Kurzsichtigkeit – im Fachjargon Myopie genannt – ist heute auf dem Vormarsch. Mehr und mehr Menschen greifen zur Brille, zu Kontaktlinsen oder zu einer Augen-OP. In Deutschland sind bereits über vier Millionen Menschen stark kurzsichtig - Tendenz steigend. Aber warum trifft es die einen, während die anderen ihr Leben lang ohne Augenprobleme durch die Welt gehen? Grund ist, neben genetischer Veranlagung, auch die individuelle Lebensweise eines Menschen. So sind immer mehr Menschen mit höherem Ausbildungsstatus von Kurzsichtigkeit betroffen. Wer mehr liest, schreibt und in dunklen Bibliothekszimmern kleingedruckte Texte entziffern muss, neigt folglich eher dazu, eine Sehschwäche zu entwickeln. Dabei muss angemerkt werden, dass sich die Myopie vor allem im Kindesalter entwickelt und auch hier vermehrt bei „Stubenhockern“ und jenen Kindern, die nicht so häufig draußen spielen.
Was heute in neuen Studien belegt wird, vermutete bereits im 19. Jahrhundert der Augenarzt Hermann Cohn. Dieser untersuchte tausende Schulkinder und kam zu einem interessanten Ergebnis: Die Ausprägung von Kurzsichtigkeit hatte stark mit dem Umstand zu tun, dass Kinder längere Zeit im Klassenzimmer verbrachten und weniger an der frischen Luft waren. Wohlgemerkt, damals gab es weder Computerspiele, noch Fernsehen oder Smartphones. So überrascht es nicht, dass eine Studie der Ohio State University aus dem Jahre 2007 Cohn recht gab und eine klare Empfehlung aussprach: Verbringen Kinder mehr Zeit draußen, so sinkt die Wahrscheinlichkeit, Kurzsichtigkeit zu entwickeln.
Ist die Kurzsichtigkeit bereits festgestellt worden, verlangsamt das Draußensein diese jedoch nicht. Allerdings kann man so möglicherweise den Beginn einer genetisch bedingten Myopie nach hinten schieben, was für Betroffene eine enorme Erleichterung darstellen kann. Denn je später die Kurzsichtigkeit beginnt, desto harmloser verläuft sie und desto geringer ist das Risiko, schwerwiegende Erkrankungen am Auge zu entwickeln.
Wer von Kurzsichtigkeit betroffen ist, die bereits im frühen Kindesalter begann, kann ebenfalls auf Erleichterung hoffen: An der Universität Leipzig wird derzeit ein Verfahren entwickelt, bei dem Riboflavin – ein Vitamin aus dem B Komplex – zur Versteifung der Augenhülle verwendet wird. So ließe sich theoretisch extreme Kurzsichtigkeit ohne große operative Eingriffe behandeln, indem die Lederhaut des Auges verstärkt wird. Allerding steckt diese Methode noch in den Kinderschuhen. In jedem Fall darf man gespannt sein, welche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum menschlichen Auge in den nächsten Jahren auf uns warten. Wird die Brille irgendwann nur noch ein Mode-Accessoire sein? Sicher ist, dass unser individuelles Verhalten unmittelbaren Einfluss auf die Gesundheit unserer Augen hat. Also, weg vom Computer und raus an die frische Luft!
Kurzsichtigkeit
Myopie