Seit elf Jahren engagiert sich die Arbeitsgemeinschaft Leichter Reisen dafür, dass Menschen mit Behinderungen Urlaubsdestinationen ohne Hindernisse entdecken können. Auch in den Städten werden Barrieren aus dem Weg geräumt, gleichberechtigte Teilhabe wird überall mitgedacht. Die vier Mitglieder Erfurt, Rostock, Magdeburg und Fränkisches Seenland laden im Sommer zu vielfältigen Kultur- und Freizeitangeboten in der Stadt.
Wenn im August das Musical „Der Name der Rose“ nach dem Roman von Umberto Eco vor der imposanten Kulisse des Erfurter Doms aufgeführt wird, machen sich wieder Tausende Besucher auf den Weg in die Landeshauptstadt Thüringens. Die DomStufen-Festspiele sind der sommerliche Veranstaltungshöhepunkt in der historischen Altstadt. Für Menschen im Rollstuhl gibt es zehn Plätze mit barrierefreiem Zugang, Parkplätze befinden sich direkt am Domplatz. Für Menschen mit Hörbehinderungen stehen einige Hörschleifen zur Verfügung. Zudem wird die Inszenierung am Abend untertitelt.
Das Kirchenbauensemble des Mariendomes und der Severikirche ist auch Teil einer Stadtführung durch die historische Altstadt mit ihren Fachwerk- und Patrizierhäusern und der eindrucksvollen Krämerbrücke. Geschulte Gästeführer stellen sich ganz auf die Teilnehmer ein. So gibt es unter anderem Führungen in Gebärdensprache, in leichter Sprache und für blinde und sehbehinderte Gäste. Stadtrundfahrten sind in der historischen Straßenbahn und im barrierefreien Altstadt-Express möglich.
Auch auf die Spuren der berühmten Bauhaus-Schule können sich Besucher im Jubiläumsjahr „100 Jahre Bauhaus“ begeben. Die für Rollstuhlfahrer zugängliche Kunsthalle Erfurt zeigt bis Mitte Juli die Ausstellung „BauhausFrauen – Lehrerinnen und Absolventinnen der Bauhaus Universität Weimar“. Ab September widmet sich das barrierefreie Angermuseum dem „Bildermagazin der Zeit“ und der Arbeit von László Moholy-Nagy, einem Meister am Bauhaus.
Geschichte für alle greifbar machen, das ist auch für Weißenburg in Bayern eine Herzensangelegenheit. Die Stadt im Fränkischen Seenland hat im Jahr 2017 das Römermuseum barrierefrei umgebaut. Es zeigt einen der wertvollsten Schätze aus der Römerzeit, der jemals in Deutschland gefunden wurde, darunter einzigartige Götterfiguren, Alltagsgegenstände und Paradeausrüstungsteile. Vor etwa 2000 Jahren besetzten die Römer die Region südlich von Nürnberg und errichteten eine monumentale Grenzanlage, den Limes. Er ist heute UNESCO-Welterbe und das größte Bodendenkmal Europas.
Im Bayerischen Limes-Informationszentrum, das sich im Erdgeschoss des Römermuseums befindet, werden das Leben am Limes und die Ausrüstung der Soldaten beleuchtet. Für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Lernbehinderungen bieten Museumsmitarbeiter spezielle Führungen an. Am Stadtrand steht ein weiteres Zeugnis antiker Kultur: die barrierefrei zugänglichen Römischen Thermen, die einen Einblick in die Badekultur der Antike geben.
Einmal im Jahr verwandelt sich Weißenburg in eine Römerstadt. Diesmal vom 31. August bis zum 1. September: Dann lädt der Ort zum Römerfest mit aufmarschierenden Legionären, Händlern und Handwerkern.
In Magdeburg begeben sich Besucher auf die Spuren Kaiser Ottos des Großen. Im Jahr 937, Otto ist König des Ostfrankenreichs, gründet er in seiner Lieblingspfalz das Benediktinerkloster St. Mauritius. Damit wird Magdeburg zu einem wichtigen Herrschaftszentrum in Europa. Wenig später beginnt der Ausbau der Kirche zur Kathedrale, der Dom mit kostbaren italienischen Säulen aus Marmor und Granit entsteht.
Heute können Besucher im Dom die Grablege Ottos und seiner Frau Editha besichtigen. Über eine Rampe gelangen Rollstuhlfahrer ins Innere. Der Domplatz, mit glatten Pflastersteinen neu gestaltet, ist ebenso gut befahrbar. Blinde können sich hier dank eines tastbaren Bronzemodells mit Blindenschrift einen Überblick über die Innenstadt verschaffen. Menschen mit Lernschwierigkeiten erfahren bei speziellen Stadtführungen mehr über den Dom. Ein unvergessliches Erlebnis ist das Domplatz Open-Air, das auch für Rollstuhlfahrer zugänglich ist. Bis 7. Juli bringt das Theater Magdeburg eine Neuproduktion des Musicals „Chicago“ auf die Bühne.
Ein in Deutschland seltenes Hörvergnügen in einem Fußballstadion erleben Blinde in der „MDCC-Arena“ des 1.FC Magdeburg, der nach der Sommerpause ab Mitte Juli in der 3. Bundesliga spielen wird. In Block 20, zwischen Fans und anderen Zuschauern, stehen 20 Audiokommentarplätze für Menschen mit Sehbehinderung zur Verfügung. Bei jedem Heimspiel kommentieren Journalistik-Studierende das Spiel live. Eine Anmeldung für die Blindenreportage ist über den Behindertenfanbeauftragten des Vereins möglich.
In der Hanse- und Universitätsstadt Rostock mit dem Seebad Warnemünde, erleben Gäste vom 6. bis 14. Juli Segelsport der Extraklasse: Bei der Warnemünder Woche segeln mehr als 1000 Segler und Surfer vor der Ostseeküste um Weltranglisten-Punkte. Um hautnah dabei zu sein, können Rollstuhlfahrer den Sportlern vom Land aus zuschauen. Sehenswert sind auch der traditionelle Festumzug „Niege Ümgang“ in historischen Kostümen sowie die sportlichen Wettkämpfe am weißen Ostseestrand.
Selbst mitsegeln können Gäste mit Handicap während des zweiten sommerlichen Großereignisses, der Hanse Sail Rostock vom 8. bis 11. August. Das Treffen der Windjammer, Traditionssegler und Museumsschiffe gehört zu den größten maritimen Festen weltweit. Höhepunkt ist die Regatta der Traditionssegler. Für Menschen mit Sehbehinderungen gibt es taktile Lagepläne im Stadthafen, außerdem halbstündliche Programm-Durchsagen über Lautsprecher sowie hörverstärkende Technik.
Außerhalb der Sommerfeste genießen Besucher das maritime Flair der Großstadt am Meer in der historischen Innenstadt oder erholen sich im Seebad Warnemünde am Strand. Für den Ausflug zum Meer nutzen Rollstuhlfahrer die barrierefreien Strandaufgänge in Warnemünde und Markgrafenheide. In Warnemünde können Strandmobile und Baderollstühle ausgeliehen werden. Neu ist seit diesem Jahr ein barrierefreier Strandkorb am Strandaufgang zehn in Warnemünde. Rollstuhlfahrer fahren über eine Rampe rückwärts auf die Freifläche im Korb. Eine unter dem Strandkorb befestige Drehscheibe ermöglicht Rollstuhlfahrern einen 360-Grad-Rundumblick auf das Meer und den bis zu 200 Meter breiten Ostseestrand.
Weitere Ideen für den Urlaub in der Stadt liefern die Mitglieder der AG Leichter Reisen auf ihrer gemeinsamen Webseite: www.leichter-reisen.info