können aus natürlichen Quellen stammen oder durch den Menschen verursacht sein.“ Hinzu kommt, dass es sich je nach der Situation, in der Menschen leben und arbeiten, quantitativ und qualitativ um ein sehr unterschiedliches Phänomen handelt.
Teile davon sind:
Das Problem ist in Großstädten anders als in ländlichen Gebieten und es gibt lokale, regionale und über die Ländergrenzen hinaus wirkende Luftschadstoffe.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat erst Anfang Mai dieses Jahres festgestellt: Neun von zehn Menschen weltweit atmen verschmutzte Luft ein. Drei Milliarden Menschen müssen zu Hause noch immer schädliche Brennstoffe zum Kochen und/oder Heizen verwenden.
Gerade in den vergangenen Jahren hat die Wissenschaft wesentliche Hinweise dafür geliefert, wie die Luftschadstoffe die Gesundheit des menschlichen Gehirns des Einzelnen und die neurologische Gesundheit der Weltbevölkerung schädigen.
Prof. Reis: „Die Schadstoffe kommen über die Atemwege und den Verdauungstrakt in den Körper. Sie verursachen unterschwellig verlaufende Entzündungsreaktionen, gelangen über den Blutstrom oder über die oberen Atemwege ins Gehirn. Auch durch sie hervorgerufene Schädigungen der Darmflora können sich auf das Gehirn auswirken.“
Potenzielle Effekte: Atherosklerose, oxidativer Stress und den ganzen Organismus betreffende Entzündungsreaktionen, Schädigung der Blutgefäße, Blutdrucksteigerung, Beeinträchtigung der Blut-Hirn-Schranke als Schutzmechanismus und Herzprobleme. Direkt nachweisbar sind auch die Beeinträchtigung von Zellen im Gehirn wie Microglia-Zellen und Astrozyten. Auf zellulärer Ebene beeinträchtigen die Luftschadstoffe die Kraftwerke der Zellen (Mitochondrien), die Erbsubstanz DNA. Sie führen zu epigenetischen Veränderungen und zu einer Verkürzung der „Schutzkappen“ an den Chromosomen (Telomere). Letzteres gilt als Zeichen von Zellalterung.
Kein Wunder, dass bei immer mehr Syndromen und neurologischen Erkrankungen ein Zusammenhang mit der Luftschadstoffbelastung vermutet wird. Erste Hinweise gibt es für Autismus, Aufmerksamkeitsstörungen bei Kindern sowie bei Demenz oder der Entstehung von Morbus Parkinson, auch wenn belastbare Daten noch fehlen.
Gerade bei Umweltfaktoren, welche die Gesundheit des Gehirns beeinträchtigen, könnte entschiedenes Handeln die Risiken deutlich verringern. „Die Prävention von Krankheiten, welche das Gehirn betreffen, ist nicht nur eine Angelegenheit des Individuums. Das muss man auch auf gesellschaftlicher Ebene vorantreiben. Dies gilt besonders für Umwelteinflüsse, die der Mensch verursacht und damit letztendlich auch beeinflussen kann. Sie sind bedeutsame Risikofaktoren für Krankheiten, welche die Blutgefäße des Gehirns betreffen und für neurodegenerative Erkrankungen. Dieses weltweite Problem für die öffentliche Gesundheit bedarf adäquater umwelt- und gesundheitspolitischer Strategien, um die Luftschadstoffbelastung zu reduzieren. Es geht nicht nur um die Gesundheit der Lunge, sondern auch um die Gesundheit jenes Organs, das uns zum Menschen macht – um unser Gehirn“, “, sagt Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grisold, WNF-Generalsekretär.
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