In der Fachzeitschrift Leukemia wird berichtet, dass möglicherweise bei schweren Corona-Fällen mit Lungenversagen das Krebsmittel Ruxolitinib (Jakavi®, Hersteller Novartis Pharma) ein längeres Überleben bringen könnte.
In den meisten Fälllen ruft das Coronavirus SARS-CoV-2 bei Patientinnen und Patienten nur milde Atembeschwerden hervor. Doch bei 5 Prozent der Betroffenen verläuft die COVID-19-Erkrankung so schwer verlaufen, dass es zu einem Lungenversagen kommen kann. „Ein schwerer und sogar tödlicher Verlauf geht regelmäßig mit einem sogenannten Zytokinsturm einher“, sagt der Marburger Mediziner Professor Dr. Andreas Neubauer, einer der Leitautoren der Fachveröffentlichung. „Dabei handelt es sich um eine Überschwemmung des Körpers mit Substanzen, die das Immunsystem anregen.“
Vor einem Jahr hatte das Forscherteam bereits vom Erfolg einer Ruxolitinib-Verabreichung bei einer schwer erkrankten COVID-19 Patientin berichtet, die künstlich beatmet wurde. Das aus der Krebstherapie stammende Mittel Ruxolitinib hemmt Enzyme im Körper, die an überschießenden Entzündungsreaktionen beteiligt sind. Da diese Immunantwort oft mit erhöhter Sterblichkeit bei einer COVID-19-Erkrankung einhergeht, untersuchte das Team, ob eine Verabreichung von Ruxolitinib regelmäßig das Überleben von Patientinnen und Patienten verlängert, die künstlich beatmet werden müssen.
Das Team aus Marburg und Kassel schloss in seine Studie 16 künstlich beatmete COVID-19-Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 35 und 92 Jahren ein, die allermeisten davon waren Männer. Sie erhielten das Medikament für eine Dauer von 4 bis 28 Tagen, zusätzlich zur Standardbehandlung, die zum Beispiel die Verabreichung des entzündungshemmenden Medikaments Dexamethason umfasst. Nach vier Wochen endete die Studie.
„Im Vergleich mit anderen publizierten Behandlungen schneidet die zusätzliche Ruxolitinib-Verabreichung gut ab“, erklärt Koautorin Dr. Caroline Rolfes vom Klinikum Kassel: 13 der 16 Betroffenen waren nach 28 Tagen noch am Leben, das entspricht einer Überlebensrate von 81 Prozent. In früheren Studien lag die Überlebensrate am Tag 28 zwischen 25 und 60 Prozent. Die Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen waren zwischen 6 und 28 Tagen auf die künstliche Beatmung angewiesen, im Schnitt 16 von 28 Tagen…
„Natürlich war die Anzahl der Patientinnen und Patienten, die wir in unsere Studie eingeschlossen haben, zu klein, um endgültige Aussagen über die Wirksamkeit von Ruxolitinib bei COVID-19 zu treffen“, erklärt Neubauer. Außerdem verzichtete das Team auf den Vergleich mit einer Kontrollgruppe, um niemandem die Behandlung mit Ruxolitinib vorzuenthalten. Mittlerweile läuft bereits eine größere klinische Studie, um weiter zu untermauern, ob Ruxolitinib den COVID-19- Patientinnen und -Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf einen Vorteil bringt.